Berlusconi dementiert Rücktrittsgerüchte

Berlusconi dementiert Rücktrittsgerüchte

Im Dauerregen: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Rom – Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ringt weiter um seine Regierungsmehrheit und dementiert Rücktrittsgerüchte. Entsprechende Spekulationen seien «ohne Fundament», erklärte der angeschlagene Chef einer Mitte-Rechts-Regierung am Montag unter anderem über das soziale Netzwerk Facebook. Am Dienstag solle im Abgeordnetenhaus über den Rechenschaftsbericht abgestimmt werden, danach werde er sofort eine Vertrauensabstimmung ansetzen, um über den Massnahmen-Brief an Brüssel abzustimmen, zitieren italienische Medien den 75-jährigen Medienmogul.

Zuvor hatte der Berlusconi-Anhänger Giuliano Ferrara auf der Webseite der Tageszeitung «Il Foglio» verkündet: «Dass Berlusconi die Führung des Landes abtritt, ist sicher. Es handelt sich um eine Frage von Stunden, wenn nicht gar Minuten.» Ferrara ging auch am Nachmittag noch von einem Abtritt Berlusconis aus. Der Premier werde die Vertrauensabstimmung über die in Brüssel versprochenen Reformen mit seinem anschliessenden Rücktritt verbinden, so Ferrara. Seit Wochen geht es in Rom darum, ob Berlusconi seinen Platz räumt und den Weg entweder für Neuwahlen oder für eine Übergangsregierung freimacht. Obwohl er zur Zeit keine absolute Mehrheit im Parlament mehr hat, lehnte Berlusconi bislang einen Rücktritt konsequent ab.

«Atempause» in Mailand
Unter dem steigendem Druck der Finanzmärkte auf das hoch verschuldete Italien hatte der Premier nach einer nächtlichen Krisensitzung hinter verschlossenen Türen mit seinem Vertrauten Gianni Letta und seinem Parteichef Angelino Alfano am Montagmorgen Rom und dem Parlament den Rücken gekehrt, um sich bis zum Abend nach Mailand zurückzuziehen. «Eine Atempause», hatten italienische Medien am Morgen die Fahrt nach Mailand beurteilt. Doch soll er dort nicht nur mit seinen Kindern, sondern auch mit seinem Koalitionspartner und Lega-Nord-Parteichef, Umberto Bossi, zusammenkommen.Am Dienstag soll die Abgeordnetenkammer erneut über den bereits einmal durchgefallenen Rechenschaftsbericht 2010 abstimmen – eine gefährliche Feuerprobe für Berlusconi: Eine Niederlage würde nach Ansicht von Beobachtern den Sturz der Regierung bedeuten.

Druck der Finanzmärkte steigt
Unterdessen stieg am Montag der Druck auf Italien seitens der Finanzmärkte. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen kletterte auf einen Rekord von 6,638 Prozent – Zeichen des grossen Misstrauens der Investoren. Tatsächlich droht das Land, das nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone gemessen an der Wirtschaftsleistung aufweist, vor allem wegen politischer Probleme Griechenland in den Strudel der Schuldenkrise zu folgen. Angesichts seiner schwindenden Regierungsmehrheit gelang es Berlusconi trotz der Verabschiedung von zwei drastischen Sparpakten und allen Versprechungen gegenüber Brüssel bislang nicht, die Märkte zu beruhigen. Die internationalen Zweifel an der für die Durchsetzung von wichtigen Spar- und Reformmassnahmen entscheidenden Handlungsfähigkeit der Regierung blieben bestehen.

EU-Kommission: Italiens Finanzen bleiben unter Beobachtung
Italiens Finanzen bleiben unter internationaler Beobachtung – ungeachtet der politischen Entwicklung in Rom. Das hat die EU-Kommission am Montag in Brüssel klar gemacht. «Wir lassen überwachen, ob die vereinbarten Haushaltsziele erreicht werden», sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Auf die Frage, was passieren würde, wenn die Regierung von Silvio Berlusconi stürzt, sagte der Sprecher: «Es gibt keine Auswirkung, egal welche Entwicklungen sich in Rom in den kommenden Stunden oder Tagen ergeben werden.»

Expertengruppe diese Woche in Rom erwartet
Die Eurostaaten hatten die EU-Kommission beim Gipfel Ende Oktober damit beauftragt, die italienische Budgetsanierung zu kontrollieren. In dieser Woche soll die Expertengruppe aus Brüssel in Rom eintreffen, ein genaues Datum nannte der Sprecher nicht. «Wir haben einen Fragebogen nach Rom an die italienischen Behörden geschickt.» Darin gehe es um den konkreten Zeitrahmen für die Umsetzung der Aktionspläne. Noch im November sollen die Experten den 17 Euro-Staaten aktuelle Daten liefern. Auf dieser Basis würden die Euro-Finanzminister politische Schlussfolgerungen ziehen.

Italiens Finanzen am Montag Thema in Brüssel
Die Finanzlage Italiens wird auch Thema beim Treffen der Finanzminister der Euro-Staaten am Montagabend in Brüssel sein. Italiens Finanzminister Giulio Tremonti werde dort seinen Kollegen erklären müssen, «wie und wann Italien seine Verpflichtungen einhalten wird», sagte der Kommissionssprecher. Bei der Aufsicht steht die EU-Kommission in engem Kontakt mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die grössten Industrie- und Schwellenländer der Welt (G20) hatten vor wenigen Tagen in Cannes beschlossen, dass der IWF ebenfalls die Budgetsanierung in dem hoch verschuldeten und damit verwundbaren Land kontrolliert. Am Ende werde es zwei Berichte geben, einen von der EU und einen vom IWF, so die EU-Kommission. (awp/mc/upd/ps)

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