Deutschland: Exportsorgen drücken Ifo-Index

Deutschland: Exportsorgen drücken Ifo-Index
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts. (Foto: CESifo-Gruppe)

München – Trübere Exportaussichten für die Industrie haben in der deutschen Wirtschaft für einen überraschenden Stimmungsdämpfer gesorgt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im August von 108,3 Punkten im Vormonat auf 106,2 Zähler und damit auf den tiefsten Stand seit Februar dieses Jahres, wie das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag in München mitteilte. Experten hatten dagegen mit einem leichten Anstieg des Konjunkturbarometers gerechnet. «Die deutsche Konjunktur fällt in ein Sommerloch», erklärte Ifo-Chef Clemens Fuest.

Für den Ifo-Index werden monatlich rund 7000 Unternehmen aus Industrie, Gross- und Einzelhandel sowie aus der Bauwirtschaft befragt. Sie schätzten im August sowohl ihre derzeitige Lage als auch ihre Aussichten für die kommenden sechs Monate schlechter ein als im Juli. Der Lage-Index fiel entsprechend von 114,8 auf 112,8 Punkte und der Index für die Geschäftserwartungen von 102,1 auf 100,1 Punkte.

Experte: Brexit-Schock belastet mit Verzögerung
«Es scheint, als bräuchten deutsche Unternehmen immer ein bisschen länger, um Nachrichten zu verdauen – aber der heutige Ifo-Index legt nahe, dass die deutschen Unternehmen plötzlich in der Brexit-Realität aufgewacht sind», kommentierte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. So hatte sich das Geschäftsklima im Juli – etwa einen Monat nach dem Brexit-Votum in Grossbritannien – zwar eingetrübt, allerdings wesentlich schwächer als jetzt im August. «Es ist nicht das erste Mal, dass der Ifo-Index auf globale Ereignisse mit einer Verzögerung von ein bis zwei Monaten reagiert», erklärte Brzeski.

Vor allem in der Industrie kühlte sich das Klima weiter ab. Die Firmen sind in ihrer aktuellen Lage weniger zufrieden, und die Zukunftserwartungen fielen angesichts schrumpfender Auftragseingänge unter den langfristigen Durchschnitt. Der Abwärtstrend zeigte sich in nahezu allen Industriezweigen, am deutlichsten aber in der Chemie- und Elektroindustrie. Aber auch im Gross- und Einzelhandel trübte sich die Stimmung ein.

Zugpferd Bauwirtschaft
Als Zugpferd erwies sich dagegen einmal mehr die Bauwirtschaft, hier blieb das Geschäftsklima auf Rekordniveau. Dass die Geschäfte der Branche angesichts des Immobilienbooms in Zeiten der Niedrigzinsen rund laufen, zeigte sich auch an den Halbjahreszahlen des Statistischen Bundesamtes: Der Umsatz im Bauhauptgewerbe stieg demnach in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nominal um 8,3 Prozent auf 29,7 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand reiche für dreieinhalb Monate, das sei der höchste gesamtdeutsche Wert, erklärte der Bauindustrieverband.

Experten sehen derweil noch keinen Grund für grosse Konjunktursorgen: «Die deutsche Konjunktur erlebt einen Sommer wie an der Küste: mit Sonne, aber auch mit Stürmen», meinte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Der Gegenwind des Brexit-Votums der Briten vom Juni bremse die bis zuletzt vor Kraft strotzende Wirtschaft nun zwar etwas, und die Stimmung in Deutschlands Firmen habe sich erstmals seit dem holprigen Jahresauftakt spürbar eingetrübt. «Wir sind dennoch zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs bleibt», so Zeuner. Er rechnet mit 1,8 Prozent Wachstum für Deutschland in diesem Jahr.

«Brexit-Folgen nicht dramatisieren»
Die gleichen Erwartungen hat Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: «Jetzt denkt natürlich jeder an den Brexit. Aber man sollte die Folgen für die deutsche Konjunktur nicht dramatisieren», meinte der Experte. «Erstens haben sich die Märkte kurz nach dem Votum der Briten rasch beruhigt. Zweitens sind die anderen Stimmungsindikatoren kaum gesunken.»  (awp/mc/upd/pg)

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