Russland schickt Konvoi eigenmächtig in die Ukraine

Russland schickt Konvoi eigenmächtig in die Ukraine

Donezk – Unter scharfem Protest der Regierung in Kiew ist der russische Hilfskonvoi am Freitag über die Grenze in die Ostukraine gerollt. «Russland hat beschlossen zu handeln», erklärte das Aussenministerium in Moskau. Nach wochenlangem Streit werde man nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der Regierung in Kiew warten. «Alle 280 Lastwagen sind auf die ukrainische Seite gefahren», teilte die russische Zollverwaltung am Nachmittag mit. «Das ist eine direkte Invasion», sagte der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Moskau einen Bruch des Völkerrechts vor. Aussenminister Pawel Klimkin kritisierte den «aggressiven Charakter» des russischen Vorgehens.

Der umstrittene Hilfskonvoi setzte sich nach dem Passieren der Grenze in Richtung der Separatistenhochburg Lugansk in Bewegung. Gegen Abend erreichten die Lastwagen die Stadt und wurden von den Bewohnern freundlich begrüsst. Die militanten Gruppen richteten Medien zufolge mehrere Stellen für die Verteilung der Güter ein. Die Grossstadt mit mehr als 200’000 Einwohnern ist nach Darstellung der örtlichen Behörden seit fast drei Wochen ohne Strom und Wasser.

Fehlende Sicherheitsgarantien für das IKRK
Russland hatte ursprünglich eingewilligt, die Leitung des Konvois dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zu übergeben. Das IKRK wollte aber nicht ohne Sicherheitsgarantien der Ukraine losfahren. Die Führung in Kiew verweigerte Garantien mit Hinweis darauf, dass das Gebiet zwischen der Grenze und Lugansk von Aufständischen kontrolliert werde.

Die Kolonne mit rund 2000 Tonnen Lebensmitteln war am 12. August in Moskau losgefahren und hatte danach tagelang an der Grenze gestanden. Von ukrainischer Seite war anfangs der Verdacht geäussert worden, in den Lastwagen könnten auch Waffen für die Separatisten versteckt sein.

Merkel reist nach Kiew
Am Samstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kiew erwartet. Merkel reist erstmals seit Beginn der Krise Ende 2013 in die Ukraine. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert erwägt die Bundesregierung weitere Hilfen für das Land. Es werde geprüft, ob und in welchem Masse Deutschland Beiträge zum Wiederaufbau leisten könne, sagte Seibert am Freitag in Berlin. Aussenminister Pawel Klimkin hatte sich zuvor im ZDF in Anspielung auf das US-Programm zum Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg (Marshall-Plan) für einen «Merkel-Plan» und Hilfen der EU ausgesprochen.

Merkel will bei ihrem Besuch in Kiew mit Präsident Poroschenko Wege zu einem Waffenstillstand im Osten des Landes erörtern. Zudem ist ein Gedankenaustausch mit den Bürgermeistern von Kiew, Donezk und Lwiw (Lemberg) sowie einem Vertreter der Krim-Tataren geplant. Die Schwarzmeerhalbinsel Krim war im Frühjahr von Russland annektiert worden. (awp/mc/pg)

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