Euro-Schuldenkrise verschärft sich weiter

Euro-Schuldenkrise verschärft sich weiter

Deutschland scharf kritisiert: Viviane Reding, stellvertretende EU-Kommissionspräsidentin.

Rom – Die Euro-Schuldenkrise hat sich zum Ende einer Woche mit schlechten Nachrichten weiter verschärft. Anleger wandten sich von italienischen Staatspapieren ab, Belgiens Kreditwürdigkeit wurde von der Ratingagentur Standard & Poor’s abgestuft – und auch der Kurs des Euro, der in den vergangenen Wochen der Krise getrotzt hatte, gab wieder nach. Der Präsident der deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, sieht in der jüngsten Eskalation jedoch keinen Grund zu

Panik. Auch andere Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) lehnten erneut ab, dass die Notenbank massiv Staatsanleihen von Krisenländern aufkauft, um deren Kurse zu stützen. Aus der EU-Kommission hagelte es Kritik an Deutschland zögerlicher Rolle bei der Euro-Rettung. Und Währungskommissar Olli Rehn versicherte, der Euro werde «definitiv nicht scheitern».

Beteiligung privater Gläubiger auf der Kippe
Angesichts der steigenden Nervosität der Märkte wollen Frankreich und Italien derweil die geplante Beteiligung privater Gläubiger am dauerhaften Euro-Rettungsfonds verhindern. Das berichtet die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag). Auch «Die Welt» berichtet über Frankreichs Forderung, die Gläubigerbeteiligung neu zu verhandeln.

Deutschland hatte diese zur Voraussetzung für den künftigen Rettungsschirm ESM gemacht, der spätestens 2013 in Kraft treten soll, konnte sich aber bereits nicht damit durchsetzen, dass die Beteiligung verpflichtend ist. «Die Südländer wollen nachverhandeln, die Gespräche dazu laufen», sagte ein EU-Diplomat der dpa. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte am Abend, für Deutschland bleibe die Gläubigerbeteiligung «ein wesentlicher Bestandteil des permanenten Rettungsschirms».

Schäuble: Ursachen bekämpfen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte dazu: «Man kann nie ausschliessen, dass es Diskussionen in Brüssel gibt über alles mögliche. Aber im Augenblick sind wir dabei, uns darauf zu konzentrieren, die aktuelle Krise zu lösen.» Zunächst werde der EU-Gipfel am 9. Dezember vorbereitet, erst dann folgten abschliessende Verhandlungen über den ESM. Schäuble fügte hinzu: «Im Grunde haben wir ja das Prinzip bei dem ESM vereinbart schon im Juli. Nur, wenn wir jetzt zu einer Stabilitätsunion kommen, wird man sehen, wie sich das dann noch mit dem ESM-Vertrag gegebenenfalls anzupassen hat.»

Deutschland, Finnland und die Niederlande pochen zur Eindämmung der Euro-Schuldenkrise auf Sanierungsanstrengungen der betroffenen Länder und strengere Kontrollen der Stabilitätsregeln. «Wir müsse die Probleme lösen durch die Bekämpfung der Ursachen», sagte Schäuble nach einem Gespräch mit seinen Amtskollegen in Berlin.

Märkte reagieren enttäuscht

Die Märkte zeigten sich vom «Mini-Gipfel» mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und dem italienischen Regierungschef Mario Monti am Vortag enttäuscht, hiess es am Freitag zur Entwicklung an den Anleihe- und Devisenmärkten. Merkel hatte die Hoffnungen auf gemeinsame Euro-Anleihen («Eurobonds») und einen erweiterten Kriseneinsatz der EZB gedämpft.

Nach Einschätzung von EZB-Ratsmitglied Luc Coene wäre es keine Lösung, dass die Notenbank in grossem Stil Staatsanleihen der Schuldenländer kauft. «Wenn man einmal damit beginnt, muss man es aufrechterhalten, und das ist nicht vertretbar», sagte der Chef der belgischen Notenbank laut einem Bericht der belgischen Tageszeitung «De Tijd» (Freitag). EZB-Direktoriumsmitglied José Manuel González-Páramo bekräftigte am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung der Universität Oxford: «Die EZB ist kein Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten.»

EZB-Chef gelassen
Eher gelassen sieht Bundesbank-Präsident Jens Weidmann die steigenden Renditen der Staatstitel. «Weder wackelt Frankreich noch Österreich, die Zinsniveaus sind im historischen Vergleich nicht aussergewöhnlich hoch», sagte er der «Berliner Zeitung» (Samstag). Im Fall Italiens warnte der Notenbanker davor, so zu tun, als sei das Land «schon so gut wie pleite». Die Diskussion sei extrem kurzatmig geworden: «Kaum steigt irgendwo die Rendite zehnjähriger Anleihen, schon wird der Weltuntergang verkündet.» Das stehe in keinem Verhältnis zu einer fundierten wirtschaftlichen Analyse.

Um dem Euro-Schwergewicht Italien kurzfristig Geld zu leihen, verlangen Investoren mehr Geld als jemals zuvor seit Einführung des Euro. Am Freitag kletterte die Rendite für Zweijahrespapiere der drittgrössten Volkswirtschaft im Währungsraum im Tagesverlauf auf ein Hoch von 7,77 Prozent. Auch deutscher Staatstitel, die zuletzt noch als «sicherer Hafen» galten, standen nach der schwachen Nachfrage bei einer Neuemission am Mittwoch weiter unter Druck. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe stieg auf 2,235 Prozent. Weidmann betonte, das Vertrauen der Finanzmärkte in Deutschland sei intakt.

Euro rutscht ab
Der Euro-Kurs rutschte am Freitag zwischenzeitlich auf die niedrigsten Stände seit Anfang Oktober. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde zuletzt mit 1,3282 Dollar gehandelt. Für den deutschen Aktien-Leitindex Dax ging es zunächst am zehnten Tag in Folge nach unten, zum Handelsschluss drehte er jedoch um 1,19 Prozent auf 5.492,87 Punkte ins Plus.

Die Vize-Chefin der EU-Kommission, Viviane Reding, kritisierte Deutschlands zögerliche Haltung in der Krise. Mit Blick auf die Ablehnung gemeinsamer Staatsanleihen der Euro-Länder sagte Reding dem Saarländischen Rundfunk: «Ich sehe immer wieder, dass Deutschland als Reaktion immer ein Nein hat, und dann fängt man erst mit der Diskussion an.» Der Kritik schloss sich Rehn an: «Deutschland ist ganz sicher ein sehr wichtiger Mitgliedsstaat, hat eine fundamentale Rolle, entscheidet aber nicht allein», betonte er bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus in Rom, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. (awp/mc/pg/upd/ps)

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