Draghis «Dicke Bertha» unter ihren Möglichkeiten

Draghis «Dicke Bertha» unter ihren Möglichkeiten

EZB-Präsident Mario Draghi.

Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) flutet die Banken mit Liquidität: Beim zweiten Dreijahrestender reichte die Notenbank insgesamt 529,5 Milliarden Euro aus, wie die EZB am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Auch wenn die meisten Ökonomen und Analysten mit einer etwas geringeren Grössenordnung gerechnet hatten, waren am Markt zum Teil exorbitante Erwartungen von bis zu einer Billion Euro kolportiert worden.

Tatsächlich bleibt die EZB mit ihrem von Notenbankchef Mario Draghi scherzhaft als «Dicke Bertha» bezeichnetem Kriseninstrument unter ihren Möglichkeiten. Theoretisch hätten die Kreditinstitute unbegrenzt Mittel aufnehmen können. Beim ersten Dreijahrestender hatten die Banken sich kurz vor Weihnachten jedoch bereits mit knapp 490 Milliarden Euro vollgesogen. Experten halten die absoluten Zahlen allerdings ohnehin für wenig aussagekräftig. So hat die jüngste EZB-Geldspritze nach Einschätzung von Ralf Umlauf, Devisenanalyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), einen deutlich geringeren Netto-Effekt. Da im Gegenzug fällige Geldmarktgeschäfte ausliefen, erhöhe sich die Liquiditätsbereitstellung unter dem Strich lediglich um rund 316 Milliarden Euro.

Netto-Effekt auf 150 Mrd Euro reduziert
Doch auch beim ersten Dreijahrestender wurden unter dem Strich nur etwa 200 Milliarden Euro ausgereicht, da im Gegenzug andere Refinanzierungsgeschäfte ausliefen. Nach Recherchen der britischen Bank Barclays hat sich die Netto-Geldzufuhr mittlerweile sogar auf 150 Milliarden Euro reduziert, da die Banken ihre gewöhnlichen Refi-Aktivitäten bei der Notenbank seitdem entsprechend zurückgefahren haben.

Verhaltene Marktreaktion
An den Finanzmärkten fielen die Reaktionen verhalten aus. Der Euro drehte im Anschluss an die geldpolitische Operation ins Minus und markierte ein Tagestief bei 1,3422 US-Dollar. Die vor allem bei sicherheitsorientierten Anlegern gefragten deutschen Anleihen erhielten dagegen Zulauf. Der richtungsweisende Bund-Future stieg auf ein Tageshoch bei 140,09 Punkten. Der deutsche Leitindex Dax gab einen Teil seiner Gewinne aus dem frühen Handel wieder ab. Die Anleger reagierten leicht enttäuscht, man hätte etwas mehr erwartet, hiess es aus dem Handel.

Stimmen
Auch der deutsche Bankenverband BdB äusserte sich verhalten. Die jüngste massive Geldspritze der könne die Euro-Schuldenkrise allenfalls weiter eindämmen. Im Kampf gegen die Schuldenkrise werde lediglich Zeit gewonnen, hiess es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Die jüngsten aussergewöhnlichen Massnahmen der Notenbank seien weder geeignet, «einen funktionsfähigen Interbankenmarkt zu ersetzen, noch die Schuldenkrise zu lösen».

Details
An dem aktuellen Dreijahrestender beteiligten sich insgesamt 800 Banken. Im Dezember waren es 523. Analysten führten die stärkere Beteiligung unter anderem auf den unlängst gelockerten Sicherheitenrahmen der Notenbank zurück. Für die Geldhäuser ist das Angebot der EZB äusserst verlockend: Für den ungewöhnlich langen Zeitraum von drei Jahren können sie unbegrenzt Mittel leihen – und das zum günstigen Zins von aktuell 1,0 Prozent. Mit der Liquiditätsoffensive will die EZB eine Kreditklemme im Euroraum verhindern. Vor allem in den Krisenländern der Währungszone sind die Banken zunehmend von privaten Mittelzuflüssen abgeschnitten, was die Konjunktur dort weiter abzuwürgen droht.

Anleihekäufe
Ein angenehmer Nebeneffekt des Dreijahrestenders ist, dass viele Banken von dem Geld Staatsanleihen kaufen. Seit der ersten grossen EZB-Geldspritze im Dezember hat sich die Situation an den europäischen Anleihemärkten deutlich entspannt. Experten sind sich einig, dass die grosszügige Liquiditätsversorgung des Bankensystems daran einen erheblichen Anteil hat. Banken können mit dem günstigen Geld deutlich höher verzinste Papiere am Anleihe- und Geldmarkt kaufen. Vor allem Restlaufzeiten, die unter drei Jahren liegen, sind lukrativ. (awp/mc/upd/ps)

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