Travail.Suisse will «spürbare Lohnerhöhungen» von rund 2%

Travail.Suisse will «spürbare Lohnerhöhungen» von rund 2%
Travail.Suisse-Präsident Adrian Wüthrich. (Foto: Travail.Suisse)

Bern – Die Lohnverhandlungen für 2018 sind lanciert. Nach vielen mageren Jahren streben die Gewerkschaften einen Turnaround an. Ihre Forderung: bis zu 2% mehr Lohn für die meisten Beschäftigten. Bei den Arbeitgebern stossen sie damit vorerst auf taube Ohren.

Für den Gewerkschafts-Dachverband Travail.Suisse ist der Fall klar: «Es ist Zeit für spürbare Lohnerhöhungen», sagte Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik, am Dienstag vor den Medien in Bern. Die meisten Unternehmen hätten wieder genug Spielraum, den meisten Angestellten bis zu 2% mehr Lohn zu gewähren.

Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr einigten sich die Sozialpartner auf effektive Lohnerhöhungen von 0,5 bis 1,0%. Die Gewerkschaften sprachen von einem «knapp zufriedenstellenden» Ergebnis. Verlangt hatten sie freilich mehr.

Positive Wirtschaftsaussichten
Fischer und seine Mitstreiter von den Gewerkschaften Syna, Transfair und Hotel&Gastro Union rechtfertigen ihre neuen Forderungen mit der anziehenden Wirtschaft: «Wir stehen am Beginn eines Aufschwungs.» Nach angespannten Zeiten deuteten die Aussichten auf eine Erholung hin. Dies zeigten verschiedene in den vergangenen Wochen publizierte Indizes.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) etwa prognostiziert für 2017 ein Wirtschaftswachstum von 1,4%; für 2018 gar von 1,9%. Das Barometer der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich und auch der Einkaufsmanagerindex (PMI) der Credit Suisse befinden sich deutlich über dem längerfristigen Durchschnitt. Zudem hat sich der Euro/Franken-Kurs deutlich über der Marke von 1,10 eingependelt.

Der Grund für die erfreulichen Zahlen sind laut den Verbänden auch die Arbeitnehmenden, die «mit grossem Einsatz, viel Flexibilität und bescheidener Lohnentwicklung» die Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht hätten. Dies gelte es nun zu belohnen.

«Beschämende Frauenlöhne
Von Nullrunden will Fischer von Travail.Suisse nichts mehr wissen. «Es gibt Nachholbedarf «, sagte er. Generelle Lohnerhöhungen stärkten auch die Kaufkraft der Beschäftigten und folglich den privaten Konsum als Konjunkturstütze.

Im Fokus stehen auch die Mindestlöhne und die Frauenlöhne. Die noch immer bestehende Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern bezeichnen die Gewerkschafter als «beschämend und verfassungswidrig». Die Diskriminierung der Frauenlöhne von 7,4% sei stossend.

Ebenfalls ein Dorn im Auge sind den Gewerkschaften die zunehmenden individuellen Lohnerhöhungen. Demnach kämen seit 2013 die Lohnerhöhungen noch zu 40% allen zugute, 60% würden individuell verteilt – «oft nach sehr undurchsichtigen Kriterien», kritisierte etwa Syna-Präsident Arno Kerst. Das sei jetzt zu korrigieren.

Streik als letztes Mittel
Die ersten Signale von den Unternehmen seien positiv, sagte Kerst. «Es gibt einige, die bereit sind, zu geben.» Positiv auswirken könnte sich ihm zufolge die Tatsache, dass die Angestellten ihren Arbeitgebern in den Krisenjahren mehrfach entgegengekommen sind. «Wir sitzen nun am gleichen Verhandlungstisch wie damals.»

Wenn die Arbeitgeber ob der Forderungen dennoch nur mit den Schultern zucken würden, sind laut Kerst verschiedene Mittel vorhanden, um Druck auszuüben: «In einzelnen Verträgen haben wir eine Streikmöglichkeit.» Dieses Instrument sei aber als Ultima Ratio zu verstehen. Vorher würden alle Möglichkeiten für eine einvernehmliche Lösung angestrebt.

Arbeitgeber drücken auf die Bremse
Eine solche scheint aber noch in weiter Ferne zu sein. «Bei den Löhnen ist kein Nachholbedarf ausgewiesen», schreibt der Arbeitgeberverband in seiner Stellungnahme. Zwar hätten sich die konjunkturellen Aussichten jüngst tatsächlich verbessert. Doch sei es noch zu früh, daraus auf den Ausgang der Lohnverhandlungen für das kommende Jahr zu schliessen.

Die Arbeitgeber zitieren ihrerseits verschiedene Wirtschaftszahlen wie die jüngste Lohnumfrage der UBS. Demnach sind die Reallöhne, also die teuerungsbereinigten Löhne, zwischen 2008 und 2016 um jährlich 1,2% gestiegen – deutlich stärker als in den Jahrzehnten davor. (awp/mc/upd/ps)

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