Europäische Bankenindustrie im zweiten Jahr der Erholung

Europäische Bankenindustrie im zweiten Jahr der Erholung
(Bild: © styleuneed - Fotolia.com)

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Zürich – Roland Berger Strategy Consultants hat die Ergebnisse der 100 bedeutendsten europäischen Banken untersucht. Die Strategieberater haben fünf Prioritäten auf der Agenda der CEOs europäischer Banken ausgemacht. Bei den Schweizer Banken liegt der Fokus darüber hinaus noch verstärkt auf der Transformation der Geschäftsmodelle an die neue Regulierungs-Realität.

Die wichtigsten Erkenntnisse über die Lage der europäischen Bankenindustrie:

  • Europäische Banken haben sich weiter bemüht, ihre Bilanzen – gemäss den Anforderungen von Basel III und in Vorbereitung auf das Comprehensive Assessment (CA) der EZB – zu stärken. Im Jahr 2013 wurden Schulden im Umfang von 7% der Aktiva reduziert (Deleveraging) und 38 Mrd. EUR Eigenkapital aufgebaut. Damit konnte die Branche ihre Tier 1-Quote 2013 auf 16% erhöhen. Roland Berger erwartet für 2014 einen weiteren Eigenkapitalanstieg von 60 Mrd. EUR.
  • Aufgrund der Bilanzverkürzungen bei Banken stieg der Marktanteil der Nichtbanken bei der Finanzierung der europäischen Wirtschaft von 2008 bis 2013 von 29% auf 38%.
  • Die Erträge des europäischen Bankensektors blieben im Jahr 2013 – trotz der Bilanzverkürzungen – nahezu unverändert (gegenüber einem Rückgang von 2,5% im Jahr 2012). Der Vorsteuergewinn der Branche stieg, vor allem dank des inländischen Privatkundengeschäfts, wieder auf 60 Mrd. EUR. Nach einem unbefriedigenden 2012 wurde damit wieder das Gewinnniveau von 2011 erreicht.
  • Die Eigenkapitalrendite (ROE) ist mit 4% weiterhin deutlich zu niedrig. Gemäss Robert Buess, Partner und Financial Services-Experte bei Roland Berger in Zürich, sollte die Eigenkapitalrendite nachhaltig bei mindestens 8-10% liegen. Die 10 bedeutendsten US-Banken erzielen 9% ROE, und im Schnitt liegen die Marktbewertungen aller US-Banken um 30% höher.
  • Die CEOs der europäischen Banken müssen laut dem Strategieberater wieder strukturelle Rentabilität aufbauen, um stabile Gewinne bei vorhersehbarem Risikoprofil zu erzielen. Robert Buess fügt an: „Der Fokus bei Schweizer Banken liegt aktuell auf der Transformation der Geschäftsmodelle an die neue Regulierungs-Realität sowie nachhaltiger Anpassungen der Kostenbasis. Verschiedene Banken befassen sich bereits wieder mit der Erschliessung neuer Ertragsquellen.»

Gemäss Roland Berger Strategy Consultants müssen die CEOs europäischer Banken folgende Prioritäten verfolgen:

  1. Abschliessen der Bilanzanpassungen: Das Comprehensive Assessment (CA) der EZB wird ein bedeutender Meilenstein sein, zu zeigen, dass sich die europäische Bankenindustrie von gefährlich unterkapitalisiert zu gut kapitalisiert entwickelt hat. Die Restrukturierung der Bilanzen wird 2014 bei einigen Banken weitergehen. Die zentrale Herausforderung dieser von der EZB zum ersten Mal absolvierten Übung besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Gewährleisten der Robustheit des Bankensystems und der Deckung des Finanzierungsbedarfs der europäischen Wirtschaft zu finden.
  2. Bereitschaft zur sanften Entkopplung von staatlichem Risiko und Bankenrisiko: Die jüngste Belastung der Bankbilanzen durch Staatsschulden könnte in einigen Regionen noch zu Spannungen bei der Finanzierung führen, dürfte aber nicht mehr den Bankensektor destabilisieren. Doch die Refinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt ab, und Regierungen planen den Verkauf von Bankaktien. Die sanfte Entkopplung von staatlichem Risiko und Bankenrisiko wird weiter voranschreiten.
  3. Erhöhte Disziplin in der Wirksamkeit von Kostensenkungen und Aufbau einer Kultur der Effizienz und Sparsamkeit (Frugality): Viele Bankchefs glauben, dass sie ihren Organisationen strenge Kostendisziplin verordnet haben. Doch die Banker müssen ihre Fähigkeit verbessern, dass die Kosteneinsparungen in ihrer Erfolgsrechnung auch wirklich ankommen. Aus anderen Branchen erkennt man sich ähnelnde Muster der Effizienz und Sparsamkeit: radikale Vereinfachung, Modularisierung, Ausgliederungen und Kooperationen. Es geht also nicht um weitere Kostensenkungsübungen, sondern um eine Veränderung der Spielregeln zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
  4. Mut zu «First Mover»-Innovationen: Innovation wird für die Bankenindustrie eine Triebkraft des Wachstums sein. Banker müssen verstehen, dass Innovation nicht gleichzusetzen ist mit der Entwicklung neuer Produkte oder der Digitalisierung von Geschäftsmodellen. Top-Manager dürfen nicht mehr glauben, dass das Bankwesen eine Branche ist, in der man besser als «Follower» agiert denn als «First Mover».
  5. Schwellenländer wieder ins Visier nehmen: Die Geschichte internationaler Banken in den vergangen Jahren war bis auf wenige Ausnahmen von Rückzug gekennzeichnet. Auf der Suche nach neuen Wachstumschancen sollten Banken wieder über Möglichkeiten nachdenken, über Allianzen und Partnerschaften Zugang zum wachsenden Pool von Gewinnen in den Schwellenländern zu erhalten.

(Roland Berger Strategy Consultants/mc/pg)

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