Schweizer Städte: Altern der Bevölkerung zwingt zum Handeln

Schweizer Städte: Altern der Bevölkerung zwingt zum Handeln

Bern – Die Schweizer Städte bereiten sich intensiv auf die demografischen Veränderungen der kommenden Jahre vor. Die Alterung der Gesellschaft wird sie aber dennoch vor grosse Herausforderungen stellen, dies zeigt eine Studie des Schweizerischen Städteverbandes. So sind etwa die Demenz oder die Gefahr der Vereinsamung von Betagten Themen, denen sie sich zuwenden müssen. Hierzu brauchen sie auch die Unterstützung von Bund und Kantonen.

Die Schweizer Bevölkerung altert. 2030 wird jede vierte Person in der Schweiz über 65 Jahre alt sein. Auf diese demografischen Umwälzungen zu reagieren, wird für die Städte und Gemeinden zu einer komplexen Aufgabe. Kurt Fluri, Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Städteverbandes (SSV) sprach an der Medienkonferenz vom Montagmorgen in Bern gar von «einer der grössten Herausforderungen der kommenden Jahre, die die Städte zu bewältigen haben». Eine Studie des Schweizerischen Städteverbandes hat nun zum einen die strukturelle Zusammensetzung der über 65-jährigen Bevölkerung in den Städten untersucht und die alterspolitischen Strategien und Leitbilder seiner Mitglieder ausgewertet.

Älter, multikultureller und oft alleinstehend: Die Betagten in den Schweizer Städten
Die statistischen Analyse zeigt die markante Zunahme der betagten Bevölkerung, wobei insbesondere der Anteil der über 80-Jährigen deutlich ansteigen wird – gesamtschweizerisch um 80 % bis 2030. «Die Städte werden sich in Zukunft oft um sehr alte Menschen kümmern müssen», erklärte Esther Rickenbacher, Stadträtin und Gesundheitsvorsteherin der Stadt Uster. Damit einher gehe etwa eine grössere Nachfrage nach Pflegeplätzen und Pflegeleistungen. In ihrer Stadt sei die Spitex in den letzten Jahren rasant gewachsen, so Rickenbacher. 2013 seien für rund 600 Personen Pflegedienstleistungen erbracht worden. Bei den Hochbetagten zeigen die statistischen Prognosen zudem eine weitere Problematik: Die Zahl der Demenzkranken wird in den nächsten Jahren ebenfalls markant zunehmen.

Die statistische Erhebung verdeutlicht auch, dass sich die Städte künftig auf eine kulturell stärker durchmischte Bevölkerung vorbereiten müssen. In den nächsten Jahren wird die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer im Pensionsalter ansteigen. Zudem gilt es, der Vereinsamung vorzubeugen: In den Städten lebt heute die Hälfte aller über 80-jährigen Frauen alleine.

Wo wohnen im Alter?
Die Fachleute in den Städten haben sich den verschiedenen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung stellen, bereits intensiv zugewandt. In vielen Städten sind Strategien und Leitbilder für die Alterspolitik entstanden. Deren Auswertung zeigt, wo die Städte den grössten Handlungsdruck sehen. Am häufigsten genannt wird in den politischen Grundlagenpapieren die Bereitstellung von bezahlbarem und altersgerechtem Wohnraum. Insbesondere in den grossen Städten sei der Wohnungsmarkt angespannt, was die Suche nach günstigen Wohnungen erschwere, erklärte François Genoud, Stadtpräsident von Sierre. Zudem sei das Thema Wohnen von Bedeutung, weil neue Wohnformen helfen könnten, dem Problem der Vereinsamung im Alter vorzubeugen. In guten Alterswohnungen könnten Betagte zudem länger selbstständig leben statt in ein Heim umzuziehen. Beim Thema der Heime und Alterszentren betrifft das «Wohnen» die Städte aber auch sehr direkt. Viele Gemeinden betreiben eigene Heime. Diese müssen saniert werden und es sind Neubauten nötig, es werden grosse Investitionen notwendig.

Im Fokus der Städte steht aber nicht nur die Wohnpolitik: Alterspolitik sei für die Städte gerade deshalb ein komplexes Thema, weil sie nahezu alle öffentlichen Aufgabenbereiche betrifft, erklärte Genoud. «Es gibt fast keinen Bereich städtischer Politik, der nicht mit Fragen ums Alter konfrontiert ist: Die demografische Entwicklung betrifft die Städteplanung, den Verkehr, das Soziale und auch das Sportangebot, – um nur ein paar Bereiche zu nennen.» Gerade weil die Alterspolitik in den Städten derart grosse und vielseitige Auswirkungen hat, werde nun eine breite Diskussion auf allen politischen Ebenen angestossen werden müssen, so Genoud. «Es werden grosse gesellschaftliche Diskussionen auf uns zukommen: Wie sind beispielsweise das Ziel eines selbstbestimmten Lebens und die Zwänge der Wirtschaftlichkeit einander gegenüberzustellen? Ein autonom gestalteter Alltag für Betagte ist nicht ohne finanzielle Mittel zu haben.»

Altersthematik muss auf die Bundespolitische Agenda
Alexander Tschäppät, Nationalrat und Stadtpräsident Berns forderte, dass die Alterspolitik auch auf Bundesebene ein grösseres Gewicht bekommt. Als Beispiel dafür, wie bundespolitische Entscheide die Städte betreffen, nannte er das Reformvorhaben der Altersvorsorge 2020. Änderungen im Sozialversicherungssystem oder in der Finanzierung von Pflege und Gesundheit hätten oft unmittelbare finanzielle Folgen auf Gemeindeebene. «So führen beispielsweise die Änderungen bei der Pflegefinanzierung zu erheblichen Kostensteigerungen für die Städte und Gemeinden», so Tschäppät. Bei grossen Reformen wie der Altersvorsorge sei es deshalb notwendig, dass der Bund eine Gesamtschau vornehme, welche die Situation der Städte miteinbeziehe. Weiter forderte der Berner Stadtpräsident, dass der Bund Städte und Gemeinden insbesondere in der Wohnpolitik zugunsten der Betagten unterstützt. Zudem regte er die Gründung einer neuen Eidgenössischen Kommission für Generationen- und Altersfragen an, welche die Arbeit zu politischen Fragen, die sich in Zusammenhang mit einer alternden Gesellschaft stellen, vorantreibt. (Städteverband/mc/ps)

 

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