Bundesrat will Zuwanderung mit Schutzklausel begrenzen

Bundesrat will Zuwanderung mit Schutzklausel begrenzen
(Bild: michaklootwijk - Fotolia)

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Bern – Der Bundesrat schlägt dem Parlament vor, die Masseneinwanderungsinitiative mit einer einseitigen Schutzklausel umzusetzen. Diese würde die Zuwanderung nicht vor 2019 begrenzen. Eine einvernehmliche Lösung mit Brüssel gibt es vorerst nicht.

Eine solche strebt der Bundesrat aber weiterhin an. Denn eine Schutzklausel, die EU-Bürgern den Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt verwehrt, verletzt das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Im äussersten Fall droht die Kündigung, womit das ganze Paket der Bilateralen I wegfallen würde.

Schon länger war aber klar, dass vor dem «Brexit»-Referendum am 23. Juni nicht mit einem Entgegenkommen Brüssels zu rechnen ist. So lange kann der Bundesrat nicht warten, denn die Masseneinwanderungsinitiative muss bis am 9. Februar 2017 umgesetzt sein. Darum hat er am Freitag beschlossen, auf den Plan B zurückzugreifen: Die einseitige Schutzklausel.

Zwei Jahre gewonnen
Diese sieht vor, dass eine Zuwanderungskommission dem Bundesrat einen Schwellenwert vorschlägt. Wird dieser Schwellenwert im Jahr nach Inkrafttreten des neuen Regimes überschritten, legt der Bundesrat im Jahr darauf Höchstzahlen für die Zuwanderung fest. Diese würden also ab dem dritten Jahr gelten. Das heisst, dass mindestens bis Ende 2018 volle Personenfreizügigkeit mit der EU gilt. Die Höchstzahlen gelten nach den Plänen des Bundesrats für alle Bewilligungen mit Erwerbstätigkeit ab 4 Monaten Dauer. Mit Grenzgängerbewilligungen soll eine Umgehung vermieden werden.

Den Inländervorrang, der mit der Masseneinwanderungsinitiative ebenfalls in die Verfassung geschrieben wurde, sieht der Bundesrat mit der Festsetzung von Höchstzahlen erfüllt. Eine Einzelfallprüfung wird es nicht geben. Handlungsspielraum für die Einschränkung des Familiennachzugs sieht der Bundesrat kaum, wie er in der Botschaft ans Parlament schreibt.

Kontingente soll es aber für den Familiennachzug von Angehörigen aus Drittsaaten geben. Für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene plant der Bundesrat ein eigenes Kontingent. Dieses soll rasch an die jeweilige Flüchtlingssituation angepasst werden können. Für Asylsuchende sind keine Höchstzahlen vorgesehen.

Kündigung nicht ausgeschlossen
Die Lösung mit der einseitigen Schutzklausel steht unter einem grossen Vorbehalt: In der Botschaft erinnert der Bundesrat an die Praxis des Bundesgerichts, das dem Freizügigkeitsabkommen bisher Vorrang vor Schweizer Gesetzten gegeben hat. Würde das Parlament die Vorlage mit der einseitigen Schutzklausel verabschieden, könnte diese nur angewendet werden, wenn die Schweiz das Abkommen kündigen würde, schreibt der Bundesrat.

Doch nun ist das Parlament am Zug. Dieses greift möglicherweise auf eine verträglichere Lösung zurück, um die Bilateralen nicht zu gefährden. Möglich ist jedoch auch, dass der Bundesrat im zweiten Halbjahr 2016 doch noch zu einer Einigung mit Brüssel kommt. Für diesen Fall will er dem Parlament eine Zusatzbotschaft nachreichen.

Horizon 2020 in Reichweite
Eine Einigung mit Brüssel ist für den Bundesrat auch eine Bedingung für die volle Personenfreizügigkeit mit Kroatien. Das entsprechende Zusatzprotokoll hat er am Freitag unterzeichnet. Nun muss das Parlament die Ratifikation genehmigen. Tatsächlich ratifizieren will der Bundesrat aber nur, wenn sich bei der Personenfreizügigkeit eine Lösung mit der EU abzeichnet.

Die Schweiz ist unter Zeitdruck, denn die Kroatien-Frage ist seit 2014 politisch mit der Forschungszusammenarbeit verknüpft. Nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 teilte die Schweizer Regierung der EU mit, das Kroatien-Protokoll wegen des neuen Verfassungsartikels nicht unterzeichnen zu können.

Als Reaktion darauf schloss die EU die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon 2020 aus. Später kam eine Übergangslösung zustande, die der Schweiz eine provisorische Teilnahme erlaubt. Darin ist sogar die volle Assoziierung vorgesehen, jedoch nur, wenn das Kroatien-Protokoll bis am 9. Februar 2017 ratifiziert ist. Andernfalls fliegt die Schweiz definitiv aus der europäischen Forschungszusammenarbeit.

Kaum zusätzlicher Schutz
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative hat der Bundesrat am Freitag weitere Entscheide gefällt. So möchte er den Gewerkschaften bei den flankierenden Massnahmen einen kleinen Schritt entgegenkommen: Bei wiederholten Verstössen gegen die Bestimmungen über den Mindestlohn oder bei Hinweisen, dass der Wegfall des Normalarbeitsvertrags zu Missbräuchen führen könnte, soll ein Normalarbeitsvertrag befristet verlängert werden können.

Eine entsprechende Bestimmung hat der Nationalrat diese Woche bereits ins Entsendegesetz geschrieben, zusammen mit der Erhöhung der Bussen. Der Bundesrat hatte diese Gesetzesänderung schon 2014 vorgeschlagen, in der Vernehmlassung dafür aber viel Kritik geerntet. Die weiteren Vorschläge, die er damals zur Diskussion stellte, sind in der neuen Vorlage nicht enthalten.

Weiter will der Bundesrat die Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt fördern, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen. Zum einen soll die Sonderabgabe auf dem Lohn von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen abgeschafft werden. Zum anderen sollen Arbeitgeber kein Bewilligungsverfahren mehr durchlaufen müssen. Schliesslich will der Bundesrat mit einer Änderung des Ausländergesetzes verhindern, dass ausländische Stellensuchende Sozialhilfe beziehen. (awp/mc/pg)

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