Euro-Schuldenkrise droht zu eskalieren

Euro-Schuldenkrise droht zu eskalieren

Frankfurt am Main – Die Schuldenkrise in der Eurozone droht in einen Teufelskreis zu geraten. Die Risikoaufschläge für italienische und spanische Anleihen steigen mit hohem Tempo und erreichten am Mittwoch teilweise Rekordstände. Gleichzeitig erschwert die sich weiter abschwächende Konjunktur die notwendige Konsolidierung der Staaten. Die grosszügige Liquiditätsversorgung der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt noch keine Wirkung: Das Wachstum der Kreditvergabe und der Geldmenge schwächen sich weiter ab. Die Finanzmärkte reagieren teils panisch auf die Entwicklung. Die Situation gleicht der angespannten Lage Ende November 2011. Der Eurokurs setzt seine Talfahrt fort – zuletzt fiel er seit fast zwei Jahren wieder unter die Marke von 1,24 Dollar.

Neben den am 17. Juni anstehenden Wahlen in Griechenland steht derzeit vor allem der spanische Bankensektor im Blick der Märkte. Mit faulen Immobilienkrediten belastete Banken wie die Bankia stellen eine grosse Gefahr für den angeschlagenen spanischen Staatshaushalt dar. Über eine mögliche Hilfe aus dem dauerhaften Rettungsmechanismus ESM wird heftig diskutiert. Die Renditen für zehnjährige spanische Staatsanleihen stieg teilweise bis auf 6,679 Prozent. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos räumte ein, dass das derzeitige Niveau der Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen «auf die Dauer nicht tragbar» sei. Die EU-Kommission will Spanien jetzt mehr Zeit zur Erreichung der Defizitziele einräumen.

Italien auch unter Druck
Durch die angespannte Lage in Spanien wird auch der italienische Anleihenmarkt belastet. Italien lieferte am Mittwoch einen enttäuschenden Auftritt am Anleihemarkt ab. Bei einer Versteigerung neuer Papiere mit fünf- und zehnjähriger Laufzeit wurde das Maximalziel deutlich verfehlt. Die Zinsen zogen spürbar an. Die Rendite stieg bis auf 6,0 Prozent.

Weitere Unbill könnte vom grossen Abwicklungshaus LCH Clearnet kommen. Derzeit wird darüber spekuliert, dass dort die Sicherheitsleistungen für den Handel mit italienischen Staatsanleihen erhöht werden. Ein ähnlicher Schritt hatte bereits im letzten November für eine Eskalation gesorgt. Die Anleger flüchten in diesem Umfeld in deutsche und US-amerikanische Staatsanleihen, die als besonders sicher gelten. In Deutschland fielen die Renditen in allen Laufzeitbereichen auf Rekordtiefs. Bei zweijährigen Anleihen liegt die Rendite nur noch minimal über Null.

Durch die erneute Eskalation der Schuldenkrise im Euroraum verfinstern sich die Konjunkturaussichten immer weiter. Die schwache Wirtschaftsentwicklung erschwert auch den Defizitabbau. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Stimmungsindikatoren haben sich überraschend deutlich eingetrübt. Experten warnen vor einem wirtschaftlichen Schwächeanfall im Sommer. Der auf einer grossangelegten Umfragen unter Unternehmen und Haushalten basierende Gesamtindikator Economic Sentiment Index (ESI) fiel im Mai um 2,3 Punkte auf 90,6 Zähler, wie die Europäische Kommission mitteilte. Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang auf 91,9 Punkte gerechnet.

Konjunkturdelle im Sommer
Auch das ebenfalls von der EU-Kommission ermittelte Geschäftsklima in der Eurozone trübte sich im Mai überraschend deutlich ein und rutschte auf den tiefsten Wert seit Dezember 2009. Der Business Climate Indicator (BCI) fiel von minus 0,51 Punkten im Vormonat auf minus 0,77 Zähler. Der Indikator signalisiert damit sinkende Produktion. Die Daten weisen laut Christian Schulz, Ökonom der Berenberg Bank, auf eine Konjunkturdelle im Sommer hin. Die Zahlen bestätigten, dass die wieder aufgeflammte Euro-Krise starken Einfluss auf das Wirtschaftsvertrauen habe. Selbst wenn die Krise unter Kontrolle gebracht würde, könne die Euroraum-Wirtschaft «in die Kontraktion» zurückgeworfen werden.

Als in der Schuldenkrise Ende 2011 ebenfalls eine Eskalation drohte, hatte die EZB mit zwei Refinanzierungsgeschäften bei Laufzeiten von drei Jahren in den ersten Monaten des laufenden Jahres eine zwischenzeitliche Beruhigung der Märkte erreicht. In den vergangenen Wochen hatte sich die Krise jedoch wieder verschärft, nachdem in Griechenland keine Regierung gebildet werden konnte.

Die Massnahmen der EZB haben bisher keine nachhaltige Wirkung für die Kreditvergabe in der Eurozone gehabt. Im April gab es bereits den dritten Rückgang in Folge, wie aus Zahlen der EZB hervorgeht. Demnach sank die Kreditvergabe um 19 Milliarden Euro, nach Rückgängen von sechs Milliarden und elf Milliarden im März und Februar. Zu Jahresbeginn hatte sich indes noch eine Stabilisierung angedeutet, nach einem aussergewöhnlich starken Rückgang des Kreditvolumens im Dezember. Im Jahresvergleich sank das Kreditwachstum auf 0,3 Prozent – das ist der niedrigste Wert seit Anfang 2010.

Deflationsgefahren
Experten begründeten die schwache Kreditvergabe vor allem mit der Konjunkturentwicklung im Währungsraum: «Die schwache Kreditentwicklung dürfte vorderhand auf eine geringe Nachfrage sowie auch auf die Verschlechterung der Kreditwürdigkeit aufgrund der schwachen Konjunktur zurückzuführen sein», kommentierte EZB-Beobachter Michael Schubert von der Commerzbank. Berenberg-Experte Christian Schulz interpretierte die Entwicklung zum einen als Indiz für Deflationsgefahren im Währungsraum. Neben dem schwachen Geldmengenwachstum verwies er auf jüngste Inflationszahlen aus Deutschland. Demnach ist die Inflationsrate in der grössten Euro-Wirtschaft im Mai erstmals seit eineinhalb Jahren unter die Marke von zwei Prozent gefallen.

In den nächsten Tagen und Wochen stehen der Eurozone weitere Unsicherheitsfaktoren bevor. So steht an diesem Donnerstag das Referendum über den Fiskalpakt in Irland auf dem Kalender. Ein Scheitern wird zwar nicht erwartet, ist aber auch nicht ganz ausgeschlossen. Auch aus dem spanischen Bankensektor könnten weitere Hiobsbotschaften kommen. Besonders kritisch sind die Wahlen in Griechenland am 17. Juni. Die Wahlumfragen zeigten zuletzt kein klares Bild. Sollten hier die Befürworte des Sparprogrammes keine Mehrheit erhalten, droht erstmals ein Austritt eines Landes aus der Währungsunion. Die Folgen für die Finanzmärkte weltweit sind unabsehbar. (awp/mc/upd/ps)

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