Pharmabranche mit gesunden Renditechancen

Pharmabranche mit gesunden Renditechancen

Von Dieter Haas, Derivative Partners AG, www.payoff.ch

Äusserungen von Politikern über hohe Preise in den USA sowie die Wahl Donald Trumps führten 2016 zu einer Neubewertung der Pharmabranche. Die längerfristigen Perspektiven sind mit einigen Fragezeichen behaftet.   

Die Pharmabranche zählte lange Zeit zu den Lieblingen der Anleger. Seit vergangenem Jahr hat der Wind gedreht. Äusserungen vonseiten diverser Politiker, die sich negativ über die hohen Medikamentenpreise im wichtigsten Markt USA äusserten, eine weltweit eher schwächliche Konjunkturerholung, die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit sowie die überraschende Wahl Donald Trumps zum neuen Präsidenten der USA belasteten den Sektor. Er zählte 2016 zu den Verlierern an der Börse, wie die Performancetabelle der Branchen des amerikanischen S&P 500 Index zeigt. – Der US-Markt ist global gesehen der mit Abstand wichtigste. – Kein Wunder bekundeten pharmalastige Aktienindizes wie diejenigen der Schweiz ebenfalls Mühe. Sowohl der Swiss Performance Index als auch der Swiss Markt Index litten unter der Kursschwäche ihrer beiden Zugpferde Novartis und Roche, zumal mit Nestlé auch der dritte gewichtige Titel eine Durststrecke verzeichnete.

Es stellt sich die Frage, ob es sich bei der vergangenen Korrektur lediglich um eine Delle im Aufwärtstrend handelt oder um einen Trendbruch. Letzteres scheint wohl die wahrscheinlichere Deutung der jüngsten Ereignisse. Allerdings gibt es auch in Zukunft durchaus Potenzial bei ausgewählten Werten, zumal die renommierten Experten von EvaluatePharma für die verschreibungspflichtigen globalen Verkäufe bis 2022 Wachstumsraten von gut 6% prognostizieren. Auf Therapieebene bleibt Onkologie (Medikamente zur Krebsbehandlung) «the place to be», mit prognostizierten Wachstumsarten bis 2022 von rund 13%. Selbst für das gegenwärtig umsatzschwächste Therapiegebiet, die antiviralen Mittel, wird mit gehaltenen Verkäufen gerechnet.

Risikofaktoren

Vorerst dürfte die geplante Zurücknahme von Obamacare durch den republikanisch beherrschten Kongress in den USA für Unsicherheit sorgen. Wie das Ganze vonstattengehen soll und was an deren Stelle treten wird, ist momentan mehr als ungewiss. Vor diesem Hintergrund dürfte es die Branche schwerhaben, bei den Anlegern zu punkten. Daneben gibt es Fragezeichen hinsichtlich der Wachstumsschätzungen. So räumt EvaluatePharma ein, dass ihre Prognosen stark davon abhängen, wie hoch die Fülle neuer Produkte ausfällt. Für 2016 wurden im Vergleich zum Rekordjahr 2015 beispielsweise deutlich weniger neue Medikamente von den Aufsichtsbehörden gebilligt. Sollte der Trend anhalten, würden sich die bis 2022 geschätzten Forschungs- & Entwicklungsausgaben von knapp 3% renditesenkend auswirken. Big Pharma (klassische Pharmakonzerne) wird ferner zunehmend konkurrenziert durch die Biotechnologiekonzerne. Ihre führenden Vertreter Gilead, Amgen, Biogen und Celgene haben sich in den Umsatzranglisten sukzessive nach oben gearbeitet. Schiffbruch erlitten in jüngster Zeit Konzerne, die auf aggressive kreditfinanzierte Expansion einerseits und Preiserhöhungen für ältere Medikamente andererseits bauten. Die Kursentwicklung von Valeant oder Mylan sprechen diesbezüglich eine klare Sprache. Sie zeigen auf, dass die Festsetzung der Preise verstärkt politischem Druck ausgesetzt ist.

Gesellschaften müssen inskünftig somit mehr Zeit und Geld aufwenden, um den therapeutischen Nutzen und die Wirksamkeit aufzuzeigen. Allein auf die vermutete Tragbarkeit des Marktes abzustellen, ist je länger je weniger eine Option. Seismische Einflüsse könnten last but not least von Biosimilars ausgehen. Das sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel. Sie sind Folgepräparate von Biopharmazeutika, deren Patent abgelaufen ist. Ihr Wirkstoff ist vergleichbar mit demjenigen des bereits zugelassenen biotechnologisch hergestellten Arzneimittels. Von den für 2017 geschätzten Verkäufen der zehn wichtigsten Medikamente dürften einzig Humira (Arzneimittel, das bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Psoriasis und Acne inversa den Entzündungsprozess verringert) und Revlimid (Medikament für die Behandlung von Patienten mit unbehandeltem multiplen Myelom) ein gewisses Wachstum aufweisen.

Hoffnungsträger der Zukunft

Von den erwarteten neuen Produkten besitzen die im ersten Halbjahr 2017 von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA vermutlich bewilligten Ocrevus von Roche sowie Dupimulab von Sanofi die höchsten Wachstumschancen, die sie bis 2022 nahezu in die Top-10-Produkte katapultieren könnten. Ersteres ist indiziert zur Behandlung der schubförmig remittierenden multiplen Sklerose und der primär progredienten multiplen Sklerose. Dupimulab dient der Behandlung einer mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis. Unter den Top-10-Therapiegebieten dürften bis 2022 die eingangs bereits erwähnte Onkologie (Marktanteil 2022E: 16,3%) und neu nicht zuletzt dank erwarteten Neulancierungen wie Dupimulab die Immunsuppressiva (Marktanteil 2022E: 1,9%) die höchsten Zuwachsraten von knapp 13% aufweisen. Innerhalb des Sektors spielt die Musik nach wie vor im Bereich Biotechnologie. Dessen Wachstumsraten sind im Sektor nach wie vor die höchsten. Ihr derzeitiger Anteil von rund 25% wird sich daher bis 2022 auf gegen 30% erhöhen. Gleichzeitig wird der Anteil der Biotech-Produkte unter den Top-100 von 30% (2008) auf 50% (2022) zunehmen.

Eckdaten der Top-15

In den letzten zwölf Monaten erzielten von den 15 grössten Playern der Branche in Lokalwährung einzig die US-amerikanischen Merck, Johnson & Johnson und Celgene sowie die britische GlaxoSmithKline (dank der Pfundschwäche) zweistellige Kursgewinne. Ein nennenswertes durchschnittliches 3-Jahres-Umsatzwachstum gelang Gilead, Allergan, Celgene und Novo Nordisk. Alle übrigen verzeichneten lediglich einstellige Steigerungsraten oder mussten auf Konzernebene sogar leichte Einbussen in Kauf nehmen.

Im abgelaufenen Jahr verzeichnete von den vier grossen Biotech-Unternehmen Amgen, Gilead, Celgene und Biogen nur Celgene ein befriedigendes Volumenwachstum. Einer der Gründe, warum gemäss Salim Syed, Leiter Biotechnology Research und Managing Direktor bei Mizuho Securities, der Höhenflug der Biotech-Titel 2016 ein abruptes Ende fand. Die meisten Blue Chips weisen mittlerweile attraktive Dividendenrenditen auf, die zumindest teilweise für das gesunkene Kurspotenzial entschädigen. Für die kommenden zwölf Monate sieht es gemäss dem von Bloomberg erfassten Konsens der Finanzanalytiker erstaunlich positiv aus. Die Experten rechnen fast durchwegs mit zweistelligen Kursgewinnen. Der bei Jeffries arbeitende Healthcare Analyst Jeffrey Holford geht davon aus, dass die Kurse den Grossteil der geschilderten Risikofaktoren bereits eingepreist haben. Seiner Ansicht nach ist die Branche im Quervergleich günstig bewertet. Kurzfristig sieht er jedoch bei einigen Konzernen nur ein mageres Umsatzwachstum. Als Favoriten nennt er AbbVie, Astra Zeneca, Novartis und Eli Lilly. Die beiden stünden vor allem bei US-Anlegern hoch im Kurs, während die zwei Letztgenannten von europäischen Anlegern bevorzugt würden.

Empfehlenswerte ETPs für pharmaaffine Anleger

Die Auswahl der in der Schweiz kotierten Branchen-ETFs ist überschaubar. Seit Ende Mai zerriss keiner der börsengehandelten Indexfonds grosse Stricke. Am besten über die Runden kamen in den letzten knapp acht Monaten, umgerechnet in CHF, die beiden ETFs SXLV und XLVS auf US-amerikanische Pharmawerte des S&P 500 Index.

«Die meisten Blue Chips weisen mittlerweile attraktive Dividendenrenditen auf.»

Angesichts der Tatsache, dass der US-Pharmamarkt mittelfristig wohl etwas stärker unter Druck geraten könnte, sollten Anleger, die auf den Sektor setzen, sich an globale Auswahlen halten. Sie profitieren längerfristig vom höheren Wachstum in den Schwellenländern. Infrage kommen der ETF WHEA auf den MSCI World Health Care Index (siehe Product News). Wir ziehen ihn gegenüber dem ETF LYHLTW vor, da er im Unterschied zu diesem auf der physischen Replikationsmethode basiert. Ein klassischer global orientierter ETF ist auch der iShares Global Healthcare IXJ. Er basiert auf dem S&P Global 1200 Healthcare Sector Index und zählt, über einen längeren Zeitraum betrachtet, zu den besten Sektor-ETFs. Er ist im Unterschied zu den anderen genannten ETFs allerdings nicht an der SIX kotiert. Eine europäische Alternative sind die ETFs CBHECA, LYHLT, STWX und SXDPEX auf den STOXX Europe Health Care Index. Die beiden letzten investieren ebenfalls in die im Index enthaltenen Wertschriften (physische Replikation). Für Schweiz-affine Anleger ist das Tracker-Zertifikat SXBIO der UBS eine gute Wahl. Der Basiswert beinhaltet hiesige Titel der Sektoren Biotechnology, Advanced Medical Devices, Medical Supplies und Health Care Providers bzw. Namen von Actelion bis Ypsomed. Nicht berücksichtigt sind im Vergleich zum SXI Life Sciences Index die Beteiligungspapiere von Novartis, Roche, Bachem, Cassiopea, Cosmo Pharmaceuticals und Siegfried.

Gute Auswahl nötig

Die Branche befindet sich in einer Übergangsphase. Kurzfristig dürften die Anleger den Sektor vermutlich weiterhin untergewichten, zumal die Auswirkungen der anstehenden politischen Entscheidungen der neuen US-Regierung in ihrem Ausmass noch nicht überschaubar sind. Es besteht aus unserer Sicht keine Eile für Neuengagements bzw. ein Re-Rating des Sektors. Mittel- und längerfristig betrachtet besitzen vor allem ausgewählte Biotechnologie-Unternehmen überdurchschnittliche Potenziale. Hier die Nadel im Hauhaufen zu finden, ist jedoch nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst professionelle Anleger sollten sich an fokussierte Indexfonds wie den First Trust NYSE Arca Biotechnology Index Fund (www.ftportfolios.com/retail/etf/etfsummary.aspx?Ticker=FBT ) oder an die Beteiligungsgesellschaft BB Biotech (siehe Interview) halten.

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