Guido Stäger, Direktor Zuckerfabriken Aarberg + Frauenfeld AG

Guido Stäger, Direktor Zuckerfabriken Aarberg + Frauenfeld AG

Guido Stäger, Direktor der Zuckerfabriken Aarberg + Frauenfeld. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Stäger, wie kommt es, dass Zuckerrüben pro Anbaufläche mehr Kohlendioxid binden als Bäume im Wald?

Guido Stäger: Das ist biologisch begründet – die Zückerrübe hat eine grosse, direkt der Sonne ausgesetzte Blattmasse, die viel Sonnenlicht absorbiert und in Zucker umwandelt. Die Züchtung hat sicher auch dazu beigetragen, die Fähigkeit möglichst schnell viele Reserven anzulegen zu fördern. Als Resultat haben wir eine effiziente Photosynthese, die etwa 15 Tonnen Zucker pro Jahr und Hektare produziert und das dafür notwendige Kohlendioxid aus der Luft holt.

Mit 5,30 Franken pro 100 Kilogramm ist der Rübenpreis rekordtief. Im nächsten Jahr werden die Bauern ausserdem nur noch 1500 Franken statt 1700 Franken an Direktzahlungen pro Hektar bekommen. Wie motivieren Sie Ihre Zulieferer da für die Anbaukampagnen?

Der Rübenpreis ist in den letzten Jahren stabil geblieben und wurde mit der letzten Reform der Schweizerischen Agrarpolitik festgelegt. Damals wurde auch die Umlagerung vom höheren Rübenpreis in die Direktzahlungskomponente „Flächenbeitrag“ gemacht. Für die Branche ist es aber sehr unglücklich, dass nun dieser Flächenbeitrag sinkt. Auf dem Grundpreis für Rüben, kommt noch die zuckergehaltsabhängige Qualitätsprämie dazu und auch eine variable Komponente in Abhängigkeit vom Erfolg im Zuckergeschäft. Für die Motivation der Rübenpflanzer ist der Gesamterlös im Vergleich zu alternativen Ackerkulturen von zentraler Bedeutung.

«Für die Branche ist es aber sehr unglücklich, dass nun dieser Flächenbeitrag sinkt.»
Guido Stäger, Direktor Zuckerfabriken Aarberg + Frauenfeld AG

Meinen Sie, dass die Zuckerquoten in der EU definitiv 2017 aufgehoben werden?

Die EU hat das so  beschlossen.

Die Zuckerrübe wird perfekt recycled. Ihre 100%ige Tochter Ricoter verkauft die bei der Rübenverarbeitung abfallende Komposterde und die ausgepressten Schnitzel werden zu Tierfutter. Wieviel vom Gewinn machen denn in etwa diese Abfallprodukte aus?

Die Zuckerindustrie strebt effektiv eine effiziente Verwertung aller Nebenprodukte an und steht deshalb in der Nachhaltigkeits-Diskussion gut da. Dabei kann man nicht sagen, wie viel vom Gewinn von den Nebenprodukten kommt. Die Nebenprodukte müssen auf jeden Fall entweder entsorgt oder eben sinnvoll verwertet werden. Die Alternativen sind hohe Entsorgungskosten. Rübenschnitzel und Melasse sind die hochwertigsten Nebenprodukte, sie ersetzen direkt andere Futterquellen, und ihr Preis richtet sich demnach nach den Futtermittelpreisen von Silomais und Futtergerste. Press-Schnitzel sind aber teuer im Transport und Trockenschnitzel teuer wegen dem Trocknungsprozess. Der Erfolg hängt also davon ab, wie effizient wir diese beiden Prozesse beherrschen. Ähnliches gilt für die Rübenerde und die Kalk-Nebenprodukte.

Kalk?

Der Kalk ist ein wertvolles natürliches Düngemittel, das auch die Bodenqualität verbessert, aber auch er ist teuer im Transport. Die Rübenerde ist eine Komponente für die Herstellung von hochwertiger Blumen- und Gemüseerde. Durch den Einsatz der Rübenerde im Ricoter Sortiment findet dieses Nebenprodukt eine nachhaltige Verwendung und wird zurück geführt in die Schweizer Gärten und Balkone. Aber auch Ricoter ist einer starken Konkurrenz von billigen Importprodukten ausgesetzt. Gesamthaft ergibt sich aus dieser sinnvollen Verwertung der Nebenprodukte ein Deckungsbeitrag in Millionenhöhe.

Die defizitären Cargo-Betriebe der SBB schliessen immer mehr Verladebahnhöfe auf dem Lande. Die Hälfte der Rüben „reist“ aber mit der Bahn, und das ist wohl der vernünftigste Weg. Wie können Sie für eine umweltbewusste Transportpolitik lobbyieren?

Hier müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie finden. Es ist einfach nicht rentabel, Kurzstrecken-Transporte mit der Bahn zu bewältigen und kleine Verladebahnhöfe aufrecht zu erhalten. Wir transportieren die Rüben bis ca. 30 km mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und versuchen die Anzahl Verladebahnhöfe zu reduzieren, um effizient umzuladen und ganze Rübenzüge zusammen zu stellen. Wenn ein öffentliches Interesse besteht, mehr Volumen mit der Bahn zu transportieren, muss man über entsprechende finanzielle Beteiligungen reden. Heute werden etwa die Hälfte der Rüben über die Strasse und die andere Hälfte über die Bahn angeführt, und das Gesamtsystem wird laufend weiterentwickelt und verbessert.

«Wenn ein öffentliches Interesse besteht, mehr Volumen mit der Bahn zu transportieren, muss man über entsprechende finanzielle Beteiligungen reden.»

85 Prozent des Zuckers geht in die Industrie. Kann man – vereinfacht ausgedrückt – sagen, dass die Swissness-Vorgaben – 80 Prozent der Bestandteile müssen ja aus der Schweiz stammen, wenn man das berühmte Produktelabel  „made in Switzerland“  erhalten will -, Ihr Umsatzgarant ist?

Garantiert ist gar nichts, jeder Industriekunde hat Produkte, wo made in Switzerland mehr oder weniger wichtig ist. Es ist aber schon so, dass wir das Thema mit unseren Kunden intensiv bearbeiten. Die Herausforderung wird sein, in guten und schlechten Erntejahren unsere Kunden mit genügend Schweizer Zucker beliefern zu können. Der Kunde wird aber immer den Importzucker als Preisreferenz ins Verhandlungsgespräch einbringen. Wir verstehen die Swissness-Verordnung als Chance für uns und die Schweizer Rübenpflanzer.

Im Moment liegt die Jahresproduktion in Ihren beiden Fabriken bei je rund 125’000 Tonnen Zucker. Wo sollte er idealerweise in den nächsten Jahren liegen?

Unser Ziel ist es, alle unsere Kunden mit möglichst viel Schweizer Zucker zu versorgen, also die Importe möglichst gering zu halten. Die Bäume wachsen aber nicht in den Himmel. Exporte von reinem Zucker sind wegen der hohen EU-Zölle praktisch unmöglich. Zuckerexporte in verarbeiteten Lebensmitteln sind zollfrei in die EU und rückerstattungspflichtig ausserhalb der EU. Aufgrund dieser Regelwerke rechnen die Behörden immer mit einem Netto-Zuckerimport. Unser Ziel ist es, die Produktion von Schweizer Zucker in den nächsten Jahren moderat zu erhöhen.

«Die Lagerkosten sind hoch, aber die Kosten von fehlender Lagerkapazität sind noch viel höher.»

Ernteschwankungen werden durch Silos ausgeglichen. Wieviel kostet Sie die Lagerhaltung pro Jahr?

Die Rüben werden im Herbst geerntet und müssen zügig verarbeitet werden. Es muss immer eine ganze Ernte gelagert werden. Die Kunden haben nur noch sehr kleine Lager, es ist also an uns, eine ganze Jahresproduktion zu lagern. Die Ernten schwanken aber von Jahr zu Jahr, und unsere Lager müssen diese Schwankungen absorbieren, sonst müssen wir extern in Säcken lagern oder grössere Mengen Zucker importieren. Die Lagerkosten sind hoch, aber die Kosten von fehlender Lagerkapazität sind noch viel höher. Für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist es äusserst wichtig, über genügend Lagerkapazität zu verfügen.

Welche Investitionsprojekte stehen in den nächsten Jahren in Ihren Fabriken an?

Wir müssen unsere Fabriken auf einem modernen Stand halten, um konkurrenzfähig zu sein. Es sind immer wieder Erneuerungsinvestitionen nötig, dabei soll gleichzeitig rationalisiert und der Energieverbrauch gesenkt werden. Zusätzlich werden die Umweltauflagen in der Schweiz immer anspruchsvoller, und wir sind gezwungen, hier Verbesserungen zu machen.

Gibt es irgendeinen technologischen Meilenstein in der Zuckerraffinierung?

Technologisch sind die Prozesse ausgereift und die Anlagen bestehen. Es geht also vielmehr um Optimierungsprozesse.

Ihre EBITDA-Marge hinkt der von Grosskonzernen wie Nord- oder Südzucker hinterher. Wo orten Sie als CEO Erhöhungspotenzial?

Wir bewegen uns in einem engen Band. Einerseits hat die Schweiz von der Landwirtschaftsstruktur her relativ hohe Produktionskosten für Rüben. Der Rübenpreis kann kaum gesenkt werden, sonst haben wir ein Beschaffungsproblem. Aber die Landwirtschaft ist trotzdem gefordert, Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Der Zuckerpreis wird durch die Importe und damit durch den EU Preis diktiert, mittelfristig könnte dieser Preis weiter unter Druck kommen. Längerfristig dürften aber die Lebensmittelpreise weltweit steigen, es gibt also auch eine Gegenbewegung. In diesem engen Band müssen wir kosteneffizient produzieren und einen möglichst hohen Marktanteil am Schweizer Markt erkämpfen, um unsere Fabriken auszulasten.

Neben dem Industriegeschäft pflegen wir das Detailhandelsgeschäft und sind bestrebt, dieses mit kleinen Innovationen zu beleben. Auch das Futtermittelgeschäft ist für uns wichtig und wird sehr aktiv betrieben. Energieeffizienz ist ein anderes wichtiges Thema, das wir bearbeiten. Wir wollen unsere ganze Wertschöpfungskette durch kleine Verbesserungen kontinuierlich optimieren.

«Der Zuckerpreis wird durch die Importe und damit durch den EU Preis diktiert, mittelfristig könnte dieser Preis weiter unter Druck kommen.»

Die Aktie der Zuckerfabriken notiert rund 20 Prozent unter Buchwert. Im Jahr 2013 hat sie sich quasi nicht bewegt. Wieso wird diese Perle bloss nicht entdeckt?

Wir sind ein einem Geschäft mit niedrigen Margen und hohen Preisrisiken aus der EU und dem Weltmarkt ausgesetzt. Der Buchwert ist von untergeordneter Bedeutung für den Kurswert, weil er nie realisiert werden könnte. Unsere gesunde Finanzlage sollte es erlauben, auch schwierige Jahre zu überstehen, aber wir rechnen nicht mit grossen Gewinnsteigerungen. Das Marktumfeld wird anspruchsvoll bleiben.

Ist eine Nennwertrückzahlung weiterhin kein Thema?

Ja, das ist überhaupt kein Thema.

Zur Person:
Dr. Guido Stäger, geb. 2.12.1959 in Steinach, Lebensmittel-Ing. ETH, wohnt in Studen, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er war Produktionsleiter von Nescafé – Nestlé Südkorea, Projektleiter im Nestlé R&D Center in Orbe, Directeur production Nespresso und Technical Advisor bei Nestec Vevey. Anschliessend war er noch 12  Jahre Betriebsleiter Chocolats Camille Bloch, ehe er am  1.5.2011 als CEO zu den  Zuckerfabriken  stiess.

Zum Unternehmen:
Die Zuckerfabriken Aarberg + Frauenfeld AG (ZAF) verarbeitet als einziges Unternehmen in der Schweiz an seinen beiden Standorten Zuckerrüben und versorgt den Schweizer Markt mit Zucker und den anfallenden Futtermitteln. Der ZAF kommt dadurch hinsichtlich Menge, Qualität und Lieferbereitschaft eine marktführende Position zu.

 

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