Eurobefürworter bei Richtungswahl in Griechenland vor Sieg

Eurobefürworter bei Richtungswahl in Griechenland vor Sieg

Der Parteichef der Konservativen, Antonis Samaras.

Athen – Ja zum Euro, Ja zu Europa und Jein zum Sparpakt: Bei der Parlamentswahl in Griechenland hat sich ein rechnerischer Sieg der Eurobefürworter abgezeichnet. Nach Auszählung von rund 97 Prozent der Stimmen wird die konservative Partei Nea Dimokratia mit knapp 30 Prozent stärkste politische Kraft. Falls die ebenfalls proeuropäischen Sozialisten eine Regierungskoalition eingehen, würden beide Parteien über 162 der 300 Sitze verfügen. Beide Parteien wollen zwar den Reform- und Sparkurs fortsetzen, aber mit den Geldgebern über Erleichterungen reden. Das Bündnis der radikalen Linken, das den Sparpakt aufkündigen will, wurde mit knapp 27 Prozent zweitstärkste Kraft.

Bei der Europäischen Union zeigte man sich erleichtert über den Wahlausgang. «Wir begrüssen heute den Mut und die Ausdauer der griechischen Bürger», erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Sonntag. «Wir hoffen, das die Wahlergebnisse rasch die Bildung einer Regierung erlauben.»

Experte: Harte Woche mit Unsicherheiten
Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte dem Vorsitzenden der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, zum «guten Wahlergebnis». Wie eine Regierungssprecherin am späten Sonntagabend in Berlin mitteilte, habe die Kanzlerin bei dem Telefonat aber auch deutlich gemacht, dass sie davon ausgehe, dass Griechenland sich an seine europäischen Verpflichtungen halte.

In letzter Konsequenz ging es bei der Wahl am Sonntag um die Frage, ob Athen in der Eurozone bleibt oder zur Drachme zurückkehrt – mit unabsehbaren Folgen. Deshalb schauten sowohl die EU als auch die internationalen Finanzmärkte mit bangen Blick auf den Ausgang der Schicksalswahl. Die Nervosität an den Finanzmärkten ist nicht nur wegen Griechenland, sondern auch angesichts der Probleme in Spanien und Italien extrem hoch.

Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sieht «harte Wochen mit Unsicherheiten» für die Bürger und Finanzmärkte bevorstehen. Die Parteien in Griechenland hätten rund vier Wochen Zeit, bis die nächsten grösseren Zahlungen für Griechenland aus den Hilfspaketen freigegeben oder gestoppt würden. Sollte Griechenland keine Hilfe mehr bekommen, droht ein Staatsbankrott mit anschliessendem Austritt aus der Eurozone.

Eurozone erwartet Fortsetzung des Sparkurses
Samaras sagte in seiner Siegesrede, das Volk habe die Politiker gewählt, die für Wachstum und Verbleib im Euroland seien. «Griechenlands Position in Europa wird nicht mehr gefährdet sein.» Samaras lud alle politischen Kräfte ein, sich an einer Regierung der nationalen Rettung zu beteiligen.

Der Parteichef der Sozialisten, Evangelos Venizelos, schlug die Bildung einer möglichst breiten Regierung aus Konservativen, Sozialisten, radikalen sowie gemässigten Linken vor. Anos Skourletis, Sprecher der Radikallinken, bezeichnete alle Diskussionen über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit Konservativen und Sozialisten als lächerlich. Parteichef Alexis Tsipras sagte, seine Partei wolle stärkste Oppositionskraft bleiben. Das Volk habe innerhalb von sechs Wochen zum zweiten Mal das Sparpaket verurteilt.

Die Euro-Finanzminister erwarten von einer neuen Regierung in Griechenland eine Fortführung des vereinbarten Spar- und Reformprogramms. Sparkurs und Strukturreformen seien «Griechenlands bester Weg, die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu überwinden», teilte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am späten Sonntagabend in einer Erklärung mit.

Schäuble: Kein leichter Weg
Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle bot dem hoch verschuldeten Euroland Aufschub bei der Umsetzung des Sparprogramms an. «Ich kann mir gut vorstellen, über Zeitachsen noch einmal zu reden», sagte Westerwelle am Sonntagabend in der ARD. «Am Weg der Reformen führt kein Weg vorbei», fügte er hinzu.

Für Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das mit Griechenland gemeinsam erarbeitete und vereinbarte Reformprogramm nur einen Zweck: Griechenland zurück auf den Weg wirtschaftlicher Prosperität und Stabilität zu führen. «Der Weg dorthin ist weder kurz noch leicht, aber er ist unvermeidlich. Und er eröffnet dem griechischen Volk die Perspektive auf eine bessere Zukunft», liess Schäuble am Sonntag in Berlin mitteilen.

Faschisten erneut mit gutem Ergebnis
Bei der Parlamentswahl schnitt auch die faschistische Partei Goldene Morgenröte wieder gut ab. Sie erreichte 6,9 Prozent. Die rechtskonservativen Unabhängigen Griechen erhalten 7,4, und die gemässigte demokratische Linke 6 Prozent. Die Kommunisten kommen demnach auf 4,5 Prozent.

Nach dem Wunder von Warschau, wo die griechische Fussball-Nationalmannschaft mit einem Sieg über Russland überraschend ins EM-Viertelfinale eingezogen war, hatten Gegner wie Befürworter des Sparpakts auf einen Sieg gehofft. Die zweite Wahl binnen sechs Wochen war notwendig geworden, weil Gegner und Befürworter des Spar- und Reformprogramms nach der Parlamentswahl vom 6. Mai keine Mehrheit für eine Regierungsbildung finden konnten.

Zu einem Aufeinandertreffen zwischen Deutschland und Griechenland kommt es vorerst auf dem grünen Rasen. Die beiden Länder werden sich in den Viertelfinals der Fussball-Europameisterschaften 2012 gegenüberstehen. (awp/mc/pg/upd/ps)

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