Eternit-Prozess: Freispruch für Dr. Stephan Schmidheiny

Eternit-Prozess: Freispruch für Dr. Stephan Schmidheiny

Dr. Stephan Schmidheiny

Zürich – Das oberste italienische Gericht in Rom, der Corte Suprema di Cassazione, hat gestern Abend das Urteil des Turiner Appellationsgerichts vom Juni 2013 aufgehoben und Dr. Stephan Schmidheiny vom Vorwurf der vorsätzlichen Verursachung eines bis heute andauernden Desasters in vier Standorten der italienischen Eternit SpA freigesprochen. Das Gericht folgte damit den Argumenten seiner Anwälte: Stephan Schmidheiny war weder je operativ in der Geschäftsleitung noch im Verwaltungsrat der italienischen Eternit SpA tätig.

Die von ihm geführte Schweizerische Eternit-Gruppe SEG war in der 80-jährigen Firmengeschichte der börsenkotierten italienischen Eternit SpA bloss während rund 10 Jahren grösster Einzelaktionär. In dieser Zeit zog die SEG nie einen Gewinn aus ihrer Beteiligung; vielmehr ermöglichte sie der italienischen Eternit SpA via Aktionärsdarlehen und Kapitalerhöhungen massive Investitionen von damals 75 Milliarden Lire in die Erhöhung der Sicherheit. Stephan Schmidheinys verantwortungsvolles industrielles Wirken hat Tausende von Menschen vor einer Asbesterkrankung bewahrt.

«Keine Strafe ohne Gesetz»
Mit diesem Urteil der obersten italienischen Richter ist nun erwiesen, dass der Eternit-Prozess in Turin sowohl das Recht auf ein faires Verfahren gemäss Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK als auch den Grundsatz «keine Strafe ohne Gesetz» gemäss Artikel 7 EMRK mehrfach und massiv verletzt hatte. Bekanntlich führt die Turiner Staatsanwaltschaft weitere Strafuntersuchungen gegen Stephan Schmidheiny durch. Die Verteidigung erwartet, dass der italienische Staat Stephan Schmidheiny nun vor weiteren ungerechtfertigten Strafverfahren schützt und sämtliche laufenden Verfahren einstellen wird.

Stephan Schmidheiny gilt weltweit als Pionier, der Jahre vor staatlichen Verboten möglichst sichere Methoden der Asbestverarbeitung umgesetzt sowie alternative Produkte erforscht und eingeführt hat. Basierend auf seinen unternehmerischen und philanthropischen Überzeugungen kümmert sich Stephan Schmidheiny seit Jahren um die tatsächlichen Opfer der Asbest-Katastrophe in Italien: So bietet er seit 2008 Personen, die von einer Asbesterkrankung betroffen sind, unbürokratisch Entschädigungen an. Inzwischen haben über 1‘500 Personen das Angebot angenommen. Es wurden Entschädigungen von über 50 Mio. Franken ausbezahlt. Stephan Schmidheiny wird dieses humanitäre Programm zu Gunsten der echten Opfer dieser sozialen Tragödie weiter aufrechterhalten.

«Der frühzeitige Ausstieg aus der Asbestverarbeitung war das Wichtigste und Beste ist, was ich als Unternehmer geleistet habe.» Stephan Schmidheiny

Die obersten italienischen Richter haben das Urteil des Turiner Appellationsgerichts unabhängig und unparteiisch geprüft und es auf Basis der italienischen Verfassung und des italienischen Strafgesetzes für ungültig erklärt. Für Stephan Schmidheiny selbst hatte das Eternit-Verfahren nichts mit der Realität zu tun. «Persönlich habe ich die Gewissheit, dass der frühzeitige Ausstieg aus der Asbestverarbeitung das Wichtigste und Beste ist, was ich als Unternehmer geleistet habe.» Italien ist das einzige Land, das zur Bewältigung der Asbest-Katastrophe Strafprozesse gegen Einzelpersonen durchführt. In den meisten anderen Industrieländern, in denen ein Asbest-Verbot gilt, haben der Staat und die Industrie gemeinsam Lösungen gefunden, um die soziale Tragödie zu mildern. Betroffene Personen werden mittels gemeinsamer Programme fair entschädigt und Asbest wird sicher entsorgt.

«Der jahrzehntelange breite Einsatz von Asbest hat zu unvorstellbaren menschlichen Tragödien geführt. Ich bin froh, dass ich den Opfern asbestbedingter Krankheiten und ihren Angehörigen in Italien seit Jahren in wohlwollender Auslegung der Krankheitsbilder und unter Anlegung europäischer Massstäbe finanzielle Hilfe leisten konnte», so Schmidheiny.

Gemeinsame Verantwortung von Industrie, Staatengemeinschaft und Gesellschaft
Stephan Schmidheiny gilt weltweit als Pionier im Umgang mit den Risiken der Asbestverarbeitung. Gegen den Widerstand der Industrie hat er bereits 1976 – kurz nach seinem Amtsantritt als Chef der Schweizerischen Eternit-Gruppe SEG im Alter von 28 Jahren – ein Programm zur Entwicklung asbestfreier Produkte lanciert. Gleichzeitig drängte er darauf, dass die lokal verantwortlichen Manager der Eternit-Fabriken Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer umsetzten. 1981 kündigte Stephan Schmidheiny den Ausstieg aus der Asbestverarbeitung an und bereits ab 1984 wurde ein Grossteil der Eternit-Produkte asbestfrei produziert. Stephan Schmidheiny war damit der Konkurrenz und den meisten staatlichen Vorschriften weit voraus. In der Schweiz wurde die Asbestverarbeitung ab 1990 verboten, in Italien gar erst ab 1992. Die Asbestverarbeitung ist weltweit erst in einem Drittel aller Staaten verboten. Gemäss der WHO arbeiten heute noch weltweit rund 125 Millionen Menschen an asbestexponierten Arbeitsplätzen. Asbest ist ein soziales Problem, bei dem die Industrie, die Staatengemeinschaft und die Gesellschaft in einer gemeinsamen Verantwortung stehen.

Stephan Schmidheiny war weder je operativ in der Geschäftsleitung noch im Verwaltungsrat der italienischen Eternit SpA tätig. Die von ihm geführte SEG hielt einzig eine Beteiligung an der börsenkotierten italienischen Eternit SpA. In der 80-jährigen Firmengeschichte der italienischen Eternit SpA war die SEG bloss zwischen 1973 und 1986 grösster Einzelaktionär. Im Piemont, einem Zentrum der italienischen Asbestverarbeitung, sind Tausende von Familien von den Folgen der Asbestverarbeitung betroffen. Entsprechend aufgeheizt ist das Klima in der Region. Die Richter in Turin sahen sich offenbar dazu gedrängt, einen Schuldigen für diese soziale Tragödie zu finden. In ihren Urteilen konstruierten sie eine eigentliche Verschwörungstheorie und unterstellten Stephan Schmidheiny, er habe die Gefährlichkeit der Asbestverarbeitung in vollem Umfang gekannt. Aus reiner Profitgier habe er eine weltweite Kampagne orchestriert, um die Öffentlichkeit über diese Gefahren zu täuschen. Als «tatsächlich Verantwortlicher» für die italienische Eternit SpA habe er den Tod von Tausenden von Menschen bewusst in Kauf genommen und vorsätzlich ein bis heute andauerndes Desaster produziert. Dieser Sicht sind die Kassationsrichter nun nicht gefolgt.

«Der jahrzehntelange breite Einsatz von Asbest hat zu unvorstellbaren menschlichen Tragödien geführt.»

Tatsache ist, dass Stephan Schmidheiny 1969 – im Alter von 22 Jahren – ein Praktikum bei der Eternit Brasilien absolvierte und sich zum Schichtführer ausbilden liess. Dabei war auch er Asbest hautnah ausgesetzt. Bis zu den staatlichen Verboten galt in der Asbestverarbeitung der Standard des «sicheren Gebrauchs». Dieser Standard des «safe use» wurde damals auch von der Weltgesundheitsbehörde WHO, der internationalen Arbeitsorganisation ILO und der Europäischen Union mitgetragen. In der SEG wurde dieser Standard rigoros umgesetzt. Demgegenüber hatten die italienischen Behörden zu dieser Zeit keinerlei Regeln zum Umgang mit Asbest erlassen. Italien setzte erst 1991 die EU-Asbest-Richtlinien von 1983 um (Anordnung von höchstzulässigen Asbestfaser-Konzentrationen in Industrieanlagen), d.h. acht Jahre nach deren Verabschiedung.

Tatsache und vor Gericht unbestritten ist auch, dass die SEG in der «Schweizer Periode» (1973-1986) nie einen Gewinn aus der italienischen Eternit SpA gezogen hatte. Vielmehr wurde massiv investiert: Die SEG ermöglichte der italienischen Eternit SpA via Kapitalerhöhungen und Aktionärsdarlehen enorme Investitionen von 75 Milliarden Lire – rund 300 Mio. Franken heutigen Geldwerts – unter anderem in die Verbesserung der Arbeitsplatzsicherheit. Dies ermöglichte auch das Einhalten von international anerkannten Sicherheitsstandards, die weit über das gesetzlich festgelegte Mass hinausgingen. Dadurch sanken bei der italienischen Eternit SpA die Staubbelastung und die Anzahl der Erkrankungen drastisch. Auf Grund der grossen Investitionen in die Sicherheit geriet die italienische Eternit SpA jedoch gegenüber anderen Asbestverarbeitern, die diese Sicherheitsstandards nicht einhielten und billiger produzierten, ins Hintertreffen und ging 1986 in Konkurs.

Weitere Strafuntersuchungen der Turiner Staatsanwaltschaft
Bekanntlich führt die Turiner Staatsanwaltschaft weitere Strafuntersuchungen gegen Stephan Schmidheiny durch. Das Verfahren «Eternit bis», bei dem es um asbestbedingte Todesfälle von ehemaligen Arbeitnehmern und Anwohnern der italienischen Eternit SpA seit 2008 geht, steht gemäss Angaben der Staatsanwaltschaft kurz vor der offiziellen Anklageerhebung. Die Verteidigung erwartet, dass der italienische Staat Stephan Schmidheiny nun vor weiteren ungerechtfertigten Strafverfahren schützt und sämtliche laufenden Verfahren einstellen wird. (Schmidheiny/mc/hfu)

 

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