Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG, im Interview

Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG, im Interview
Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG. (Copyright: Jungfraubahnen Management AG)

Interview von Robert Jakob

Moneycab: Herr Kessler, Sie erwähnten Terrorangst als Grund für weniger Gruppenreisen durch Ausländer im ersten Halbjahr 2016. Was tun die Jungfraubahnen denn punkto Terrorismusabwehr?

Urs Kessler: Die Situation ist herausfordernd, zumal die Schweiz als Teil Europas wahrgenommen wird. Interlaken und das Jungfraujoch sind oft fixer Bestandteil einer Europareise, beispielsweise in Kombination mit Paris. Wichtig ist, in den Gesprächen mit den Reiseveranstaltern die Angst zu nehmen. Der persönliche Kontakt zu unserem Vertreternetz und den Tour Operators ist zentral, weshalb ich diesen Herbst selbst insgesamt dreimal nach Asien reise.  Die weltweite Bekanntmachung und Positionierung des Jungfraujochs – Top of Europe als Marke ist unabdingbar. Mit Events auf dem Top of Europe wie dem Basketballspiel mit NBA-Star Tony Parker haben wir es geschafft, über 100 Medienschaffenden vor Ort unser Ausflugsziel zu präsentieren. Die Bilder gingen um die Welt.

Die totale Garantie kann es ja nirgends auf der Welt geben, wie wir wissen. Wie sieht es denn beim rein technischen Risikomanagement aus?  Wie viele Jahresarbeitsstunden steckt beispielsweise die Jungfraubahn AG in die Bahnen-Sicherheit?

Wir betreiben ein aktives Risk Management, welches wir laufend überprüfen, anpassen und mit dem Verwaltungsrat diskutieren. Wir stecken sehr viel Zeit in Revisionen und Sicherheitsaudits mit Aufsichtsbehörden. Weiter verfügen wir über ein professionelles QRM, das regelmässig interne Audits durchführt. Wir investieren in die ständige Erneuerung der Sicherheitssysteme sowie sicherheitsrelevanten Anlagen. Bei der Beschaffung des neuen Rollmaterials bei der Jungfraubahn spielte der hohe Sicherheitsstandard eine zentrale Rolle. Dazu zählt mitunter eine Sprühnebel-Löschanlage im Fahrgastraum.

Könnte so etwas wie das nächtelange Festsetzen von Gondelgästen neulich am Mont Blanc bei uns auch passieren?

Die Strecke der Jungfraubahn verläuft zum grössten Teil im Tunnel, weshalb sie kaum wetterausgesetzt ist. Die Bahnstrecke zur Kleinen Scheidegg ist im oberen Bereich dem Föhn ausgesetzt. Die Winde werden bei den Stationen laufend überwacht, damit der Betrieb rechtzeitig eingestellt werden kann. Beim Gletscher der Eigerwestflanke haben wir ein Frühwarnsystem angebracht, um allfällig bevorstehende Abbrüche frühzeitig vorherzusehen. Bei der Firstbahn transportieren wir die Gäste mit Gondeln. Es kommt vor, dass wir bei starkem Wind die Gondeln frühzeitig abstellen müssen, können diese aber im Normalfall noch in die Stationen zurückfahren. Sollte dies nicht mehr möglich sein, sind bei uns die Gondeln so ausgerüstet, dass wir direkt und jederzeit aus der Gondel abseilen können, ohne Helikopter.

«Das Cross-Marketing, welches wir in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert haben, hat spürbar zum Erfolg der weiteren Erlebnisberge beigetragen.»
Interview mit Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG

Die First- sowie die Harderbahn haben  gegenüber dem Rekordvorjahr 2015 weiter zugelegt. Wie passt das zusammen? Das kann doch nicht nur am erfolgreichen Cross-Marketing liegen? Ich nehme an, beide Destinationen sind eigenständig geworden…

Das Cross-Marketing, welches wir in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert haben, hat spürbar zum Erfolg der weiteren Erlebnisberge beigetragen. Insbesondere hat davon auch die Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren und damit unser Ausflugsziel Winteregg profitiert.

Wichtig waren aber sicher die laufenden Investitionen in neue Attraktionen und die klare Positionierung unserer Erlebnisberge. Gerade auf First konnten wir mit dem First Cliff Walk und den Mountain Carts seit 2015 zwei neue Angebote realisieren und damit die Positionierung Top of Adventure stärken. Der Harder ist schon seit einigen Jahren auf Erfolgskurs. Ausbezahlt haben sich hier zusätzlich die täglichen Abendfahrten, welche wir seit 2015 anbieten.

Gerade bei den Firstbahnen wurde ja in den letzten Jahren sehr viel in Fun- und Freizeitaktivitäten investiert. Ist das der ultimative Trend: Der Berg als Disneyworld?

Wir haben unsere Erlebnisberge klar positioniert. First – Top of Adventure ist unser Ausflugsziel für Abenteuerlustige, welche das Bergerlebnis mit etwas Nervenkitzel verbinden wollen. Diese Ausrichtung passt zu First, zumal der Berg auch im Winter als Skigebiet für Freestyler bekannt ist, und wir im 2015 eine neue Halfpipe eröffnet haben. Das hat mit Disneyland nichts zu tun. Im Gegensatz zu First steht beispielsweise die Schynige Platte für Schweizer Tradition und Nostalgie. Winteregg positionieren wir als Familien-Ausflugsziel und beim Harder – Top of Interlaken steht die Aussicht im Vordergrund. Wir wollen Attraktionen schaffen, die zum jeweiligen Erlebnisberg passen und damit eine klare Linie verfolgen.

«Wir wollen mit First zum Freestyle-Gebiet Nummer 1 westlich von Zürich werden.»

Grindelwald-First eignet sich in der Tat sehr gut als „Freestyle“-Berg. Haben Sie im letzten Winter eine Zunahme bei den jungen Leuten auf dieser Südseite festgestellt?

Die Eröffnung der neuen Halfpipe ist auf grosse Beliebtheit und Nachfrage gestossen. Die Anfragen zur Austragung von Freestyle-Events haben seither zugenommen. Für die kommende Saison sind bereits einige fix im Programm vorgesehen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen mit First zum Freestyle-Gebiet Nummer 1 westlich von Zürich werden und zwar für grosse und kleine Cracks.

Wie sieht es eigentlich bei den US-Amerikanern aus. Kommen diese jetzt vermehrt in die Region, wegen des starken Dollars?

Wir konnten in jüngster Vergangenheit wieder eine Zunahme bei den amerikanischen Gästen feststellen. Das Adventure-Angebot in der gesamten Region aber auch die Gletscherwelt auf dem Jungfraujoch scheinen der jungen Generation zu entsprechen. Wir fördern die Bekanntheit mit aktiven Marktbestrebungen, insbesondere im Wintersport.

Das Jungfraujoch bleibt trotz des 20%igen EBITDA-Rücksetzers mit Abstand Ihre grösste Einnahmequelle, und sie ist mittlerweile auch für die Region immens wichtig. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund den nicht enden wollenden Streit über die Linienführung des Eiger-Express?

Die Bevölkerung der Gemeinden Grindelwald und Lauterbrunnen sowie die Bergschaften haben sich klar für die V-Bahn und damit auch für die Zukunft der GGM ausgesprochen. Wer das Projekt mit Einsprachen und Beschwerden verzögert, provoziert eine Betriebseinstellung bei der Männlichenbahn. Steht die Gondelbahn längere Zeit still, wären alle Stellen bei der GGM gefährdet. Die Einsprecher erschweren zudem die erfolgreiche touristische Zukunft der gesamten Jungfrau-Region massiv. Ohne neuen Terminal, den verkürzten Anreisezeiten ins Skigebiet und dem direkten ÖV-Anschluss werden die Skigebiete in Grindelwald und Wengen national und international nicht mehr mithalten können. Entscheidend für eine prosperierende Zukunft unserer Region ist nicht nur, dass die V-Bahn kommt. Sie muss möglichst rasch realisiert werden.

Gibt es eine Idee für die Nutzung der an der Station Eigergletscher stehenden denkmalgeschützten  Barackenkantine?

Konkrete Ideen gibt es noch nicht. Unser Fokus liegt zurzeit komplett auf der Umsetzung des Projekts V-Bahn. Es ist aber klar, dass im Zuge der Projektrealisierung die Verschönerung der Kleinen Scheidegg ein wichtiger Bestandteil ist. Dabei werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt auch Gedanken zu den Gebäuden am Eigergletscher machen.

Wie generierten Sie eigentlich im H1 quasi aus dem Nichts einen Finanzertrag von 2,5 Millionen?

Der Finanzertrag besteht im Wesentlichen aus einem Badwill, der durch den Kauf von Drittanteilen der beiden Töchter Harderbahn und BLM entstanden ist. Gleichzeitig sind in den Abschreibungen substantielle Wertberichtigungen auf Anlagen dieser beiden Töchter enthalten.

«Die Jungfraubahn-Gruppe orientiert sich an ihren Grundwerten und handelt sehr langfristig.»

Die nächsten Jahre muss die Jungfraubahn Holding weiter kräftig investieren.  Was bedeutet das für die Aktionäre?

Die Jungfraubahn-Gruppe orientiert sich an ihren Grundwerten und handelt sehr langfristig. Entsprechend sind auch die hohen anstehenden Investitionen für unser Generationenprojekt V-Bahn langfristig orientiert. Sie erhöhen die Qualität unserer Produkte in allen Geschäftssegmenten und eliminieren heutige Schwächen bezüglich Kapazität, Komfort und Reisezeit nachhaltig. Gleichzeitig geht mit dem Projekt V-Bahn eine grosse Produktivitätssteigerung einher. Für den Aktionär ändert sich kurzfristig nichts. Unsere Dividendenpolitik werden wir aufrechterhalten. Mittel- und langfristig wird der Aktionär vom gestärkten Angebot und der höheren Produktivität profitieren können.

Zur Person:
Urs Kessler war zunächst Betriebsdisponent auf Bahnhöfen der Schweiz im Fahrdienst und Verkauf und besetzte verschiedene Funktionen in der Direktion der BLS mit Schwerpunkt Marketing. Seit 1987 arbeitet er für die Jungfraubahnen. 1990 wird er Leiter “Kommerzielle Dienste”. In die Geschäftsleitung stieg er 1994 auf. Per 1.9.2008 erfolgte seine Wahl zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Er ist gleichzeitig VR-Präsident der Tochtergesellschaften Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren AG, Firstbahn AG, Harderbahn AG, Jungfraubahn AG, Parkhaus Lauterbrunnen AG und Wengernalpbahn AG.

Zum Unternehmen:
Die Jungfraubahn Holding AG ist an der Schweizer Börse SIX kotiert und umfasst 9Tochtergesellschaften. Die wichtigsten sind die Jungfraubahn AG und die Wengernalpbahn AG. Die Haupttätigkeit der Gruppe ist der Betrieb von Ausflugsbahnen und Wintersportanlagen in der Jungfrau Region sowie die Vermarktung des Erlebnisses “Jungfraujoch – Top of Europe”, der Reise zum 3‘454 m ü.M. gelegenen Jungfraujoch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert