Massimiliano Ferrara, Resident Manager Grand Hotel Villa Castagnola Lugano, im Interview

Massimiliano Ferrara, Resident Manager Grand Hotel Villa Castagnola Lugano, im Interview
Massimiliano Ferrara, Resident Manager in der Grand Hotel Villa Castagnola Lugano

Von Nicole Demarmels, PrimCom

Moneycab.com: Herr Ferrara, seit einem halben Jahr verkürzt der neue Gotthard-Basistunnel die Reise ins Tessin um 30 Minuten. Lässt sich aus Ihrer Sicht als Hotelier bereits eine erste Bilanz ziehen?

Massimiliano Ferrara: Die Bilanz ist durchaus positiv. Man spürt, dass die Leute wieder mehr Lust haben, spontan ins Tessin zu kommen. Auch Gäste, die ein Auto besitzen, reisen nun vermehrt mit dem Zug an, da es meist schneller (kein Stau) und sicherer ist.

Haben sich Auslastung, Aufenthaltsdauer oder Gästesegment der Villa Castagnola dadurch verändert?

In Bezug auf kurzfristige Buchungen verzeichnen wir seit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels eine weitere Zunahme. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer hat sich nicht signifikant verändert, sie beträgt derzeit 2,5 Tage. Wir haben nach wie vor viele Stammgäste sowie Kunden aus dem MICE-Segment, auf das wir uns seit einigen Jahren fokussieren. In diesem Markt sehen wir auch das grösste Wachstums-Potential: Rund 40 Prozent unserer Gäste sind Geschäftsreisende, davon 2/3 aus der Deutschschweiz. Die verkürzte Reisezeit macht das Tessin für Meetings und Events noch attraktiver. Mit der baldigen Eröffnung des Ceneri-Basistunnel im Jahre 2020 dauert die Zugfahrt Zürich-Lugano weniger als zwei Stunden.

«In Bezug auf kurzfristige Buchungen verzeichnen wir seit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels eine weitere Zunahme.»
Massimiliano Ferrara, Resident Manager in der Grand Hotel Villa Castagnola Lugano

Das heisst, es finden wegen der schnelleren Erreichbarkeit mehr Meetings oder Firmenevents in der Villa Castagnola statt?

Nicht einzig wegen der schnelleren Erreichbarkeit, sondern auch weil wir in den letzten Jahren kontinuierlich in eine umfassende Infrastruktur investiert haben. Weiter sind im Tessin in den letzten Jahren grosse Summen in Projekte wie Kulturzentren, Museen, Freizeitparks etc. geflossen. Das macht die Region insgesamt attraktiver, da auch spannende Rahmenprogramme realisiert werden können. Häufig werden MICE-Buchungen auch mit Erholungswochenenden kombiniert, das heisst, die Geschäftsreisenden hängen nach einem Meeting am Donnerstag oder Freitag einen privaten Kurzaufenthalt an.

Die Schweiz hat mit der Frankenstärke und dem hohen Lohnniveau zwei gewichtige Wettbewerbs-Nachteile gegenüber den Nachbarländern. Wie heben Sie sich im internationalen Markt von den nahe gelegenen, oft viel günstigeren Fünfsternehäusern in Italien ab?

Der Standard eines Fünfsterne-Hotels in Italien ist nicht mit demjenigen in der Schweiz vergleichbar. Wir heben uns durch eine höhere Qualität und besseren Service ab.

Sie haben auch viele Gäste aus dem Nahen Osten. Spüren Sie die Auswirkungen des Burkaverbotes, das im Tessin seit dem 1. Juli 2016 gilt?

Nein, wir verzeichnen sogar eine Zunahme von Buchungen aus dem Nahen Osten. Die Gäste werden jeweils bereits im Vorfeld über das Verbot informiert.

Sie verfügen über langjährige Erfahrung in der Spitzenhotellerie, waren in verschiedenen etablierten Vier- und Fünfsterne-Häusern in Mailand und im Tessin tätig. Gibt es neue Trends im Luxus-Segment?

Es gibt stets viele – zum Teil auch kurzlebige – Trends in diesem Segment. Luxus bedeutet für mich, die Gäste immer wieder zu überraschen und ihnen Unerwartetes zu bieten.

Am 1. Januar 2017 haben Sie die Führung des Tagesgeschäftes im Grand Hotel Villa Castagnola übernommen. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Wir möchten in Lugano noch mehr zum Referenzpunkt für Exklusivität werden Es gibt sehr viele Luxushotels in der Gegend, aber wir möchten „das gewisse Etwas“ bieten. Wir überlegen uns jeweils gemeinsam im Team, was wir unseren Gästen bieten können, damit sie sich bei uns noch wohler fühlen. Der Gast soll die Raffinesse in jedem Detail spüren, denn es sind oft kleine Dinge, die einen grossen Unterschied machen – das kann ein mehrsprachiger Chauffeur sein zum Beispiel, der Aufbau des Frühstücksbuffets etc.

«Luxus bedeutet für mich, die Gäste immer wieder zu überraschen und ihnen Unerwartetes zu bieten.»

Im letzten Jahr feierten zehn Hotel-Mitarbeiter ihr 20-jähriges Jubiläum. Das ist in der Branche aussergewöhnlich – gerade in einem Betrieb mit unterschiedlicher saisonaler Auslastung. Warum bleiben Ihrer Meinung nach die Mitarbeiter der Villa Castagnola treu?

Das Grand Hotel Villa Castagnola wird seit 1885 familiär geführt. Die jetzigen Besitzer kennen jeden der rund 130 Mitarbeiter persönlich. Diese familiäre Atmosphäre wird sehr geschätzt. Ausserdem läuft der Betrieb 365 Tage im Jahr, was nur wenige Arbeitgeber in der Hotellerie/Gastronomie vor Ort bieten.

Zu den Jubilaren gehört auch General Manager Ivan Zorloni, der sich bis Ende 2016 selbst um das operative Hotelgeschäft gekümmert hat. Welche Herausforderungen ergeben sich für Sie als neuer und junger Manager in einem solch traditionellen und familiären Umfeld?

Es ist natürlich schwierig, in Herrn Zorloni‘s Fussstapfen zu treten. Ich betrachte dies jedoch als grosse Chance. Denn ich kann viel von unserem General Manager lernen, der nach wie vor strategisch tätig und auch regelmässig vor Ort ist.

Im Hotel gibt es unzählige Antiquitäten und Kunstgegenstände. Nach welchen Kriterien werden die Künstler ausgewählt?

Die Besitzerfamilie wählt alle Kunstgegenstände mit viel Hingabe persönlich aus. Im Laufe der Zeit ist eine einzigartige Sammlung in und um das Hotel entstanden. Im Park stehen Skulpturen verschiedener Künstler und in unserem Sternerestaurant „Galerie Arté al Lago“ finden wechselnde Ausstellungen statt. Wer diese Plattform nutzen möchte, muss etwas Einzigartiges in seiner Kunst haben, nichts Kommerzielles.

Im September 2015 wurde das LAC an der Seepromenade in Lugano eingeweiht. Hat das Kunst- und Kulturzentrum der Stadt Lugano auf dem internationalen Markt zu mehr Bekanntheit verholfen und welche Synergien ergeben sich für ihr Haus?

Endlich gibt es ein kulturelles Angebot in der italienischen Schweiz, das auch international beachtet wird und eine andere Seite der Stadt aufzeigt als „den Bankenplatz Lugano“. Ob sich die finanzielle Investition letztlich auszahlt, wird sich erst längerfristig zeigen, aber das LAC ist sicherlich für das touristische Image und die gesellschaftliche Entwicklung der Stadt von grosser Bedeutung. Da wir einen Schwerpunkt auf Kunst legen und viele kulturinteressierte Gäste beherbergen, ergeben sich für uns sehr wohl Synergien. Wir bieten beispielsweise regelmässig Packages an, bei dem der Besuch einer Veranstaltung im LAC inbegriffen ist.

Herzlichen Dank für das Interview.

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