Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Warten auf Trump

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Warten auf Trump
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Das erste Quartal des Jahres neigt sich dem Ende zu und es lässt sich bereits ein ordentliches Zwischenfazit ziehen: Die Konjunkturdaten haben 2017 bisher eher positiv überrascht, vor allem in den USA und Europa. Die bereits gute Stimmung der Unternehmen und Konsumenten hat sich dort noch einmal verbessert und dies deutet auf ein unverändert solides Wachstum hin.

Die sonst extrem vorsichtige US-Notenbank hat nur drei Monate nach dem letzten Zinsschritt sogar erneut nachgelegt. Und dies obwohl überhaupt noch nicht klar ist, wann es zu den von den Finanzmärkten sehnlich erhofften Steuersenkungen und Infrastrukturprojekten kommt. Offensichtlich ist das Vertrauen der Notenbanker in die US-Wirtschaft gestiegen. Ähnliches gilt wohl auch für die Vertreter der Europäischen Zentralbank, denn diese diskutieren nun zaghaft eine frühere Anhebung der Zinsen. Dies ist nur ein Versuchsballon – klar, zeigt aber die gegenwärtig optimistische Stimmung gut auf.

USA melden sich zurück
Bis die ersten Quartalsdaten für das BIP-Wachstum im Q1 bekanntgegeben werden, dauert es noch einige Wochen. Für den weiteren Jahresverlauf zeichnet sich jedoch schon jetzt ab: Die globale Konjunktur bleibt auf Kurs und die grossen Volkswirtschaften, aber auch die Schweiz, dürften ihr Wachstumstempo 2017 zumindest halten. Ein spürbar höheres Wachstum sollten vor allem die USA erzielen. Der US-Energiesektor hat sich stabilisiert und damit auch die Investitionen, die die Wirtschaft im Vorjahr noch stark nach unten gezogen hatten. Dieses Jahr dürften die USA daher wieder deutlich stärker wachsen als die meisten anderen Industrienationen. Die Eurozone wiederum zählt zu jenen, die ihr Wachstum halten, aber wohl nicht beschleunigen können, denn die politische Unsicherheit rund um die anstehenden Wahlen begrenzt das Aufwärtspotential.

CH-Wirtschaft ohne wirkliche Beschleunigung
In der Schweiz waren die Konjunkturdaten bisher eher durchmischt. Dies galt diese Woche auch für die Exportzahlen: Die Krise der Schweizer Uhrenindustrie hielt auch im Februar an. Dafür nahmen die Gesamtexporte erneut zu und dies nicht mal nur wegen der Pharmabranche. Auch die beschäftigungsmässig stärkste Schweizer Industriegruppe, die Maschinen-, Elektro-, und Metallbranche verzeichnete für einmal höhere Ausfuhren. Für das gesamte Verarbeitende Gewerbe zeigen die nach vorne gerichteten Frühindikatoren mittlerweile nach oben und damit sind die Perspektiven für eine weitere Stabilisierung in der Industrie intakt. Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2017 wie im Vorjahr um etwa 1.3% zulegen. Damit liegen wir etwas unter dem Konsens und das gilt auch für unsere Prognose für 2018.

Ein Ausblick solange im Voraus hat natürlich nicht immer eine grosse Treffsicherheit, es lassen sich aber durchaus bereits einige Tendenzen für das nächste Jahr festhalten. Zum einen liegt der Frankenschock vom Januar 2015 dann bereits über drei Jahre zurück und die Nachwirkungen dieses für unser Land einmaligen Ereignisses lassen mit der Zeit nach. Zum anderen aber dürfte der Schweizer Franken auch 2018 noch überbewertet bleiben, denn eine bedeutende Straffung der Geldpolitik durch die EZB steht noch lange nicht bevor. Darüber hinaus erwarten wir in der Eurozone nächstes Jahr eine etwas langsamere Gangart der Konjunktur, da die fiskalischen Impulse auslaufen und die Teuerung zunimmt. In diesem Umfeld dürfte die Schweizer Wirtschaft ihre Erholung fortsetzen, eine wesentliche Beschleunigung liegt aber kaum drin. Ein BIP-Wachstum 2018 von 1.5% scheint uns realistisch.

Amerika noch immer ein gewichtiger Taktgeber
Das globale Konjunkturumfeld wird auch nächstes Jahr wieder primär durch die USA und China geprägt. Chinas Volkswirtschaft liefert seit einigen Jahren den grössten Wachstumsbeitrag zur Weltwirtschaft. Das bleibt auch 2018 noch so, obwohl sich die Konjunkturdynamik im Reich der Mitte erneut abschwächt. Aber auch die US-Wirtschaft ist für die globale Konjunktur immer noch von immenser Bedeutung. Der amerikanische Privatkonsum beispielsweise macht 15% der weltweiten Wirtschaftsleistung aus.

Ob und wann die von Präsident Trump versprochene Steuersenkung für Unternehmen und natürliche Personen beschlossen wird, ist daher auch für die Weltwirtschaft und die Schweiz relevant. Wie sich jetzt zeigt, haben viele unterschätzt, wie lange der Gesetzgebungsprozess dauert. Möglicherweise wird die Gesundheitsreform heute vom Repräsentantenhaus ganz knapp angenommen, im Senat hat die aktuelle Vorlage aber praktisch keine Chance und das Bereinigungsverfahren dürfte Monate dauern. Unter Obama ging es übrigens über ein Jahr, bis die Gesundheitsreform verabschiedet wurde und damals hatten die Demokraten eine noch viel deutlichere Mehrheit als die Republikaner heute.

Wenigstens im nächsten Jahr dürfte es aber gelingen, die Steuern zu senken, nicht zuletzt weil im November 2018 schon wieder Kongresswahlen anstehen. Dies wird die Konsumenten freuen und dem Wirtschaftswachstum einen leichten Schubser verleihen. Grosse Sprünge sind aber auch mit Präsident Trump nicht zu  erwarten. Das haben die letzten Wochen klar gezeigt. Die republikanische Partei tritt alles andere als geeint auf und die Demokraten sind, genauso wie die Republikaner während Obamas Amtszeit, konsequent auf Blockadekurs. Geschwächt wird der US-Präsident zudem auch noch durch die laufenden Ermittlungen des FBI gegen ihn selbst und sein ehemaliges Wahlkampfteam. Und so heisst es weiterhin: warten auf Trump. (Raiffeisen/mc/ps)

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