Ukraine-Krise: Druck auf Moskau wächst massiv

Ukraine-Krise: Druck auf Moskau wächst massiv
Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. (Foto: The Presidential Press and Information Office)

Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. (Photo: the Presidential Press and Information Office)

Moskau / Kiew / Brüssel – Der Druck auf Moskau wächst weiter – nicht nur im Konflikt um die Ukraine. Die 28 EU-Regierungen beschlossen am Donnerstag die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Moskau offiziell. Zudem sieht sich Moskau nun binnen weniger Tage zum zweiten Mal im Zusammenhang mit der Zerschlagung des früheren russischen Ölkonzerns Yukos mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe konfrontiert. Die benachbarte Ukraine griff am Donnerstag zu drastischen Massnahmen: Die Bürger werden nun für den blutigen Konflikt im Osten des Landes zur Kasse gebeten. Nach langem Zögern beschloss das Parlament in Kiew eine umstrittene Kriegssteuer.

In der weissrussischen Hauptstadt Minsk berieten Vertreter der prowestlichen ukrainischen Führung sowie Separatisten unter Vermittlung der OSZE über die Krise im Land. An den Gesprächen nahm auch der Moskauer Diplomat Michail Surabow teil, wie Medien in der autoritären Ex-Sowjetrepublik berichteten. Unklar war zunächst, ob die prorussischen Separatisten einen Vertreter entsandt hatten oder per Videokonferenz zugeschaltet waren. Die Teilnehmer hätten sich darauf verständigt, den Ermittlern einen sicheren Korridor zum Absturzort von Flug MH17 zu gewährleisten, hiess es.

Bewaffnete Kräfte aus Australien und den Niederlanden am Absturzort
Die Ukraine gestattete Australien und den Niederlanden, bewaffnete Kräfte an den Absturzort zu entsenden. Beide Länder dürften insgesamt 950 Soldaten und Ermittler zeitweise in Grabowo stationieren. Zwei Wochen nach dem Absturz sind noch immer nicht alle Opfer geborgen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bekräftigte nach Gesprächen mit seinem malaysischen Amtskollegen Najib Razak, dass die Bergung der restlichen Opfer absolute Priorität habe.

Nach tagelangen vergeblichen Versuchen erreichten Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) gemeinsam mit einigen niederländischen und australischen Experten das Absturzgebiet des malaysischen Passagierflugzeugs. Dort kam es nach Angaben der russischen Staatsagentur Ria Nowosti am Donnerstag erneut zu Gefechten zwischen der Armee und den Separatisten.

Umstrittene Kriegssteuer 
Mit der neuen Kriegssteuer will die Ukraine die umstrittene «Anti-Terror-Operation» im Osten des Landes finanzieren. Die Abgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land soll bis zum 1. Januar 2015 gelten. Noch vor einer Woche lehnten die Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges ab. Deshalb erklärte Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt.

Die Finanzierung des Bürgerkrieges kostet das klamme Land aktuell umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag. Die Freigabe frischen Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für seinen Verbleib im Amt genannt. Das Parlament sprach ihm nun das Vertrauen aus.

Wirtschaftssanktionen gegen Russland
Auch das benachbarte Russland dürfte der Ukraine-Konflikt teuer zu stehen kommen. Mit den Strafmassnahmen, die die EU am Donnerstag in einem schriftlichen Verfahren billigte, soll Russlands Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Kernstück der Wirtschaftssanktionen ist eine Behinderung des Zugangs fünf grosser russischer Banken zu den für Moskau wichtigen Kapitalmärkten der EU.

Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung. Die ersten Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland in der Ukraine-Krise waren bereits am Dienstag von den EU-Botschaftern vereinbart worden. Sie treten am Freitag in Kraft.

Russland erneut zu milliardenschwerer Entschädigung verurteilt
Teuer werden könnte für Moskau auch die Zerschlagung des früheren Yukos-Konzerns Anfang des Jahrtausends. Der russische Staat und Gerichte hatten dem früheren Yukos-Eigner und einst reichsten russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski sowie mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen.

Am Donnerstag wurde Russland zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wegen seines Vorgehens gegen Yukos zu einer Milliardenentschädigung verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg sprach den früheren Aktionären eine Entschädigung in Höhe von knapp 1,9 Milliarden Euro zu. In Strassburg wurden Fehler im russischen Steuerverfahren gegen Yukos geahndet.

Erst am Montag hatte der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag Russland eine Rekordentschädigung von gut 37 Milliarden Euro abverlangt. Die Auflösung von Yukos sei politisch motiviert gewesen, hiess es in dem Schiedsspruch. Im Gegensatz dazu sehen die Strassburger Richter aber keinen politischen Zusammenhang hinter der Yukos-Zerschlagung. Das russische Justizministerium kritisierte das Urteil als «ungerecht» und Beispiel für eine «parteiische Herangehensweise». Russland will beide Urteile juristisch anfechten.

Fall Litwinenko soll neu aufgerollt werden
Für Aufmerksamkeit sorgte in Moskau auch die Wiederaufnahme der Untersuchung des aufsehenerregenden Giftmordes an dem Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko in London. Das Verfahren, über das das russische Staatsfernsehen am Donnerstag berichtete, soll vor allem die Rolle Russlands in dem Fall beleuchten. Der ehemalige KGB-Agent war 2006 mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet worden. Zuvor hatte er in einem Londoner Luxushotel mit zwei ehemaligen Kollegen Tee getrunken. (awp/mc/ps)

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