Athen in akuter Finanznot

Athen in akuter Finanznot

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Athen – Griechenland steht schneller als erwartet vor akuten Zahlungsproblemen. Die Regierung in Athen rief die Rentenkassen und andere öffentliche Institutionen – darunter auch Kliniken – auf, ihre Geldeinlagen an den Staat abzugeben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Auch der kleinste Fehler könnte zum Zahlungsverzug führen und eine Pleite auslösen, hiess es. Auf die Auszahlung von Rettungshilfen der Europartner muss das klamme Land weiter warten. «Wir sind noch einen weiten Weg davon entfernt», sagte ein EU-Verantwortlicher in Brüssel. Rasche Beschlüsse der Eurogruppe seien nicht in Sicht.

Die Euro-Finanzminister werden bei ihrem Treffen am Montag über die Lage in dem Krisenland beraten. Die Kassen in Athen sind inzwischen fast leer. Insgesamt muss Athen im März Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen.

Deutsche Regierung sieht keine Grundlage
Die Bundesregierung dämpfte Erwartungen Griechenlands auf rasche erste Hilfszahlungen der internationalen Geldgeber noch im März. Für mögliche Vorabzahlungen gebe es keine Grundlage, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, in Berlin. Es gebe eine eindeutige Vereinbarung der Eurogruppe, wonach Griechenland bis Ende April ein detailliertes Reformprogramm vorlegen und es bis spätestens Ende Juni abarbeiten müsse. Danach werde die Umsetzung bewertet.

Auch in Brüssel hiess es, vor weiteren Hilfen müsse zunächst eine neue Reformliste von Finanzminister Gianis Varoufakis von den drei Geldgeber-Institutionen überprüft werden. Der griechische Ressortchef habe die Liste mit sechs Reformen an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem geschickt.

Gesprächstermin bleibt offen
Der Eurogruppe fehle ein aktueller Überblick zur Liquiditätslage, da Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ihre Gespräche mit der griechischen Regierung bisher nicht wieder aufgenommen hätten, so der Diplomat. Wann die Institutionen miteinander reden werden, blieb offen. Am Freitag konnte Griechenland trotz Finanznot fristgemäss Schulden an den IWF in Höhe von 310 Millionen Euro zurückzahlen.

Zugleich traf sich der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in Athen mit allen für die Finanzen zuständigen Ministern und Funktionären. Anschliessend beruhigte Zentralbankchef Stournaras die Bevölkerung. «Es gibt kein Problem mit den Geldeinlagen», sagte er. Aus Angst vor einer Pleite hatten viele Griechen in den vergangenen drei Monaten nach Schätzungen der Banken mehr als 22 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben.

«EZB hält noch immer das Seil, das um unseren Hals liegt»
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte in einem Gespräch mit dem SPIEGEL an, das Land wolle seine drohende Finanzierungslücke in den kommenden Wochen mit kurzfristigen Anleihen überbrücken. Sollte die Europäische Zentralbank diesem Plan nicht zustimmen, übernehme sie eine grosse Verantwortung, drohte er: «Dann kehrt der Thriller zurück, den wir vor dem 20. Februar gesehen haben.» Das wäre aber eine politische Entscheidung, «die nicht von Technokraten gefällt werden sollte». Tsipras sagte: «Die EZB hält immer noch das Seil, das um unseren Hals liegt.»

Juncker lehnte Krisentreffen angeblich ab
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker lehnte nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» die Bitte von Tsipras um ein kurzfristiges Krisentreffen noch am Freitag ab. Laut Kommissionssprecher stehen die Spitzenpolitiker in «ständigem Telefonkontakt». Berichte, wonach es eine besondere Dringlichkeit gebe, könnten nicht bestätigt werden.

Tsipras wird nach dpa-Informationen am kommenden Donnerstag zu einem Treffen mit dem Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurría, nach Paris reisen. Eine Fahrt nach Brüssel zu Juncker werde nicht ausgeschlossen, hiess es aus Regierungskreisen in Athen.

Die Europartner hatten in der vergangenen Woche das Hilfsprogramm um weitere vier Monate verlängert. Fliessen können noch 1,8 Milliarden Euro aus dem Programm des Eurolandes sowie zugesagte Zinsgewinne der EZB aus griechischen Anleihen von 1,9 Milliarden Euro. Vom IWF könnten noch 3,5 Milliarden Euro kommen. Für eine Auszahlung müssen EU-Kommission, EZB und IWF zuvor förmlich grünes Licht geben. (awp/mc/pg)

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