Prof. Dr. André Bühler, Direktor Deutsches Institut für Sportmarketing

Prof. Dr. André Bühler, Direktor Deutsches Institut für Sportmarketing
André Bühler, Direktor Deutsches Institut für Sportmarketing. (Foto: zvg)

Prof. Dr. André Bühler, Direktor Deutsches Institut für Sportmarketing. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Herr Bühler, kaum ein Ereignis übt eine so grosse Anziehungskraft für eine breite Öffentlichkeit aus wie eine Fussball-WM. Welche drei Begriffe verbinden Sie spontan mit der WM in Brasilien, die am 12. Juni beginnt?

Eine unglaubliche Fussballbegeisterung, ernstzunehmende soziale Probleme und eine riesige Marketingveranstaltung.

Wie vor jedem Grossevent wird im Vorfeld in erster Linie Kritik laut. Kritik am Veranstalterland, welches Milliarden in die Infrastruktur steckt, statt die Armut, fehlende Bildung und Kriminalität zu bekämpfen. Kritik aber auch an der FIFA, die Milliarden kassiert.  Wieso engagieren sich trotz der nicht enden wollenden Negativschlagzeilen so viele Sponsoren im Umfeld sportlicher Grossevents?

Weil eine Fussball-Weltmeisterschaft – trotz aller problematischer Begleiterscheinungen – für Unternehmen immer noch eine grosse Chance ist, sich in einem höchst emotionalen Umfeld und mit vielen Aktivierungsmöglichkeiten der globalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Fussball-WM garantiert eine weltweite Aufmerksamkeit und hohe mediale Reichweiten – davon wollen die werbetreibenden Unternehmen profitieren. Ein WM-Sponsorship ist für die Sponsoren zuallererst ein Marketinginvestment, das sich im Idealfall mit einem hohen Return on Investment auszahlen soll.

In Fällen wie Katar 2022 verstummt die Kritik seit der Vergabe nicht, rund ein Jahrzehnt vor dem eigentlichen Turnier. Oder 2018 findet die WM in Russland statt. Wie riskant kann es werden, in Zukunft als Sponsor bei einer Grossveranstaltung aufzutreten?

Die Risiken nehmen zu, weil sportliche Grossveranstaltungen zusehends kritischer gesehen werden. Der Glanz, den Fussball-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele jahrzehntelang ausstrahlten, bröckelt immer weiter ab, weil die veranstaltenden Dachorganisationen wie FIFA oder IOC vermehrt den Eindruck erwecken, ihnen ginge es nur um den Profit und nicht um die Gesellschaft an sich. Für offizielle Sponsoren ist das natürlich ein Problem. Vor allem diejenigen, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht stellen. Und dazu gehört, dass man offensichtliche Verfehlungen und Missstände den betreffenden Veranstaltern gegenüber offen und kritisch anspricht.

Viele Sponsoren begründen ihre Sponsorships mit der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, aber wenn es tatsächlich mal um gesellschaftliche Probleme geht – wie beispielsweise beim Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland – dann werden diese Unternehmen auf einmal ganz ganz leise. Und das ist wiederum wenig glaubhaft. Glaubwürdigkeit hingegen ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Sponsoring.

Abgesehen von dieser Problematik kann es im Übrigen für einen WM-Sponsor auch riskant sein, sein Sponsorship aufzugeben. Denn dann sitzt mit grosser Sicherheit der direkte Konkurrent zukünftig im Boot. Ein gutes Marketingfeld überlässt man aber ungerne den Mitbewerbern, also bleibt man Sponsor – trotz aller Widrigkeiten. Und das wissen auch die Organisatoren der sportlichen Grossereignisse. Genau diese Konstellation eröffnet der FIFA und dem IOC eine fast schon monopolartige Verhandlungsmacht.

«Viele Sponsoren begründen ihre Sponsorships mit der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, aber wenn es tatsächlich mal um gesellschaftliche Probleme geht – wie beispielsweise beim Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland – dann werden diese Unternehmen auf einmal ganz ganz leise.»
Prof. Dr. André Bühler, Direktor Deutsches Institut für Sportmarketing

Wie effektiv ist die WM als globale Marketingplattform für die sechs FIFA-Partner wie adidas oder Coca-Cola und die acht WM-Sponsoren wie Budweiser oder McDonalds?

Wie effektiv ein WM-Sponsorship ist, hängt hauptsächlich ab von den jeweiligen Zielen, die der Sponsor mit dem Sponsorship erreichen will. Besteht das Ziel in der Steigerung der Bekanntheit, ist eine Fussball-WM eine unglaublich gute Massnahme. Möchte man durch ein WM-Sponsorship das Image verbessern, kann es aufgrund der kritischen Begleittöne hingegen schwierig werden. Die Effektivität des Kommunikationsinstruments WM-Sponsoring hängt im entscheidenden Masse von der Aktivierung des Sponsorships ab, also was man mit den kommerziellen Rechten, die ein Unternehmen als offizieller WM-Sponsor erworben hat, macht.

Oftmals geben sich Sponsoren mit dem Kauf von Sponsoringrechten zufrieden und vernachlässigen die Aktivierung der Rechte – weil sie es nicht besser können oder weil ihnen das Geld zur Aktivierung fehlt. Das ist vergleichbar mit einem frisch gekauften Ferrari, der dann allerdings nur in der Garage steht weil der Eigentümer nicht weiss, wie man Auto fährt oder kein Geld mehr für das Benzin hat. Man muss mit den Rechten also was machen, sie in die Kommunikation einbinden und mit anderen Kommunikationsmassnahmen verbinden. Die großen WM-Sponsoren machen das hervorragend, das sind Profis.

Die meisten Marken sind schon sehr lange im Fussballbereich engagiert. Wie wichtig ist diese langfristige Verbindung?

Langfristigkeit ist ein wichtiger Faktor für erfolgreiches Sponsoring, weil sich ein Sponsorship – ähnlich wie ein Werbeslogan – erst gegen ganz viele andere Kommunikationsbotschaften durchsetzen muss und es eben sehr lange dauert, bis sich ein Sponsorship in den Köpfen der Menschen nachhaltig festgesetzt hat. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die sich nur kurzfristig und für eine schnelle Bekanntheitsgradsteigerung als Sponsor engagieren. Das sind dann aber kommunikative One-Night-Stands. Die können Spass machen und auch kurzfristigen Erfolg bringen – weitaus langfristiger und auf Dauer erfolgreichere Sponsorships sind jahre- bzw. jahrzehntelange Partnerschaften zwischen Unternehmen und Sportorganisationen.

Muss der Bezug von Marken und Produkten zum Fussball gegeben sein?

Was hat eine braune Brause mit Fussball zu tun? Vordergründig rein gar nichts. Im Gegenteil, der Genuss ist für Profifussballer eher schädlich. Und dennoch ist Coca-Cola eine der Top-Marken, die mit Fussball und Sport in Verbindung gebracht wird. Und warum? Weil Coca-Cola schon seit Jahrzehnten offizieller Partner der Fussball-WM/EM und der Olympischen Spiele ist und sich darüber hinaus bei vielen Fussballklubs als Getränkepartner engagiert. Darüber hinaus aktiviert Coca-Cola seine Sponsorships hervorragend, sei es mit Werbespots, Gewinnspielen oder speziellen Getränkedosen, die das jeweilige Sponsorship als Thema aufgreifen. Der originäre Bezug der Marke zum Fussball muss also nicht immer vorhanden sein und ist im Allgemeinen auch nicht vorhanden. Es kommt nur darauf an, was man aus dem Sponsorship macht und wie man das Thema bespielt.

«Fakt ist , dass der Kampf zwischen den Ausrüstern mindestens so hart geführt wird wie das Spiel auf dem Platz.»

Grossereignisse wie eine Fussball-WM mit ihrer von der FIFA begrenzten Zahl offizieller Sponsoren sind ideale Spielfelder für Ambush-Marketing. Nichtberücksichtigte Konkurrenten wie Nike oder Pepsi, aber auch viele andere Unternehmen wollen vom Erfolg des Sponsoring von Sport-Events profitieren, ohne die spezifischen Pflichten eines offiziellen Sponsors einzugehen. Welche Entwicklungen waren in diesem Bereich an letzten Grossevents festzustellen?

Die Rechteinhaber – also im Fall der Fussball-WM die FIFA – geht immer konsequenter gegen Ambusher vor. Das IOC hat bei den Olympischen Spielen in London 2012 sogar eine eigene Ambush-Polizei im Einsatz gehabt, die nach Verstössen gesucht und sie geahndet haben. Dadurch sollten die offiziellen Sponsoren, die viel Geld für die Rechte bezahlen, geschützt werden. Ich kann diese Beweggründe nachvollziehen, allerdings gehen mir die Massnahmen der FIFA und des IOC zu weit.

Bei der letzten WM in Südafrika wurde ein eigenes Ambush-Gesetz erlassen, dass der FIFA die strafrechtliche Verfolgung von Ambushern erleichtern sollte. Infolgedessen wurden einige weibliche Fussballfans aus Holland festgenommen, weil sie orangefarbene Kleider mit dem Logo der Bavaria Brauerei im Stadion trugen. Das war natürlich eine klare Ambush-Marketing-Kampagne, die aber nie zu dem öffentlichen Aufsehen und damit auch zu der öffentlichen Aufmerksamkeit für den Ambusher geführt hätte, wäre die FIFA da einfach cool geblieben. Ich persönlich freue mich auf weitere kreative Ambush-Marketing-Aktionen bei der diesjährigen WM in Brasilien.

Gerade unter den Ausrüstern tobt eine heftige Rivalität. Ist zum Beispiel Nike, das an der WM mehr Teams ausrüstet als adidas oder Puma, vielleicht gar nicht so unglücklich, sich ohne die Vorgaben der FIFA seinem Zielpublikum präsentieren zu können?

Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich die Befindlichkeiten von Nike nicht kenne. Fakt ist allerdings, dass der Kampf zwischen den Ausrüstern mindestens so hart geführt wird wie das Spiel auf dem Platz. Natürlich hoffen die Ausrüster, dass die von ihnen ausgerüsteten Teams so weit wie möglich kommen. Ein Weltmeister im Nike-Shirt wäre für Nike natürlich eine Steilvorlage für die Kommunikation und gleichzeitig eine kommunikative Niederlage für adidas oder Puma.

Wie unterscheidet sich die Vermarktung von Nationalteams von derjenigen einzelner Klubs wie Barcelona, Real Madrid, Manchester United oder Bayern München, die ja für sich eigentliche Brands sind?

Eine Fussball-Weltmeisterschaft findet nur alle vier Jahre statt, dafür ist eine globale Aufmerksamkeit garantiert. Bei Vereinsmannschaften herrscht eher das Tagesgeschäft vor. Siege sind da schnell wieder vergessen, zugleich haben Vereinsmannschaften auch die Chance, eine Niederlage relativ schnell wieder zu korrigieren. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Vermarktung, die viel abhängiger vom aktuellen sportlichen Erfolg ist als bei Nationalmannschaften, die nur alle zwei Jahre ein grosses Turnier bestreitet. Ich glaube, die Vermarktung eines Vereins ist zum einen einfacher, weil man an mehr Stellschrauben drehen kann – und zum anderen schwieriger, weil es komplexer ist als bei einer Nationalmannschaft.

«Natürlich lebt der Fussball von seinen Stars – viel wichtiger ist allerdings der sportliche Erfolg des gesamten Teams.»

Wie wichtig sind einzelne Superstars wie Ronaldo, Messi oder Neymar für die Vermarktung eines Nationalteams einerseits, der WM insgesamt andererseits?

Da ist eine Fussball-WM durchaus vergleichbar mit Hollywood-Filmen. Welche Filme ziehen mehr Besucher ins Kino – die mit vielen Stars oder die mit unbekannten Schauspielern? Natürlich lebt der Fussball von seinen Stars – viel wichtiger ist allerdings der sportliche Erfolg des gesamten Teams. Und ob sich der sportliche Erfolg einstellt, hängt nicht nur von der Tagesform der Stars sondern auch von den restlichen Teammitgliedern ab.

Ein Ronaldo oder ein Messi sind seit Jahren die globalen Superstars ihres Sports. Wie sehr ist deren persönliche Vermarktung überhaupt vom Abschneiden der Nationalteams abhängig?

Grundlage für die Vermarktung von Sportlern ist deren individueller sportlicher Erfolg, aber auch deren Bedeutung für das Team. Dennoch ist die Vermarktbarkeit dieser Superstars ein stückweit unabhängig vom Erfolg des Nationalteams. Messi beispielsweise hat in den letzten Jahren nicht besonders viel Erfolg mit der argentinischen Nationalelf gehabt und auch selten gut gespielt im Trikot seines Landes. Dennoch ist er unbestritten einer der Superstars des Weltfussballs.

Zum Schluss noch eine reine Sportfrage: Welche Teams erwarten Sie am 13. Juli im Endspiel in Rio de Janeiro?

Ich hoffe auf das deutsche Team, weil ich dann das WM-Finale live im Maracanã-Stadion verfolgen kann. Ich befürchte allerdings, dass die Deutschen im Viertelfinale rausfliegen, eine Runde später trifft es dann die Brasilianer, die am riesigen Erwartungsdruck im eigenen Land scheitern werden. Weltmeister wird Argentinien, die im Finale gegen die Engländer gewinnen! Selbstverständlich wird natürlich alles anders kommen, deshalb ist der Fussball ja so spannend.

Herr Bühler, ganz herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:
André Bühler ist Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er leitet das Deutsche Institut für Sportmarketing zusammen mit Prof. Dr. Gerd Nufer.

Porträt

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