Zeichen in Venezuela stehen auf Sturm

Zeichen in Venezuela stehen auf Sturm
Venezuelas Staatspräsident Nicolás Maduro.

Caracas – Im dramatischen Machtkampf in Venezuela will die Opposition mit neuen Massenkundgebungen Präsident Nicolás Maduro in die Knie zwingen. «Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist», zitierte Oppositionsführer Henrique Capriles den südafrikanischen Nationalhelden Nelson Mandela, der friedlich für die Überwindung der Apartheid gekämpft hatte.

Erstmals seit Wochen konnten Zehntausende Menschen am Samstag ohne massive Behinderung durch Tränengas gegen Maduro demonstrieren, was den Kampfeswillen weiter stärkte. Für diesen Montag sind wieder Hunderttausende zu Protesten aufgerufen. Die Protestwelle hatte am 4. April begonnen, nach der zeitweisen Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments.

Der Vizepräsident des Parlaments, Freddy Guevara, rief das Militär und den Verteidigungsminister Vladimir Padrino dazu auf, «nicht mit der Titanic Maduros unterzugehen». Bei Protesten und Plünderungen starben bisher 21 Menschen, die Anwaltsorganisation Foro Penal Venezolano sprach von bisher knapp 1300 Festnahmen. Das Institut «Prensa y Sociedad Venezuela» berichtete zudem von 146 Verletzungen bei der Arbeit von Journalisten, darunter 31 körperliche Attacken.

Nachdem Demonstrationszüge zuvor reihenweise gestoppt worden waren, konnten Anhänger der Opposition am Samstag wie geplant zum Sitz der Bischofskonferenz marschieren – es war ein Trauermarsch für die Toten. Viele Menschen kleideten sich für den Schweigemarsch ganz in weiss und trugen weisse Rosen. Überall waren die Strassen dicht gesäumt, ein Polizist mit Gasmaske streichelte den Kopf einer alten Frau, die Gewaltfreiheit anmahnte.

Seit dem Ausbruch der Proteste am 4. April seien mindestens 1289 Menschen festgenommen worden, teilte die Organisation Foro Penal Venezolano mit. Foro Penal ist ein Zusammenschluss von 200 Anwälten, die sich um Gefangene kümmern.

Freie Wahlen und Abgang Maduros gefordert
Die Opposition, die Ende 2015 die Parlamentswahl klar gewonnen hatte, fordert freie Wahlen und ein Ende der Präsidentschaft von Nicolás Maduro, dem sie die Vorbereitung einer Diktatur vorwerfen. Weitere Forderungen sind: die Freilassung von politischen Gefangenen wie des einflussreichen Oppositionspolitikers Leopoldo López, Achtung der Entscheidungen des Parlaments sowie ein humanitärer Korridor, um die Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.

Es sind die heftigsten Proteste seit 2014 – damals starben 43 Menschen. Der Staat mit den grössten Ölreserven der Welt (fast 300 Milliarden Barrel – ein Barrel entspricht 159 Liter) ist seit dem Fall des Ölpreises in die tiefste Krise seiner Geschichte gerutscht. Es wird kaum noch etwas produziert; die Ölförderung ist eingebrochen. Wegen der Bedienung der milliardenschweren Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro und Dollar zu zahlen sind.

2016 brach die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent ein, die Inflation könnte in diesem Jahr bei über 700 Prozent liegen. Rund 95 Prozent der Staatseinnahmen macht der Ölexport aus – in Zeiten niedriger Preise erweist sich diese Abhängigkeit für Venezuela als fatal.

Mit den Ölmilliarden wurde unter dem 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez eine Umverteilungspolitik zugunsten der Armen eingeleitet, deren Leben sich dank Sozialleistungen verbesserte. In diesen Schichten ist der Rückhalt für die Sozialisten immer noch hoch. Ebenso hält das Militär als Schlüsselfaktor bisher zu Maduro.

Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami rief das Volk zur «maximalen Mobilisierung» auf: «Die Rechte ist voller Hass, sie erzeugt eine neue terroristische Spirale.» Parlamentspräsident Julio Borges meinte dagegen mit Blick auf die Bewaffnung von 500 000 Milizen, Maduro sei allein verantwortlich für die Eskalation. (awp/mc/ps)

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