Stephan Rietiker, CEO LifeWatch, im Interview

Stephan Rietiker, CEO LifeWatch, im Interview
LifeWatch-CEO Stephan Rietiker. (Foto: LifeWatch)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Rietiker, Herzpatienten das Leben zu retten, ist sicherlich eine der edelsten CEO-Jobs. Aber bis vor Kurzem war LifeWatch selbst auf der Intensivstation. Ist nach der Kapitalerhöhung vom Sommer bildhaft gesprochen alles wieder im grünen Bereich?

Stephan Rietiker: Ich darf zunächst präzisieren: wir retten streng genommen keine Leben, sondern liefern diagnostische Grundlagen für die Spezialisten, um Patienten fachgerecht behandeln zu können. In Einzelfällen kann es vorkommen, dass unsere Mitarbeiter Patienten warnen und so schneller einer Behandlung zuführen können. Nun zu Ihrer Frage: LifeWatch hatte in der Tat ein schwieriges Jahr hinter sich. Mit der Kapitalerhöhung konnten die Altlasten bereinigt werden, und es gibt nun genügend Kapital, um das Unternehmen erfolgreich positionieren zu können.

Rückstellungen für vier verschiedene Rechtsfälle wurden im 1. Semester 2016 ordentlich verbucht. Droht für das 2. Semester noch ein Nachschlag?

Es sind alle uns bekannten Rechtsfälle verbucht.

Kann man bereits eine Projektion der Eigenkapitalquote für 2017 abgeben?

Auf die Finanzzahlen 2017 können wir im Moment nicht eingehen. Wir erwarten jedoch ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich und ein positives Ergebnis.

«Im Moment erarbeiten wir gemeinsam mit General Electric eine mögliche Plattform.»
Stephan Rietiker, CEO LifeWatch

Dass der Herzüberwachungsmarkt riesig ist, wissen wir seit Jahrzehnten. Dennoch tun sich kleinere innovative Anbieter wie SHL oder LifeWatch schwer. Liegt dies an zunehmend komplexen Regulierungsfragen?

Der Markt im Servicebereich ist hochattraktiv. Grosse Anbieter sind sehr interessiert, mit uns zu arbeiten. Wir sind wie bereits kommuniziert mit General Electric daran, eine Zusammenarbeit zu definieren. Davon versprechen wir uns sehr positive Impulse für unser Geschäft. Daneben bestehen Opportunitäten im Bereich von Begleiterkrankungen, sogenannten Ko-Morbiditäten, die Erweiterungsmöglichkeiten für uns darstellen.

Sowohl LifeWatch als auch SHL haben Forschung und Entwicklung in Israel. LifeWatch hat im Rahmen der Restrukturierung dort massiv Stellen abbauen müssen. Wäre eine Kooperation mit SHL denkbar? Es sind ja nur 20 km Luftlinie?

LifeWatch und SHL operieren nicht im gleichen Markt. Eine Zusammenarbeit wäre theoretisch denkbar, wir verfolgen jedoch zurzeit andere, vielversprechendere Ansätze.

Die R&D-Quote von LifeWatch liegt unter 5%. Sind Sie wegen Abschreiber auf Produktlagerbestände, wie beispielsweise den Vital Sign Patch, extrem vorsichtig geworden?

Die Sistierung des Vital Signs Patch gehört zum Thema der Bereinigung von Altlasten. Wir sind immer offen für Neues, sofern es unseren strategischen Kriterien entspricht.

Mit General Electric Health Care besteht wie bereits angetönt eine Absichtserklärung für eine eventuelle Zusammenarbeit. Was wäre da Ihre Wunschvorstellung?

Es gibt verschiedene Gebiete, wo wir eng zusammenarbeiten können, so etwa in der Vermarktung von Dienstleistungen. Im Moment erarbeiten wir gemeinsam eine mögliche Plattform und werden bei erfolgreichem Abschluss eines Vertrages entsprechend informieren können.

In Ihrem Hauptmarkt USA ist der Preisdruck durch Medicare enorm. Ist vor diesem Hintergrund eine Bruttomarge von über 50 Prozent realistisch?

Ja, auf jeden Fall. Wir werden unsere Profitabilität durch verschiedene Massnahmen steigern und damit dem Druck der Versicherer standhalten können. Wir werden auch unsere Verkaufs-und Marketingstrategie anpassen, um dem Preisdruck entgegenzuwirken. Hier könnte auch ein Deal mit GE sehr hilfreich sein.

«Der türkische Markt ist für uns aufgrund der Demographie wie auch der lokalen Gegebenheiten sehr attraktiv.»

Um die Abhängigkeit von den USA zu verringern, wollen Sie unter anderem in den riesigen türkischen Markt eindringen. Inwieweit erschwert die ungemein schwierige politische Situation da unten Ihre Planung?

Der türkische Markt ist für uns aufgrund der Demographie wie auch der lokalen Gegebenheiten sehr attraktiv. Selbstverständlich behalten wir die politische Situation genau im Auge. Im Moment sind wir auf Kurs für eine Lancierung im ersten Quartal 2017.

Der Pharmariese Roche setzt mit seiner Diagnostics Division auf Selbstüberwachung der Herzpatienten. Was halten Sie von diesem Ansatz? Mich dünkt die passive automatische Überwachung, wie sie LifeWatch anbietet, einfacher.

Ich denke, dass verschiedene grössere Firmen in diesen Markt eintreten möchten. Meistens beissen sie sich jedoch am Service-Geschäft die Zähne aus. Hier liegt unsere Chance, sofern wir flexibel und kundenorientiert auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren können.

«Ich denke, dass verschiedene grössere Firmen in diesen Markt eintreten möchten. Meistens beissen sie sich jedoch am Service-Geschäft die Zähne aus.»

Telemetrische medizinische Überwachungssysteme lassen sich auch auf andere medizinische Indikationen ausdehnen. Was schwebt Ihnen, ausser der Schlafapnoe, für die Zukunft vor?

Hier bieten sich in erster Linie die Schlaganfall-Prophylaxe sowie das Herzinsuffizienz-Monitoring an. Auch hier sind strategische Kooperationen für uns im Einzelfall sehr nützlich.

Was geschieht denn jetzt mit Ihrem Engagement Flexlife Health?

Die Rahmenbedingungen im Markt der Fernüberwachung zur Messung zur Blutgerinnungszeit haben sich im letzten Jahr unvorhersehbarerweise und signifikant zu Ungunsten von LifeWatch verändert. Aus diesem Grund hat LifeWatch entschieden – gemäss den Bedingungen des Kaufvertrages – das Engagement bei Flexlife Health zu beenden und sich aus dem INR-Markt zurückzuziehen. Somit können wir uns endgültig auf die positiven Wachstumsbereiche konzentrieren.

Zum Gesprächspartner:
Stephan Rietiker ist Doppelbürger der Schweiz und der USA. Seinen Doktor der Medizin machte er 1982 an der Universität Zürich, und er ist auch in den USA als Arzt zugelassen. Er begann seine Karriere in der Healthcare-Industrie 1987 bei Roche und hielt mehrere leitende Positionen bei Boehringer Mannheim, Schering Plough und Covance Central Laboratory Services. 2001 wurde er zum CEO von Sulzer Medica (später Centerpulse) ernannt und wirkte zentral an der Beilegung eines grossen US Rechtsstreits mit und an der Restrukturierung des Unternehmens, welches 2003 von Zimmer übernommen wurde. Nach CEO-Positionen bei Pendragon Medical AG und IMI Intelligent Medical Implants gründete er 2006 AurigaVision AG, eine Schweiz-basierte Investment–Plattform, welche sich auf vielversprechende, sich im Entwicklungsstadium befindende Healthcare Firmen fokussiert. Nach 4 Monaten als Mitglied des Verwaltungsrats und Interims-CEO wurde Dr. Rietiker im Juni 2014 zum CEO von LifeWatch ernannt. Von 2006 – 2014 war er auch Senior Advisor in Brown Brothers Harriman’s Corporate Finance Team und 2014 wurde er Verwaltungsratsmitglied von LoneStar Heart, einem kalifornischen Unternehmen von Technologien gegen fortgeschrittene Herzinsuffizienz.

Zum Unternehmen:
LifeWatch AG, mit Hauptsitz in Zug und Kotierung an der SIX Swiss Exchange (LIFE) bietet ferngesteuerten diagnostischen “Digital Health“ Dienstleistungen. Sie liefern den Ärzten wichtige Informationen zur angemessenen Behandlung ihrer Patienten. LifeWatch AG verfügt über operative Tochtergesellschaften in den USA, der Schweiz und in Israel und ist die Muttergesellschaft von LifeWatch Services, Inc. und LifeWatch Technologies, Ltd. LifeWatch Services, Inc. ist ein führender US-Anbieter für Herzüberwachungsdienstleistungen. LifeWatch Technologies, Ltd. in Israel ist ein Hersteller von kabellosen Digital-Health-Produkten.

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