Marco Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie

Marco Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie

Marco Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie. (Foto: zvg)

von Helmuth Fuchs

Moneycab.com: Banque Cramer hat im Mai 2014 das Schweizer Geschäft der Valartis Bank übernommen, inklusive der Valartis Wealth Management, im Jahr zuvor schon die Banque de Dépôts et de Gestion SA. Geht es in diesem Rhythmus weiter?

Marco Netzer: Nach einer ersten Bankakquisition im 2009 haben das Aktionariat (Norinvest Holding) und die Banque Cramer zuerst die strategische Orientierung und Positionierung definiert und danach die für weitere Übernahmen notwendige operationelle Struktur aufgebaut. Dank diesen unerlässlichen Voraussetzungen konnte Banque Cramer innerhalb nur 9 Monaten zwei Banken übernehmen und diese mit einem jeweils nur 3 monatigen Projekt vollständig integrieren, sowohl auf geschäftlicher als auch auf operationeller Ebene. Es ist unsere Absicht, weitere Akquisitionen zu tätigen. Ob im gleichen Rhythmus und in welchem Umfang hängt von den jeweiligen Opportunitäten im Markt und dem Mehrwert zukünftiger Übernahmen ab. Natürlich müssen wir auch den nötigen Zeitrahmen aufbringen können, um diese zu konsolidieren.

Viele Finanzinstitute stöhnen über die zunehmende Regulierung, welche vor allem die kleinen Banken übermässig belastet. Wie gehen Sie damit um, welche Rolle spielte die Regulierung in Ihren Übernahmeszenarien?

Die aktuelle und zukünftige Regulierungsflut hat tatsächlich eine Dimension erreicht, die vor nur 5 Jahren schwer vorauszusehen war. Bei der Beurteilung von Übernahmeszenarien spielt deshalb die Regulierung eine grosse Rolle. Man muss sich stets bewusst sein, was für Dienstleistungen man wo und wie erbringen will. Fokussierung der Geschäftstätigkeiten und die Verfügbarkeit von zusätzlichem Fachwissen sind deshalb die Schlüsselkriterien.

«Die aktuelle und zukünftige Regulierungsflut hat tatsächlich eine Dimension erreicht, die vor nur 5 Jahren schwer vorauszusehen war.»
Marco Netzer, Chairman Banque Cramer

Ein weiterer Aspekt, der vielen kleinen Instituten zunehmend Mühe bereitet, sind die wachsende Komplexität und Herausforderung sowie steigende Kosten für Informatik und Backoffice-Prozesse. Wie haben Sie das für die Banque Cramer gelöst?

Wir haben, wie erwähnt, zuerst stark an unserer operationellen Struktur gearbeitet und diese völlig neu konzipiert. Durch die Auslagerung der Backoffice-Prozesse und der Informatik an die BPO Spezialistin B-Source, wurde diese neu „aufgebaut“. Dank der Auslagerung, der für eine Bank immer komplexer werdenden und nicht mehrwertbringenden Prozesse, konnten wir im April 2012 zudem mit B-Source und der Bank Vontobel die erste Banking-Hub Plattform für Street-Side-Services in der Schweiz „taufen“ und betreiben. Stichwort für unsere Lösung: Auslagerung an spezialisierte Partner  derjenigen Prozesse, die nicht zu unseren Kernkompetenzen gehören, jedoch oft mit nicht zu unterschätzenden Rest- und Entwicklungsrisiken behaftet sind.

2010 haben Sie sich nach einer umfassenden Analysephase für eine Auslagerung der IT und ausgewählter Business-Prozesse zu B-Source entschieden, um mehr Flexibilität im Kerngeschäft zu erreichen. Inwieweit hat sich die Absicht auch in den Übernahmen erfüllt?

Die Absichten haben sich voll und ganz erfüllt. Die Bank, die Geschäftsleitung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich vollumfänglich auf die Qualität der Bank-Produkte sowie die Bank-Dienstleistungen konzentrieren und sich vor allem den Kunden widmen. Die Prozess- und Entwicklungsrisiken haben wir an B-Source „ausgelagert“, für welche Business Process Outsourcing eben das Core-Business ist. Wichtig ist die gute Zusammenarbeit mit den Partnern, und dafür benötigt man natürlich auch intern die notwendigen Schlüsselkompetenzen.

Gerade bei Übernahmen können verschiedene Informatik-Plattformen ganze Projekte zum Scheitern bringen. Im Falle der Valartis-Übernahme war die ganze Geschichte in wenigen Monaten über die Bühne. Was hat diese Geschwindigkeit ermöglicht?

Diese Geschwindigkeit wurde dank 3 Faktoren ermöglicht:

  • Ein klares Konzept mit solider Projektführung und einer im Voraus mit der zu  übernehmenden Bank identifizierte Geschäftsarchitektur.
  • Erfahrung!
  • B-Source als unser Partner und Beauftragter für die gesamte Migration auf unsere B-Source Master Plattform. Ohne unseren Partner hätten wir dies nie in so kurzer Zeit geschafft.

Somit konnten wir uns vollumfänglich der Integration der Ressourcen, der Produkte und der Konsolidierung des Geschäftsmodells widmen, was bei der im Jahr 2009 getätigten Akquisition nicht der Fall war.

Zu Ihrer Strategie gehört, alle nicht zum Kernbereich gehörenden Kompetenzen von aussen zu beziehen. Ist durch die Übernahmen der letzten Jahre spezielles Wissen dazu gekommen, um die Integration schnell und erfolgreich zu bewältigen, oder beziehen Sie dieses Wissen ebenfalls extern?

Ja, wir glauben, dass dies für eine Privatbank die richtige Strategie ist. Fokussierung auf die Kernkompetenzen einerseits und Auslagerung von Prozessen oder Dienstleistungen, welche nicht zu den Kernkompetenzen gehören, andererseits. Dies umfasst teilweise auch einzelne Gebiete im Bereich Produkte oder Support und Beratung in komplexen Materien, wie Compliance (für komplexe Dossier) oder Steuern. Stichwort: „Assemblage“ vom Besten, zu Gunsten der Kunden und der Dienstleistungen. Im Bereich Integration bei Übernahmen, dank dem Support unseres Partners B-Source und den positiven Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren sammeln konnten, sind wir eigentlich autonom geworden. Und das ist gut: die Integration liegt in der Verantwortung des Übernehmers, und diese soll nicht „ausgelagert“ werden.

«Der Markt für Übernehmende ist also historisch wie zyklisch gesehen interessant und in Bewegung.»

Wie wählen Sie die in Frage kommenden Übernahmekandidaten aus, welche Qualitäten müssen diese haben und wie beurteilen Sie den aktuellen Markt für Übernahmen?

Man sagt, und dies stimmt auch, der Markt wird weiter konsolidieren, vor allem die Sektoren Kleinbanken und schweizerische Töchter von Auslandbanken. Der Markt für Übernehmende ist also historisch wie zyklisch gesehen interessant und in Bewegung. Die Identifizierung von potentiellen Übernahmekandidaten erfolgt über verschieden Schienen: Auktionen, Intermediäre, oft aber auch durch spontane Kontaktaufnahme oder direkte Beziehungen.

Die „Auswahl“ erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen und über verschiedene Kriterien, aber essentiell müssen folgende Aspekte stimmen:

  • Die Übernahme soll Mehrwert bringen im Sinne von Ressourcenkompetenzen und ergänzenden Geschäftsaktivitäten und natürlich Markt- und Produktesynergien schaffen.
  • Die Privatbankkultur soll der unseren ähnlich sein, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des zu übernehmenden Instituts sollen sich in der „grossen Familie“ Banque Cramer wohl fühlen und unsere Werte teilen können, insbesondere den „unternehmerischen Geist“.
  • Das Aktionariat muss voll dahinter stehen.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Auslagerung der IT- und Geschäftsprozesse?

Die Beziehung zu jedem Partner muss kontinuierlich gepflegt werden. Auslagern heisst nicht einfach, die Verantwortung abgeben. Die Erfahrungen sind durchaus positiv. Es ist nicht in erster Priorität eine Frage der Kosten, sondern der Qualität und der Effizienz und nota bene auch der Sicherheit. Wir verfügen mit dem B-Source Master, der auf der Avaloq Banking Suite basiert, über eine moderne und effiziente Plattform. B-Source ist verantwortlich für deren Weiterentwicklung und betreibt die Backoffice-Prozesse. Wir setzen unsere Ressourcen und Kompetenzen zu Gunsten einer optimalen Bank-Dienstleistung für den Kunden ein. Wir können in Rekordzeit Banken übernehmen und integrieren. Und vieles mehr. Also keine Frage. Ich bin nur etwas erstaunt, dass trotz dem seit Jahren andauernden schwierigen Umfeld im Bankensektor, dieser Prozess bei den kleinen und mittelgrossen Banken nicht früher begonnen hat.

Wo sehen Sie in der durch die Globalisierung zunehmend kleiner, jedoch kompetitiver werdenden Welt Chancen für kleine Schweizer Finanzinstitute, wo ist „Swissness“ auch in Zukunft ein gefragter Wert?

„Swissness“ ist und bleibt ein gefragter Wert, trotz den Turbulenzen in den letzten Jahren wegen der Finanzkrise, den begangenen Fehlern, den Steuerdossiers, usw. Wir müssen aber noch mehr und dezidierter auf unsere traditionellen und zukünftigen Werte setzen: Qualität, Präzision, Verlässlichkeit, Diskretion, Performance und eben, Nähe zum Kunden.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Erster Wunsch: Weitere erfolgreiche Übernahmen, rasch und solide integriert.

Zweiter Wunsch: dass im schweizerischen Bankensektor wieder etwas Ruhe einkehrt, zu Gunsten der „Swissness“, des volkswirtschaftlichen Beitrags und des zukünftigen Erfolges.
Privatbanken, zusammen mit ihren „Partnern“ werden auch in Zukunft ihre Rolle spielen und Verantwortung tragen.

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