SGKB Investment views: Der Grexit sollte kein Tabu sein

SGKB Investment views: Der Grexit sollte kein Tabu sein
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Bilder der geschlossenen Banken in Griechenland und der Bancomaten, die kein Geld mehr hergaben, sind noch in schlechter Erinnerung. Diese Geschichte könnte sich in diesem Sommer wiederholen, wenn Griechenland auslaufende Obligationen im Umfang von 7 Mrd. Euro refinanzieren muss. Am Kapitalmarkt können sich die Griechen das Geld nicht beschaffen, also sind sie auf die Auszahlung einer weiteren Tranche des vor zwei Jahren vereinbarten Rettungspakets der EU angewiesen.

Der in den letzten Wochen eskalierte Streit zwischen der EU, dem Internationalen Währungsfonds und den Behörden in Athen kommt einem bekannt vor. Haben die Griechen die von den Geldgebern geforderten Massnahmen umgesetzt oder nicht? Beteiligt sich der IWF auch mit Geld oder nur mit Worten? Ist die finanzielle Lage Griechenlands ohne Schuldenschnitt hoffnungslos? Was aber nicht diskutiert wird, ist ein möglicher Austritt Griechenlands aus dem Euro.

Reformdruck bleibt hoch
Die Wiederholung der Grabenkämpfe zwischen den Geldgebern und der Regierung in Athen bis kurz vor dem Zahlungsausfall will niemand. Jeder weiss, dass Griechenland auf das Geld der EU angewiesen ist und am Ende nachgeben muss. Die mit einem hoffnungs-losen Machtkampf verbundene Unsicherheit würde für die griechische Wirtschaft aber ein herber Rückschlag bedeuten.

Dank des florierenden Tourismus ist das Land zu einem kleinen Wirtschaftswachstum zurückgekehrt. Die Arbeitslosenrate ist mit 23% immer noch horrend hoch. Eine Besserung der Situation ist aber erkennbar. Die Geldgeber sollten anerkennen, dass Griechenland einiges getan hat, um das Budgetdefizit zu senken. Zudem bringt es niemandem etwas, das Land mit unerfüllbaren Forderungen politisch zu destabilisieren und Neuwahlen zu provozieren. In diesem Jahr benötigt die EU keinen zusätzlichen Wahlkampf. Gleichzeitig ist es aber unerlässlich, dass der Druck zu weiteren Reformen aufrecht gehalten wird und die Fortführung des Kreditprogramms an zusätzliche Reformanstrengungen geknüpft wird. Ansonsten wird der Reformwille der Regierung Tsipras rasch erlahmen.

Schuldenschnitt, aber wie?  
Trotz allem guten Willen wird Griechenland nicht in der Lage sein, seinen Schuldenberg von 181% des BIP abzubauen. Wenn man das Land langfristig auf eine bessere finanzielle Grundlage setzen will, ist ein Schuldenschnitt unerlässlich. Mit einer Verlängerung der Rückzahlungsfristen, wie es Angela Merkel vorschlägt, ist es nicht getan. Irgendwann wird man anerkennen müssen, dass ein Teil der Kredite abgeschrieben werden muss.

Weiterhin kategorisch abgelehnt wird ein Austritt Griechenlands aus dem Euro. Das ist falsch. Ein geordneter Grexit sollte eine Option sein, da sich das Schwarzpeterspiel zwischen Athen und Brüssel sonst alle zwei Jahre wiederholt. Ein Austritt Griechenlands bedeutet heute nicht mehr das Ende des Euro. Mit der Umwandlung der Schulden Griechenlands in eine eigene Währung und der danach folgenden substantiellen Abwertung der «neuen Drachme» käme es in Euro gerechnet zu einem Kursverlust für die Geldgeber. Dieser wäre politisch aber einfacher zu verkaufen als eine blosse Streichung der Forderungen. Die griechische Wirtschaft bekäme die Möglichkeit, wieder konkurrenzfähiger zu werden. Diese zu nützen läge dann in der alleinigen Verantwortung der Regierung in Athen. (SGKB/mc/ps)

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