Raiffeisen: Jahr der Wahrheit nach dem Frankenschock

Raiffeisen: Jahr der Wahrheit nach dem Frankenschock
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

St.Gallen – Ein Wachstum von 1.3% und eine wieder in den positiven Bereich drehende Inflationsrate – Raiffeisen ist für 2017 zwar vorsichtig optimistisch, glaubt aber nicht daran, dass der Wechselkursschock vom Januar 2015 bereits ausgestanden ist.

Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2017 ein Wachstum von 1.3% verzeichnen und damit an die Leistung des Vorjahres anknüpfen, in dem die Schweiz nach ersten Schätzungen voraussichtlich 1.4% wuchs. Zudem erwartet der Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff, dass die Inflationsrate 2017 wieder ins positive Terrain dreht und die Konsumentenpreise um 0.6% zulegen. Die Zinsnormalisierung dürfte 2017 höchstens vage Gestalt annehmen. So rechnet Raiffeisen mit positiven Zinsen bei langen Laufzeiten, nicht aber mit einer Zinserhöhung durch die Schweizerische Nationalbank.

Wie schon 2016 wird auch im laufenden Jahr die Währung Wirtschaftsthema Nummer eins in der Schweiz sein. Eine nachhaltige Entspannung ist auch 2017 nicht in Sicht. Gegen Ende Jahr prognostiziert Raiffeisen einen Kurs von 1.10 CHF/EUR, womit der Schweizer Franken weiterhin massiv überbewertet ist. Dies hielt Martin Neff anlässlich der zum Jahresauftakt stattfindenden Raiffeisen Prognosekonferenz in Zürich fest. Ganz im Gegensatz zu den meisten Konjunkturauguren hierzulande glaubt der Raiffeisen-Chefökonom nicht, dass der Wechselkursschock vom 15. Januar 2015 ausgestanden ist. Für eine Entwarnung sei es noch viel zu früh.

Einseitig verteilte Wachstumskräfte
Was sich 2015 schon abzeichnete, hat sich 2016 noch akzentuiert. Die auf den ersten Blick positiven Konjunkturindikatoren entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als sehr einseitige Angelegenheit. Von einer breiten Erholung an der Konjunkturfront ist die Schweiz noch weit entfernt. Die Schweizer Exporte legten zwar um über 4% zu. Dies jedoch einzig dank der boomenden Pharma- und Chemiebranche. Alle anderen Exportzweige sind noch immer massiv vom Wechselkurs angeschlagen. Es gibt zwar jüngst leichte Anzeichen einer allmählichen Erholung, so etwa in der zweitwichtigsten Exportbranche, der Maschinenindustrie, und auch im Gastgewerbe. Zwei Voraussetzungen sind aber zwingend, dass sich diese Erholung fortsetzt: 1. die Beschleunigung der Konjunktur in Europa, noch immer Hauptabnehmer der Schweizer Exporte, und 2. das Ausbleiben von Turbulenzen jeder Art an den Finanzmärkten. Letztere führen jeweils unweigerlich zu einer Aufwertung des Frankens, sorgen für zusätzliche Verunsicherung und zwingen die SNB zu Interventionen an den Devisenmärkten. Die SNB wird laut Neff weiter in Alarmbereitschaft stehen müssen, denn neben den wirtschaftlichen Themen sind 2017 auch geopolitische Unwägbarkeiten absehbar.

Agenda voller Ungewissheit
Allen voran blickt die Welt gespannt in die USA, wo der neue Präsident schon vor seinem eigentlichen Amtsantritt Schatten vorauswirft. Die Finanzmärkte haben sich nicht nur erstaunlich rasch mit der Wahl Donald Trumps abgefunden, sondern ihr bereits auch allerlei Positives abgerungen. Ob dies gerechtfertigt ist, muss der Realitätscheck Trumps nun weisen. Raiffeisen sieht dies eher skeptisch und hält die Unberechenbarkeit Trumps für einen latenten Unsicherheitsfaktor für die ohnehin schwer berechenbaren Märkte. Hinzu kommen die Wahlen in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und eventuell auch in Italien, wo die etablierten Parteien Gefahr laufen, weiter Terrain an populistische Strömungen zu verlieren, unter Umständen sogar die Macht. In einem solchen Umfeld dürfte der Schweizer Franken immer wieder gesucht sein.

Keine Zinswende
Von einer eigentlichen Zinswende geht Neff 2017 nicht aus. Der Trend zeige lediglich nicht mehr weiter nach unten, für positive Geldmarktsätze sei es aber angesichts der grossen Unsicherheiten viel zu früh. Auch der Begriff der Reflationierung wird derzeit sehr überstrapaziert. Wenn überhaupt, trifft sie lediglich für die USA zu. In Europa und auf tieferem Niveau in der Schweiz legt die Teuerung zwar wieder leicht zu, doch derzeit vor allem aufgrund des Basiseffektes infolge wieder anziehender Rohölnotierungen. An den traditionellen Gütermärkten ist das Preiserhöhungspotenzial nach wie vor limitiert. Gründe dafür ortet Raiffeisen in der demographisch bedingten Sättigung bzw. den stagnierenden Pro-Kopf-Einkommen sowie der global rasch steigenden Produktivität. Diese Faktoren wirken neben der Überbewertung des Frankens allesamt preisdämpfend.

Eigenheimerwerber sind keine Spekulanten
Der Schweizer Immobilienmarkt bleibt gemäss Raiffeisen hoch bewertet, das Risiko eines Crashs der Eigenheimpreise klammerte Neff aber zum Abschluss seiner Ausführungen wiederholt aus. Das fehlende spekulative Element sei der wichtigste Grund, dass der Markt auch beim erreichten hohen Preisniveau nicht absturzgefährdet sei. Denn im Gegensatz zum Crash der frühen Neunzigerjahre boome heute die Nachfrage echter Nutzer – sprich Wohneigentümer – und nicht etwa die von Spekulanten auf der Suche nach schnellen Gewinnen. Bei kommerziell genutzten Liegenschaften, aber auch bei Renditeliegenschaften im Wohnungsmarkt haben die Risiken indes zugenommen. Der Markt absorbiere nicht mehr jedes Objekt zu jedem Preis, was sich bereits in gestiegenen und weiter steigenden Leerständen äussere. (Raiffeisen/mc/pg)

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