Europa Forum Luzern: Herbert Beuchat, CEO a.i. und CFO Manpower Schweiz im Interview

Europa Forum Luzern: Herbert Beuchat, CEO a.i. und CFO Manpower Schweiz im Interview
Herbert Beuchat, CEO a.i. und CFO Manpower Schweiz. (Foto: zvg)

Luzern – Herbert Beuchat, CEO a.i. und CFO, Manpower Schweiz. Herbert Beuchat referiert anlässlich des Europa Forums vom 14. November am Wirtschafts-Symposiums über die Bedeutung von Human Age und die Zukunft des Arbeitsmarktes. Im Interview weist er u.a. auf die Bedeutung eines liberalen Arbeitsmarktes hin und zeigt auf, welches die Treiber der künftigen Gestaltung der Arbeit sind.

Europa Forum Luzern: Mitarbeiter sind wohl einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens. Worauf kommt es bei der Wahl von fachlich geeigneten Mitarbeitern besonders an und welche Herausforderungen stellen sich den Unternehmen, wenn der Arbeitsmarkt zu stark reguliert ist und z.B. durch die Zuwanderungsinitiative beschränkt wird?

Herbert Beuchat: Die Mitarbeiter sind effektiv der zentrale Faktor für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation. Daran wird sich meines Erachtens durch die grundlegende Transformation (ausgedrückt in Schlagworten wie Digitalisierung und Industrie 4.0), in welcher wir uns befinden, auch nichts ändern; im Gegenteil.

Bei der Rekrutierung eines jeden Mitarbeiters spielen reine Fachkompetenzen eine wichtige und vielfach ausschliessende Rolle (im Sinne einer „Conditio sine qua non“ im Selektionsprozess). Daneben spielen aber auch Methoden-, System-, Sozialkompetenz (z.B. emotionale Intelligenz) und persönliche Fähigkeiten (z.B. Kreativität) eine ebenso zentrale Rolle. Die Bedeutung der sogenannten Soft Skills wird in Zukunft noch vermehrt an Bedeutung gewinnen.

Bereits heute ist die Talentknappheit eine der grössten Herausforderungen für Unternehmen. Mit unserer weltweit jährlich durchgeführten Umfrage quantifizieren wir die wahrgenommene Talentknappheit in den Unternehmen. Gemäss den neuesten Ergebnissen 2016 geben weltweit 40% der Arbeitgeber an, Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung zu haben. In der Schweiz liegt der Wert in diesem Jahr bei 20%.

Eine der Stärken unseres Wirtschaftsstandorts ist weiterhin seine liberale Ausgestaltung, insbesondere im Vergleich mit den westeuropäischen Ländern. Der „Global Competitiveness Report 2016“ des WEF bestätigt unsere starke Wettbewerbsfähigkeit, indem wir auch dieses Jahr von der Spitze der Rangliste grüssen.

In den letzten Jahren haben sich allerdings die Eingriffe in die Marktmechanismen verstärkt, insbesondere in Form von Zuwanderung und Lohngestaltung. Jede (zusätzliche) Regulierung unseres Arbeitsmarktes, so gut sie im Einzelfall auch gemeint ist, hat meist eine Kehrseite, die stärker negativ wirkt als die positive. Einfache Allheilmittel sind in einem komplexen System äusserst selten. Für mich ist die Masseneinwanderungsinitiative aus wirtschaftlicher Sicht in seiner Tragweite ein Extremfall eines schädlichen Eingriffs in den Arbeitsmarkt und den gesamten Wirtschaftsstandort.

Die Konsequenzen zumindest für international tätige Unternehmen sind klar: sie müssen jeweils entscheiden, ob die Gesamtbedingungen vor  Ort nach wie vor attraktiver sind als die Verlagerung ihrer Aktivitäten an einen anderen Standort. Ähnliche Überlegungen machen selbstverständlich auch Unternehmen, welche beabsichtigen allenfalls in der Schweiz tätig zu werden.

Wie wichtig ist die Temporärarbeit im Schweizer Arbeitsmarkt? Wie sieht es aus in Europa? Welche Bedeutung kommt dabei der Personenfreizügigkeit zu?

Die Temporärbranche (Personalverleih) wie auch die Personal-Vermittlung sind meines Erachtens wichtige Bausteine eines funktionierenden Arbeitsmarktes; sie antwortet auf das Bedürfnis nach mehr Flexibilität seitens der Unternehmen. In der Schweiz arbeiten gemäss Branchenstatistik (Swissstaffing) pro Jahr insgesamt rund 300‘000 Personen temporär, dies entspricht in etwa 80‘000 Vollzeitstellen oder 2.2% der gesamten Beschäftigung. Dabei gibt es bedeutende Unterschiede in den Branchen; relativ am häufigsten ist der Personalverleih verankert im Bauhauptgewerbe, im Bereich Chemie/Pharma/Medizin und in der Nahrungsmittelbranche. Ebenfalls überdurchschnittlich setzen die Maschinen-/Elektroindustrie, das Baunebengewerbe und das Gastgewerbe/Hotel/Tourismus auf die Temporärbranche. Dabei gilt festzuhalten, dass rund zwei Drittel der Temporärmitarbeiter Fachkräfte sind und lediglich ein Drittel Hilfskräfte darstellen. Die relative Bedeutung der Fachkräfte hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt.

In Europa ist die Bedeutung der Temporärbranche im Durchschnitt der letzten Jahre bei 1.7% der Gesamtbeschäftigung. Die höchste Penetration hat Grossbritannien, gefolgt von den Niederlanden, Deutschland und Frankreich.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind sehr unterschiedlich von einem Land zum anderen, was sich auch in der grossen Disparität der Penetration widerspiegelt.

Die Schweiz ist seit jeher eine offene Volkswirtschaft mit einem bedeutenden Austausch an Gütern und Dienstleistungen mit dem Ausland (schwergewichtig mit Europa). Das gleiche gilt für die Finanzströme. Die Personenfreizügigkeit stellt für mich irgendwie das logische Pendant zu diesem Austausch dar. Konkret stammt das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und Europa aus dem Jahr 2002. Wenn wir die Prosperität der Schweiz heute ansehen, können wir festhalten, dass sich aus wirtschaftlicher Sicht diese Form der Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren bewährt hat.

Für die Temporärbranche kann ich versichern, dass die Personenfreizügigkeit von wesentlicher Bedeutung ist. Mit einem Anteil von rund 50% ausländischer Staatsangehöriger, ist unsere Branche sehr stark mit dem Ausland (insbesondere Europa) vernetzt. Dabei handeln wir im Interesse unserer Einsatzbetriebe, welche dieses Personal nachfragen.
Jede Einschränkung der Personenfreizügigkeit (wir sehen die aktuellen Diskussionen um die Kontingente 2017 für Erwerbstätige aus Drittstaaten) stellt à priori eine Einschränkung und somit eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen dar.

Wie wird sich die Arbeitswelt verändern, in der Schweiz sowie international?

Im Rahmen unserer weltweiten Studie „Human Age 2.0“ sind wir der Zukunft der Arbeit auf den Grund gegangen. Dabei sind die Erkenntnisse sowohl international wie für die Schweiz anwendbar.

Es gibt vier globale Kräfte und Treiber der aktuellen Transformation der Gesellschaft, Wirtschaft und der Arbeitswelt: Es sind dies zum einen die demographischen Veränderungen (rückläufige Geburtenraten, tiefere Verfügbarkeit von Arbeitskräften) und die technologische Revolution (Einfluss der digitalen Technologie auf alle Bereiche unseres Lebens). Zum anderen sind es die neuen Verhaltensweisen (Bedeutung der Millennials, Individualismus) und schliesslich der Druck auf die Unternehmen, den neuen Bedürfnissen entsprechende Dienstleistungen und Lösungen kompetitiv anzubieten (Anpassung der Strategie, neue Business Modelle mit anderen Gesetzmässigkeiten, Innovationsdruck).

Dabei dreht sich das Rad immer schneller. So gehen wir davon aus, dass rund zwei von drei derzeitigen Primarschülern Jobs ausüben werden, die heute noch gar nicht existieren. Oder dass bereits 2020 mehr als ein Drittel der heute geforderten Fähigkeiten für die meisten Tätigkeiten als nicht mehr entscheidend erachtet werden.

Wie wichtig ist das Bildungswesen für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt? Wird sich in der Schnittstelle  Arbeitsmarkt / Bildung in Zukunft Wesentliches verändern? Was heisst das für die Arbeitnehmer, was für die Arbeitgeber?

Unser Bildungssystem ist meines Erachtens im internationalen Vergleich sehr gut (duales System, Berufsbildung, Hochschulen und Weiterbildung). Dies bestätigt im Übrigen auch der weiter oben angesprochene WEF-Report 2016. Die Bedeutung des mehrstufigen Bildungswesens für die Wirtschaft und für einen funktionierenden Arbeitsmarkt im speziellen ist selbstverständlich hoch. Das Bildungswesen ist einer der Pfeiler für einen wettbewerbsfähigen Arbeitsmarkt.

Die weiter oben angesprochene Transformation hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf das Bildungssystem und deren Schnittstelle zum Arbeitsmarkt. Zentral scheint mir hier insbesondere der Aspekt der Geschwindigkeit der Veränderung. Unser föderalistisches System wird herausgefordert werden, denn wir benötigen wahrscheinlich schweizweite Lösungen innert kurzer Zeit, um nicht gegenüber anderen Staaten ins Hintertreffen zu geraten.

Für den Arbeitnehmer wird das lebenslange Lernen zur Grundvoraussetzung, um im Arbeitsprozess zu bleiben, den sich ständig ändernden Anforderungen gerecht zu werden und sich weiter zu entwickeln.

Für den Arbeitgeber steht die angesprochene ständige Schulung/Umschulung ebenfalls auf dem Pflichtenheft. Dies ist eine gemeinsame Pflicht beider Parteien.

Das Unternehmen muss alles in Gang setzen, um die gewünschten Fachkräfte anzuziehen, diese an sich zu binden und weiter zu entwickeln. Employer Branding wird in diesem Zusammenhang immer bedeutender, in einem Umfeld in welchem die Talentknappheit weiterhin ein limitierender Faktor sein wird.

Zum Schluss: Ich bin der Meinung, dass unsere Ausgangslage in der Schweiz sehr günstig ist und wir die Karten in der Hand haben, um die grossen Herausforderungen von heute und morgen erfolgreich zu meistern. Dazu braucht es allerdings Eigeninitiative und die Bereitschaft, bisher Bewährtes in Frage zu stellen und neue, den veränderten Bedürfnissen entsprechende Lösungen zu finden. (Europa Forum Luzern/mc/ps)

Zur Person:
Herbert Beuchat ist seit September 2016 General Manager a.i. von Manpower Schweiz. Bereits seit acht Jahren bringt er als Financial Director sein Know-how bei Manpower ein. Davor war er mehrere Jahre Finanzchef in Unternehmen in der Schweiz und in Frankreich. Er verfügt über einen Master in Betriebswirtschaft der Universität Zürich sowie einen Executive MBA der Universität Genf.
Herbert Beuchat referiert anlässlich des Europa Forums vom 14. November am Wirtschafts-Symposiums über die Bedeutung von Human Age und die Zukunft des Arbeitsmarktes.

Veranstaltugnsinformationen
31. internationales Europa Forum Luzern
Spannungsfeld Arbeitsmarkt und Zuwanderung
14. November 2016 | KKL Luzern

Programm:
11.30 Uhr Lunch Cruise auf dem Vierwaldstättersee: Blockchain & Bitcoin – um was geht es? Lunch, Networking
13.00 Uhr Wirtschafts-Symposium
18.45 Uhr Öffentliche Abendveranstaltung
20.30 Uhr VIP-Networking

Information und Anmeldung: www.europaforum.ch

Das Europa Forum Luzern ist die führende nationale Veranstaltung zu Fragen über Europa und die Schweiz. Namhafte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland tauschen im KKL Luzern ihre Meinungen und Standpunkte aus. Das Europa Forum Luzern informiert unabhängig und neutral über die neusten Entwicklungen in Europa und deren Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und Politik. Die Veranstaltungen stehen unter dem Motto Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Dialog und finden jährlich zweimal im Frühjahr und Herbst statt.
2016 feiert das Europa Forum Luzern sein 20-jähriges Bestehen.

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