Zürcher enttäuschen in Sachen Ehrlichkeit

Zürcher enttäuschen in Sachen Ehrlichkeit

Zürich – Reader’s Digest hat einen „Ehrlichkeitstest“ in 16 Grossstädten auf vier Kontinenten durchgeführt. Mit jeweils zwölf „verlorenen“ Portemonnaies pro Metropole stellte Reader’s Digest Hunderte von Menschen auf die Probe, um herauszufinden, wie ehrlich sie waren und ob sie die Brieftaschen zurückgeben würden. Am ehrlichsten verhielten sich die Menschen in Helsinki, Mumbai, New York und Budapest. Am Schluss der Ehrlichkeitsrangliste: Zürich.

Von Reader’s Digest ausgesandte Reporter liessen in Metropolen in Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien insgesamt 192 Portemonnaies liegen. Jedes enthielt eine Telefonnummer, ein Familienfoto, Rabattmarken, Visitenkarten sowie einen Geldbetrag von umgerechnet 50 Franken in der entsprechenden Landeswährung. Von den 192 «verlorenen» Portemonnaies wurden 90 (47 Prozent) zurückgegeben.

Folgende Gemeinsamkeiten konnten festgestellt werden

  • Alter ist kein Indikator dafür, ob eine Person ehrlich oder unehrlich ist. In allen 16 Städten deckten ehrliche und unehrliche Finder das gesamte Altersspektrum ab.
  • Weiblich oder männlich – auch hieraus lässt sich kein Rückschluss auf die Ehrlichkeit ziehen, obwohl es zwei Städte gab, in denen sich Frauen auf jeweils ganz gegensätzliche Weise hervortaten: Im polnischen Warschau waren es ausschliesslich Frauen, welche die Brieftaschen behielten, wohingegen im slowenischen Ljubljana fünf der sechs zurückgegebenen Portemonnaies von Frauen zurückgegeben wurden.
  • Relativer Wohlstand scheint kein Garant für Ehrlichkeit zu sein. Im indischen Mumbai wurden neun, in Moskau sieben von zwölf Brieftaschen zurückgegeben, aber im vergleichsweise wohlhabenden Zürich kehrten nur vier Portemonnaies in die Hände der Reporter zurück.

„Die Ehrlichkeit der Bewohner lässt sich nicht aus dem Durchschnittseinkommen eines Landes ableiten», kommentiert der Soziologie-Professor Andreas Diekmann von der ETH Zürich das Abschneiden der europäischen Städte „In der Schweiz wurden ja genauso viele Portemonnaies zurückgegeben wie in Rumänien, einem der ärmsten Länder im europäischen Vergleich. Immer wieder zu beobachten ist jedoch das grosse Ausmass ehrlichen Verhaltens in den skandinavischen Ländern. Helsinki ist mit elf retournierten Portemonnaies Spitzenreiter. Das ist kein Zufall. Studien zeigen, dass Skandinavier sich durch ein hohes Vertrauen in andere Menschen auszeichnen.

Diskretion, Zeitmangel  – oder…?
Für die enttäuschende Rückgabemoral in der Limmatstadt findet die Zürcher Psychologin Denise Long eine weitere Erklärung: „Vielleicht ist es die vielzitierte Schweizer Diskretion – die Tatsache, dass man sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten einmischt –, die mehr ehrliche Passanten zurückgehalten hat, das Portemonnaie aufzulesen. Auch der Zeitfaktor spielt eine nicht unwesentliche Rolle: Wer Gutes tut, nimmt sich in der Regel die Zeit dazu. In einer Stadt wie Zürich ist Zeit ein rares Gut.“ (Reader’s Digest/mc/pg)

Die Oktober-Ausgabe von Reader’s Digest Schweiz, die ab Ende September am Kiosk erhältlich ist, berichtet ausführlich über diese Studie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert