Operation Touchpoint: Wie man Kundenkontaktpunkt-Projekte erfolgreich macht

Operation Touchpoint: Wie man Kundenkontaktpunkt-Projekte erfolgreich macht

Von Anne M. Schüller

Noch nie gab es so viele Touchpoints wie heute, um seine Kunden zum Immer-Wieder-Kaufen und aktiven Weiterempfehlen zu bewegen. Um diese Potenziale auszuschöpfen, müssen die Mitarbeitenden vom standardisierten ‚Müssen‘ ins kundenfokussierte ‚Wollen‘ gebracht werden. Ein Weg, der sich lohnt.

Was eine Business-Strategie wirklich taugt, entscheidet sich in den ‚Momenten der Wahrheit‘ an den Touchpoints eines Unternehmens. Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit den Mitarbeitenden, Produkten und Services einer Bank in Berührung kommt. Dies geschieht

  • in direkter Form (Beratungsgespräch, Newsletter, Anzeige, Website, Telefon, Kontoauszug, Reklamation etc.) oder
  • in indirekter Form (Meinungsportal, User-Forum, Fachblogbeitrag, Presseartikel, Mundpropaganda, Weiterempfehlung etc.).

An jedem Touchpoint kann es zu positiven wie auch negativen Ereignissen kommen, die eine Kundenbeziehung stärken oder zermürben und den guten Ruf kräftigen oder bröckeln lassen. Manche Berührungspunkte sind dabei kritischer als andere. Und oft sind es Kleinigkeiten, die schließlich ganz grosse Katastrophen bewirken. Selbst ein noch so kleines Detail kann hierbei Zünglein an der Waage sein.

Deshalb muss an jedem einzelnen Touchpoint überlegt werden, wie man die Interaktion mit den Kunden besser gestalten, ihr Leben vereinfachen, ihren Nutzen vergrössern, ihnen Zeit schenken und sie immer wieder neu überraschen und begeistern kann. Hierbei kommt es nicht nur auf das Wissen um Kundenbedürfnisse sowie Ideenreichtum und adäquate Rahmenbedingungen an, sondern auch auf das ‚Wollen‘ der Mitarbeitenden. Denn ‚Muss-Gesichter‘, die wie Aufziehpuppen ihre vorgegebenen Standards abarbeiten, mögen Kunden gar nicht gern.

Mitarbeitende unternehmerisch einbinden
Wer unternehmerisch handelnde Mitarbeitende will, muss diese an unternehmerisches Denken heranführen. Doch immer noch gibt es Kadermitglieder, die zu glauben scheinen, an den Rändern ihrer Organisation gäbe es kein intelligentes Leben. Dort werden die Mitarbeitenden ungefragt von oben herab mit den unsinnigsten Ausführungsbestimmungen konfrontiert und Kunden mit den merkwürdigsten Normen drangsaliert („Das ist bei uns Vorschrift:“). Eine hohe Kundenfluktuation und Reputationsschäden sind dann die Folge.

Nicht so in dem Touchpoint Management, um das es in diesem Beitrag geht. Denn hier werden vor allem die aktiviert, die am besten wissen, was Kunden wirklich wollen, und welche Rahmenbedingungen es dazu braucht: Mitarbeitende, die tagtäglich ganz nah an den Kunden und Prozessen sind. Im Rahmen von Workshops lässt man sie in Arbeitsgruppen an ausgewählten Touchpoints arbeiten.

Zwischen Enttäuschung und hehrer Begeisterung
Bei der Betrachtung einzelner Touchpoints werden in gängigen Prozessen recht emotionslos die folgenden Bewertungsstufen verwendet: negativ, neutral, positiv. Doch inzwischen ist hinlänglich bekannt: Jede Erfahrung, die ein Mensch macht, wird von unserem Oberstübchen emotional markiert und so im zerebralen Erfahrungsspeicher abgelegt. Als ‚like‘ oder ‚dislike‘ wird sie dem Umfeld dann schliesslich – offline wie auch online – bekanntgegeben. Dies beinhaltet ein Zu- oder Abraten und führt dann bei Anderen zu einem Ja oder Nein.

Um die Emotionalität einer Kaufentscheidung sichtbar zu machen, favorisiere ich eine Vorgehensweise, bei der jeder Interaktionspunkt auf seine Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren hin analysiert wird. Diese Methode habe ich in Anlehnung an das Kano-Modell des japanische Universitätsprofessor Noriaki Kano weiterentwickelt. Dabei können Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren mithilfe geeigneter Kundenbefragungen für jeden Touchpoint ermittelt werden. Oder sie werden durch die eigenen Mitarbeitenden im Rahmen von Workshops identifiziert und sodann optimiert.

Die Einstimmung einer Touchpoint-Arbeitsgruppe
Wenn ich Touchpoint-Workshops gestalte, lasse ich, nach einer Einführung ins Thema, die Teilnehmer zunächst in Kleingruppen an folgenden Punkten arbeiten:

  • Wenn ich selber Kunde bin, was ist mir dann besonders wichtig?
  • Wenn ich selber Kunde bin, was ärgert mich und stößt mich ab?
  • Was erzählen unsere Kunden im Guten wie im Schlechten über uns? Und wonach haben sie in letzter Zeit öfter gefragt?
  • Was dürfen wir keinesfalls tun, weil es unsere Kunden vergrault und vertreibt?
  • Was sind die Minimumerwartungen unserer Kunden, also solche, die immer erfüllt werden müssen?
  • Was könnte unsere Kunden begeistern, weil es ihre Erwartungen übertrifft?
  • Was habe ich als Mitarbeitender davon, wenn ich Kunden begeistere? Was hat das Team davon, wenn wir das alle gemeinsam tun? Und die Bank?
  • „Kill a stupid rule!“ Von welchen unsinnigen Standards und Normen sollten wir uns schnellstmöglich trennen?
  • Was ist die absolut verrückteste Idee, die uns zum Thema Kundenbegeistern und Mundpropaganda-Machen in den Sinn kommt?

Die letzte Frage muss unbedingt exakt so gestellt werden, weil sonst erfahrungsgemäß meist nur Allerweltslösungen vorgeschlagen werden. Doch in den Extremen stecken die größten Innovations-Chancen. Durchschnittsideen hingegen erzeugen allerhöchstens Mittelmaß.

Die Arbeit an einzelnen Touchpoints
Bei der nun folgenden Aufgabenstellung geht es um ein konkretes Konzept, das im Detail so ausgearbeitet werden soll, dass es idealerweise sofort umsetzbar ist. Auf diese Weise werden die Teilnehmer systematisch an unternehmerisches Denken herangeführt. Dazu erhalten sie etwa zwei Stunden Zeit. Diese Zeit wird am besten so strukturiert:

  1. Brainstorming-Prozess zur Ideenfindung, gegebenenfalls mithilfe einer passenden Kreativitätstechnik
  2. Evaluierung der Ideen, Diskussion und Bereicherung
  3. Auswahl der favorisierten Idee durch ein passendes Verfahren
  4. Erarbeitung des konkreten Konzepts: Hierzu werden zunächst die Ist- und die Sollsituation skizziert, dann der To-do-Plan (wer macht was mit wem ab/bis wann mit welchem Budget) erstellt, und schließlich ein Messinstrument sowie das weitere Vorgehen festgelegt
  5. Übertragung des Konzepts auf eine Mustervorlage
  6. Bestimmung eines Sprechers beziehungsweise Präsentators
  7. Absprache über die Art und Weise der Präsentation

Zwecks späterer Vorstellung im Plenum sollte das erarbeitete Konzept auf eine Mustervorlage übertragen werden, damit eine formvollendete Visualisierung möglich ist und nichts vergessen wird. In einem Ideenspeicher werden die Ideen gesammelt, die zwar auch vielversprechend waren, aber diesmal nicht weiter verfolgt worden sind.

Weitere Umsetzungstipps
Am Ende der Arbeitsgruppen-Phase sollte es eine längere Pause geben, auch als Puffer für die, die noch emsig bei der Arbeit sind. Ebenso können die Gruppensprecher in dieser Zeit eine kleine Generalprobe machen. Danach werden die einzelnen Konzepte vorgestellt, diskutiert und verabschiedet – und dann zügig unter Einhaltung der festgelegten Zeitlinien umgesetzt.

Ein konzeptionelles Aufmöbeln der Arbeitsgruppenergebnisse – um diese vor Dritten zu präsentieren – ist jederzeit möglich. So können zum Beispiel Vorher-Nachher-Videos gedreht, Mitarbeitende und Kunden interviewt oder Ist- und Sollsituationen nachgestellt werden.

Um optimale Ergebnisse zu erzielen und am Ende tatsächlich umsetzungsfähige Konzepte zu erhalten, ist es auch wichtig, die Teilnehmer gut zu instruieren. Am besten visualisiert man die zu einem solchen Workshop gehörenden Schritte auf einer Flipchart. Sehr hilfreich sind auch Arbeitsvorlagen, die den Prozess strukturieren und in die richtige Richtung leiten.

Das Customer Touchpoint Management
Unter Customer Touchpoint Management (Kundenkontaktpunkt Management) versteht man die Koordination aller unternehmerischen Maßnahmen dergestalt, dass den Kunden an jedem Interaktionspunkt eine verlässliche, vertrauenswürdige und im Idealfall herausragende Erfahrung geboten wird, ohne dabei die Prozesseffizienz aus den Augen zu verlieren. Ein wesentliches Ziel ist das stete Optimieren der Kundenerlebnisse (Customer Experiences) an den einzelnen Kontaktpunkten, um bestehende Kundenbeziehungen zu festigen und via Weiterempfehlungen hochwertiges Neugeschäft zu erhalten. Dazu heisst es, dem Kunden Enttäuschungen zu ersparen und über die Nulllinie des Zufriedenheitsstatus hinaus Momente der Begeisterung zu verschaffen.

Das Customer Touchpoint Management folgt dabei nicht länger dem selbstzentrierten alten Marketing, das fragt: Was bieten wir dem Kunden? Vielmehr wird untersucht, was die Kunden erwarten, welche Leistungen sie auf welche Weise tatsächlich erhalten und wie ihre Reaktion darauf ist. Hierzu werden zunächst alle Kontaktpunkte gelistet, dann auf Kaufrelevanz wie auch Wiederkauf- und Empfehlungspotenzial durchleuchtet und schliesslich durch Umsetzen passender Massnahmen optimiert.

Dies geschieht durch aktives Involvieren der Kunden und Mitarbeitenden in die unternehmerischen Prozesse. Dabei können neue Touchpoints gefunden, bestehende verfeinert und veraltete über Bord geworfen werden. Insgesamt gelangt man so zu einer Priorisierung der aus Kundensicht einflussreichsten Berührungspunkte, zu ihrem verbesserten Zusammenspiel und zu einer Optimierung ihrer Wirkungsweise.

Der Prozess des Kundenkontaktpunkt Managements besteht aus vier Etappen mit je zwei Teilschritten:

1. die Ist-Analyse
a) das Erfassen der kundenrelevanten Kontaktpunkte
b) das Dokumentieren der Ist-Situation aus Kundensicht

2. die Soll-Strategie
a) das Definieren der optimalen Soll-Situation aus Kundensicht
b) das Finden passender(er) Vorgehensweisen

3. die operative Umsetzung
a) die Planung erforderlicher Maßnahmen, die zur Soll-Situation führen
b) die Umsetzung eines passenden Maßnahmen-Mixes

4. das Monitoring
a) das touchpointspezifische Messen der Ergebnisse
b) die kundenrelevante Optimierung der Prozesse

Mit dem Touchpoint Management erhalten Entscheider grosser wie auch mittlerer und kleiner Unternehmen ein praxisnahes, schnelles und komplexitätsreduzierendes Navigationssystem für unsere neue, durch das Social Web geprägte Businesswelt.


Der Prozess des Customer Touchpoint Management mit seinen vier Etappen

Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller
Touchpoints
Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute
Managementstrategien für unsere neue Businesswelt
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Gunter Dueck
Gabal, März 2012, 350 S., 29,90 Euro, 47.90 CHF
ISBN: 978-3-86936-330-1

Zur Autorin
Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirtin, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Management-Consultant. Sie gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und zählt zu den gefragtesten Business-Speakern im deutschsprachigen Raum. Über 20 Jahre hatte sie leitende Vertriebs- und Marketingpositionen in internationalen Dienstleistungsunternehmen inne und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Zum Touchpoint Management hält sie Vorträge und Seminare. Weitere Informationen unter: www.anneschueller.com

Kontakt in der Schweiz: Peter Müller, 044 701 23 16,  [email protected]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert