Michael Merkle, CEO Agathon AG, im Interview

Michael Merkle, CEO Agathon AG, im Interview
Michael Merkle, CEO Agathon. (Foto: Agathon)

Michael Merkle, CEO Agathon AG. (Foto: Agathon)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Merkle, seit bald 100 Jahren stellt die Agathon AG Werkzeugmaschinen sowie sogenannte Normalien und Führungselemente für den Werkzeug-, Formen und Maschinenbau her. Konkret handelt es sich bei den Werkzeugmaschinen um Wendeplatten-Schleifmaschinen oder viel mehr Schleifzentren. Was müssen diese Maschinen können?

Michael Merkle: Wendeschneideplatten sind kleine, extrem harte und hochpräzise Teile aus anspruchsvollen Materialien, welche als Schneiden in Werkzeuge zum Drehen, Fräsen oder ähnlichen Prozessen eingesetzt werden. Diese Plättchen werden in unsere Spezialmaschinen eingesetzt und geschliffen. Unsere Spezialmaschinen ermöglichen die Bearbeitung von einfachen bis komplexen Wendeschneideplatten in unterschiedlichsten Materialien und Geometrien – und dies sehr schnell, in höchster Präzision und mit hoher Zuverlässigkeit.

Bei der Fachmesse GrindTec in Augsburg haben Sie im Frühling gleich drei neue Maschinen präsentiert. Welche Anforderungen erfüllt diese neue Schleifmaschinen-Generation?

Die neuen Maschinen sind allesamt Industrie 4.0-fähig. Dank der offenen I 4.0 – Schnittstellen können die Kunden bis zu 300 Daten aus den Maschinen auslesen. Hierfür können sie die Maschinen entweder selber konfigurieren, oder aber sie können bei Agathon eine entsprechende Software erwerben. Alle drei Maschinen – die Leo Peri, die Dom Plus und die Evo Combi – erhöhen die Autonomie, den Automationsgrad und die Flexibilität. Die Umrüstzeiten wurden markant verkürzt.“Last but not least“ ist zu erwähnen, dass der Anwender auch bei unserer neusten Generation von Maschinen seine bestehenden Programme und Werkzeuge einsetzen kann. Diese Kompatibilität ist für Agathon eine Selbstverständlichkeit.

«Wir haben mit diesem kompletten und innovativen Portfolio unsere Technologieführerschaft bestätigt.»
Michael Merkle, CEO Agathon

Wie sieht es mit der Bedienerfreundlichkeit aus?

Diese ist bei Agathon traditionell sehr hoch. Zusätzlich haben wir bereits im vergangenen Herbst eine neue, grafische Benutzeroberfläche präsentiert. Die sogenannte AGP-Iso ist eine leicht bedienbare Benutzeroberfläche für die schnelle und einfache Programmierung von Wendeschneidplatten. Die Software stellt eine grafische Auswahl aller ISO-Standard-Geometrien zur Verfügung, die mittels Touch-Screen abgerufen und per Fingerdruck angepasst werden können. Die gewünschte Form kann auch direkt durch Eingabe des ISO-Schlüssels aufgerufen werden. Über die intelligente Steuerung lassen sich alle relevanten Prozessparameter frei definieren.

Generell lässt sich sicher sagen, dass wir mit diesem kompletten und innovativen Portfolio unsere Technologieführerschaft bestätigen. Und dies sowohl für einfachere wie auch für sehr komplexe Anwendungen.

Was steht bei all Ihren Innovationen im Fokus?

Die Produktivität, die Flexibilität, die Autonomie und natürlich die Genauigkeit.

Wie wird diese Innovationsfähigkeit im Zuge der Digitalisierung auf die Probe gestellt?

Mit unserer Industrie 4.0-Schnittstelle fliesst diese bereits in unsere Innovationstätigkeit ein. Oder nehmen wir unsere Power-Grind-Technologie, die ein viel schnelleres Abschleifen ermöglicht. Es handelt sich dabei um ein elektroerosives Verfahren, das metallisch gebundene Diamantschleifbeläge kontinuierlich konditioniert und damit die Abtragsleistung deutlich erhöht. Kernstück ist eine rotierende Elektrode, die während des Schleifprozesses gezielt auf die Schleifscheibe einwirkt. Dabei zündet zwischen der Elektrode und dem Schleifbelag ein Entladungsfunke, der die Bindung verdampfen lässt und damit die Diamantkörner optimal freistellt. Das Resultat ist eine immer saubere und schnittige Schleifscheibe.

Sie sind seit September 2014 Mitbesitzer der Agathon AG und seit Februar 2015 deren CEO. Für sich und Ihr Unternehmen mit einem Exportanteil von über 90% hätten Sie sich sicher einen sanfteren Einstieg gewünscht als gleichzeitig mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die SNB zu starten…

Richtig, das wünscht man sich nicht wirklich. Der Entscheid der SNB fiel an meinem ersten operativen Tag bei Agathon – während unserer Budgetsitzung.

«Der SNB-Entscheid  hat uns vor Augen geführt, dass auch bei einem gesunden Unternehmen wie Agathon Effizienzsteigerungen notwendig sind, um als Unternehmen aus dem Hochlohnland Schweiz weltweit wettbewerbsfähig zu sein.»

Welche Massnahmen haben Sie ergriffen?

Nun, wir mussten ganz von vorne beginnen. Wir konnten ja unseren Kunden nicht sagen, dass ab sofort alle unsere Schleifmaschinen und Normalien 15 Prozent teurer sein würden. Also haben wir Sparmassnahmen ergriffen, Einsparpotenziale eruiert und die Prozesse im Betrieb, in der Verwaltung und in der Entwicklung optimiert.

Und die Massnahmen waren erfolgreich?

Absolut. Natürlich belastet auch uns die Frankenstärke, aber rückblickend sehe ich im SNB-Entscheid nicht nur Nachteile, denn er hat uns vor Augen geführt, dass auch bei einem gesunden Unternehmen wie Agathon Effizienzsteigerungen notwendig sind, um als Unternehmen aus dem Hochlohnland Schweiz weltweit wettbewerbsfähig zu sein.

«Ob nun Frankenstärke, MEI oder wirtschaftliche Schwächen in einzelnen Regionen – wir müssen über diese Unsicherheiten hinwegkommen. Sie gehören mittlerweile zu unserem Alltag und da werden sie auch bleiben.»

Eine Auslagerung der Produktion ins kostengünstigere Ausland stand nie zur Diskussion?

Nein. Wir produzieren anspruchsvolle Produkte mit einer sehr hohen Fertigungsgenauigkeit. Alle Bereiche müssen gut zusammenarbeiten können. An unserem Standort hier in Bellach bei Solothurn haben wir das Glück, in einem Präzisionscluster zu arbeiten, mit der Uhrenindustrie, dem Medtech-Bereich, aber auch IT, Energie und Umwelt. Hier können hochqualifizierte Fachkräfte aus Entwicklung, Applikation, Produktion und Service zusammenarbeiten und ihr Knowhow austauschen.

Apropos Fachkräfte: Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ist ein grosser Unsicherheitsfaktor. Wie beurteilen Sie die Situation?

Es wird viel über die Kontingentierung gesprochen. Ich bin 2002 selber über ein Kontingent von Deutschland in die Schweiz gekommen. Aber der Aufwand, auf diesem Weg an die benötigten Fachkräfte zu kommen, ist sehr gross. Für uns wäre das zu bewältigen, aber für kleine Unternehmen würde es sehr schwierig. Es ist ganz klar: Bei der Standortfrage sind die bilateralen Verträge mit der EU elementar. Natürlich hoffen wir auf eine gute Lösung.

Asien ist mit 25 % einer Ihrer Hauptmärkte. Wie hat sich schwächelnde Konjunktur in China auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

2015 war ein schwaches Jahr und 2016 erfolgte der Start mit Überkapazitäten. Aber wir sind zuversichtlich, sowohl für die zweite Jahreshälfte 2016 als auch für das kommende Jahr. Die Talsohle ist durchschritten und der Markt belebt sich. Dies gilt auch für die EU und die USA. Die vielen Unsicherheiten haben einen eigentlichen Investitionsstau verursacht, und dieser beginnt sich nun langsam aufzulösen.

Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Ob nun Frankenstärke, MEI oder wirtschaftliche Schwächen in einzelnen Regionen – wir müssen über diese Unsicherheiten hinwegkommen. Sie gehören mittlerweile zu unserem Alltag und da werden sie auch bleiben.

Herr Merkel, wir bedanken uns für das Gespräch.

Zur Person:
Michael Merkle ist seit 2015 CEO und Co-Inhaber der Agathon AG. Merkle verfügt über langjährige und erfolgreiche Führungs- und Geschäftsführungserfahrung im internationalen Maschinenbau. Vor seinem Einstieg bei Agathon war er Geschäftsführer der Bystronic Laser AG in Niederönz, einem der weltweit führenden Herstellern von CNC gesteuerten Laser- und Wasserstrahlschneidmaschinen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert