Ralf Glabischnig, Partner inacta im Interview

Ralf Glabischnig, Partner inacta im Interview
Ralf Glabischnig, Partner inacta AG

Ralf Glabischnig, Partner inacta

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Viele Versicherungen setzen noch immer stark auf Eigenentwicklungen, betreiben teilweise Jahrzehnte alte Host-Systeme und kommen durch stärkeren Kostendruck in einigen Bereichen unter Druck. Wie sieht es aus im Bereich der IT-Systeme, wo stehen hier die grossen Versicherungen?

Ralf Glabischnig: Die Erneuerung der Kernsysteme im Bereich der Krankenversicherung ist schon weit fortgeschritten. Viele Krankenversicherer in der Schweiz haben das Kernsystem schon ausgetauscht oder sind gerade in der Ablösung. In vielen Fällen kommt dabei das Produkt Syrius der St. Galler Firma Adcubum zum Einsatz. Somit ersetzt ein Standardprodukt die Eigenentwicklungen aus den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten. In der Sachversicherung ist die Branche noch nicht ganz so weit. Bei vielen Versicherern gibt es Planungen und auch erste Projektschritte zur Ablösung der Kernsysteme. Es hat sich aber auch noch kein Branchenstandard für den Schweizer Markt herauskristallisiert.

«Banken und Versicherungen konzentrieren sich immer mehr auf ihr Kerngeschäft und ihre Kernkompetenz. Die Digitalisierung und der Druck von Kundendokumenten gehören nicht dazu.» Ralf Glabischnig, Partner inacta

Im Bereich der ECM-Systeme sehen wir über die gesamte Versicherungsbrache noch Optimierungspotentiale. So kann durch ein intelligentes Input Management eine zielgerichtete Verteilung von Aufgaben mit anschliessender teilautomatischer Verarbeitung erfolgen. Die manuellen, ressourcenintensiven Eingriffe werden reduziert, die Durchlaufzeiten für den Kunden verringert. Dies führt zu einer Kostensenkung in der Verarbeitung und zur Reduktion der Kundennachfragen in Bezug auf den Bearbeitungsstand. Analog verhält es sich beim Output Management. Auch hier können durch intelligente Systeme die Prozesse der Outputgenerierung effizienter gestaltet und gleichzeitig die steigenden Compliance Anforderungen, durch den Einsatz standardisierter Textbausteine, erfüllt werden. Ausserdem können durch moderne Output Management Systeme die manuellen Aufwände reduziert, Porto- und Druckkosten optimiert und die Durchlaufzeiten verringert werden.

Für Versicherer und Banken bietet die Schweizer Post Tochter Swiss Post Solutions gezielt Dienstleistungen zur Digitalisierung und zum Druck von Kundendokumenten an. Wie beurteilen Sie diesen Ansatz, um die Digitalisierung schneller voranzubringen?

Banken und Versicherungen konzentrieren sich immer mehr auf ihr Kerngeschäft und ihre Kernkompetenz. Die Digitalisierung und der Druck von Kundendokumenten gehören nicht dazu. Deshalb ist es ein konsequenter Schritt, diese Dienstleistungen auszulagern. Die Swiss Post Solution bietet hier, nach unserer Erfahrung, sehr zuverlässige und intelligente Lösungen an. Als Tochter der Schweizer Post verfügt sie über langjähriges Logistik Know-how und verfügt, durch ihre direkte Integration in den Postkonzern, über wesentliche Vorteile beim Rerouting der zu digitalisierenden Postsendungen, direkt aus den Verteilzentren heraus. Das macht ökonomisch aber auch ökologisch Sinn. Ebenso verhält es sich mit dem Druck von Dokumenten, die dann an entsprechenden zentralen Orten oder wahlweise dezentral und damit näher am Empfänger produziert werden können.

inacta unterstützt Kunden im Information Management, dem Analysieren und Erfassen von Quelldaten, deren Aufbereitung zur möglichst effizienten Verarbeitung und der kanalgerechten Formatierung von Informationen zur Weiterverarbeitung. Wo sind heute die grössten Schwachpunkte in dieser Kette auszumachen?

Gerade im B2B-Bereich wird heute immer noch sehr stark auf Papier gesetzt. Ein Unternehmen druckt die Dokumente, das andere Unternehmen scannt sie, liest die Informationen aus und verarbeitet sie automatisch. Da geht immer Information verloren oder wird falsch interpretiert. Aus Sicht der Unternehmen stehen einer stärkeren Digitalisierung im Wesentlichen zwei Faktoren entgegen. Einerseits fehlen häufig Standards, die einen übergreifenden und unabhängigen Austausch ermöglichen. Andererseits bedingen die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin den Einsatz von Papier als Dokumentationsmedium.

«Im Privatkundengeschäft fehlt noch das Vertrauen in die elektronische Unterschrift (Signatur).»

Ein guter Ansatz für die Standardisierung von Datenaustauschplattformen ist der Verein eCH, der schon viele Verbesserungen in der Verwaltung aber auch bei den Krankenversicherern bewirkt hat. Auf der anderen Seite ist der Gesetzgeber gefordert, die elektronische Kommunikation mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die Papierkommunikation zu versehen. Letztlich erleben wir in der Praxis aber auch oft, dass Schritte in Richtung einer weitergehenden Digitalisierung von Informationen und Prozessen aus Unsicherheit oder Unkenntnis nicht angegangen werden. Hier unterstützen wir unsere Kunden mit unserer Expertise und können vielfach erprobte Lösungen im Rahmen der bestehenden Rahmenbedingungen aufzeigen.

Heute stehen fast alle Informationen digital zu Verfügung, dennoch ist es so, dass Versicherungs- und Bankunterlagen, die digital vorhanden sind, ausgedruckt, mit der Post zugestellt werden, ich handschriftliche Ergänzungen machen muss, diese zurückschicke, die Bank/Versicherung diese einscannt und versucht, digital verwertbare Informationen daraus zu machen. Teuer, umständlich und eigentlich unnötig. Weshalb leisten wir uns heute noch so unsägliche Informationsbrüche?

Für den B2B-Bereicht gibt es vielversprechende Ansätze, auch wenn, wie schon zuvor erwähnt, hier noch viel mehr möglich wäre.

Anders sieht es im Privatkundengeschäft aus. Hier fehlt noch das Vertrauen in die elektronische Unterschrift (Signatur). Sicher sind die jüngeren Generationen heute wesentlich aufgeschlossener solchen Entwicklungen gegenüber. Sie wachsen mit den Sozialen Netzwerken auf und kommunizieren darüber. Aber auch die derzeit eingesetzten Technologien machen eine elektronische Signatur von Daten und Dokumenten noch nicht einfach genug. Einfachheit in Bezug auf die Handhabung und Vertrauen in den Datenschutz und die Datensicherheit sind aber die unabdingbaren Eckpfeiler einer stärkeren Digitalisierung im Privatkundengeschäft.

In einer digitalen Gesellschaft ist vor allem eine beglaubigte digitale Identifikation und beglaubigte Unterschrift zentral. Wo stehen wir hier heute, weshalb gibt es noch keine einfache Möglichkeit, eine SwissID schnell zu bekommen und problemlos einzusetzen?

Auch hier gibt es wieder mehrere Faktoren, die dem problemlosen Einsatz solcher digitaler Signaturen entgegenstehen. Einerseits ist der Antragsprozess noch etwas zu komplex. Es wäre wesentlich einfacher, wenn ich eine digitale Signatur z. B. direkt mit dem Personalausweis erhalten würde und diese dann „einfach“ verwenden könnte.

Damit sind wir schon beim zweiten Punkt, der einfachen Verwendung. Ein physikalischer Zertifikatsträger (ein sogenanntes Token, z. B. ein USB-Stick) stellt hier eine zusätzliche Hürde dar. Die modernen Technologien und der entsprechende Umgang damit verändern sich rapide. Ständig kommt neue Hardware auf den Markt und wird auch eingesetzt. Ich denke hier nur an das iPad von Apple. Vor wenigen Jahren kannte man nur den klassischen PC oder das Notebook. Heute ist das iPad weit verbreitet, die für eine elektronische Signatur benötigte Hardware funktioniert aber an modernen Tablets nicht. Also müssen neue, Hardware unabhängige Formen der digitalen Signatur gefunden werden. Verbunden mit einem einfachen Antragsprozess würde dies mit Sicherheit die Akzeptanz und damit die Verbreitung signifikant erhöhen.

Immer mehr Wissen wird in unstrukturierter Form (Videos, Bilder) in Sozialen Netzwerken angehäuft. Wie können Unternehmen das in ihrem eigenen Dokumenten-Management-Prozess einbinden, wo ist es überhaupt sinnvoll?

In den wenigsten Fällen handelt es sich dabei um „geschäftsrelevante“ Korrespondenz, die abgelegt oder gar archiviert werden muss. Solange über die sozialen Medien keine Verträge abgeschlossen werden, sehe ich es als nur bedingt sinnvoll, diese in die eigenen Prozesse zu integrieren.

Anders sieht es aus, wenn z.B. Beratungen für Bank- oder Versicherungsprodukte über die Sozialen Netzwerke abgewickelt werden. Hier schreibt schon der Gesetzgeber entsprechende Massnahmen vor, die dann von den Unternehmen auch eingehalten werden müssen. Die Einbindung muss hier genau betrachtet und implementiert werden.

«Solange über die sozialen Medien keine Verträge abgeschlossen werden, sehe ich es als nur bedingt sinnvoll, diese in die eigenen Prozesse zu integrieren.»

Auch kann es sinnvoll sein, die Sozialen Netzwerke aus Sicht des Kundenmanagements in ein CRM System zu integrieren. Aber auch hier müssen die Geschäftsprozesse genau analysiert und anschliessend eine Entscheidung für eine passende Integration getroffen werden. Sicher wird sich hier in den nächsten Jahren noch vieles tun.

Während in früheren Jahrhunderten bedeutende Informationen auf Papier oder Pergament gezielt in Archiven abgelegt wurden, bestehen heute viele Archive fast ausschliesslich in digitaler Form, mit dem grossen Problem, dass digitale Datenträger einem dauernden Wandel unterworfen sind und Lesegeräte schon nach wenigen Jahren oftmals nicht mehr funktionieren. Wie sehen sie hier die Entwicklung, wie können wir sicherstellen, dass digitale Archive auch in tausend Jahren noch zugänglich sind?

Hier sprechen Sie eine besondere Herausforderung der heutigen Zeit an. Die heutigen technologischen Mittel bieten nur die Möglichkeit, archivierte Daten in regelmässigen Abständen auf neue Medien zu kopieren. Dies widerspricht aber andererseits dem Ziel der Unveränderbarkeit und insbesondere der Unverfälschbarkeit von wichtigen Daten und Informationen. Noch sehe ich keine Technologie am Horizont, die diese Herausforderung löst.

«Sicher ist, dass unsere Generation kurzfristig Unmengen an Daten produziert, langfristig aber wesentlich weniger „Spuren“ für nachfolgende Generationen hinterlassen wird.»

Eine Verlagerung der Daten und Informationen in die Cloud wird hier immer wieder als eine mögliche Lösung angesprochen. Aber auch hier verlagere ich das Problem nur an eine andere Stelle. Dabei weiss ich noch nicht einmal genau, wie sorgfältig diese Problemstellung gelöst wird. Wie sorgfältig dort mit meinen Daten umgegangen wird, ist kaum vollständig zu überprüfen.

Sicher ist, dass unsere Generation kurzfristig Unmengen an Daten produziert, langfristig aber wesentlich weniger „Spuren“ für nachfolgende Generationen hinterlassen wird. Schon der psychologische Aspekt der Wertigkeit ist nicht zu vernachlässigen. Halte ich ein Dokument in den Händen fühlt es sich wesentlich wertiger an als wenn ich dasselbe Dokument auf einem Computerbildschirm dargestellt bekomme. Sie kennen das sicher vom privaten Leben. Ein Fotobuch mit den Ferienerinnerungen macht mehr Eindruck und wird häufiger zur Hand genommen, als ein paar gezeigte Fotos auf dem Fernseher, selbst wenn der Aufwand für die Zusammenstellung in beiden Fällen gleich gross war.

Gerade der Finanzsektor wird aktuell einer zunehmend intensiven Regulierung unterworfen. Wie wirkt sich das auf das Informations-Management aus, gibt es hier schon Abschätzungen zu Mehraufwand und Volumenzunahme?

Die zunehmenden und intensiven Regulierungen im Finanzsektor haben mehrere Auswirkungen. Wie man in letzter Zeit lesen kann, werden primär Compliance-Abteilungen ausgebaut. So stiegen die in den Bereichen «Legal & Compliance», «Internal Audit» und «Risk Management» ausgeschriebenen Stellen in den vergangenen Jahren rasant an. Wurden über Jobdirectory.ch im Jahr 2012 noch 520 solche Spezialisten gesucht, waren es zwölf Monate später bereits 729. Im Jahr 2014 waren in jenen Bereichen sage und schreibe 886 neue Stellen zu besetzen.

Entsprechend wachsen auch die Projekte und Vorhaben, die primär Compliance-Probleme adressieren und keinen direkten Business-Nutzen generieren (ausser Risiken zu reduzieren). Ein Beispiel ist die Archivierung sämtlicher Kommunikation (Briefe, E-Mails, Telefongespräche) mit Kunden und Partnern, ohne diese dem entsprechend Fachkontext zuzuordnen (Stichwort: Dossierbildung).

Es entstehen also Unmengen von Daten, die gespeichert, verarbeitet und die Ergebnisse der Verarbeitung sinnvoll interpretiert werden wollen. Sicher ist die Speicherung ein Teil, der technologisch, unter Berücksichtigung der fehlenden Lösungen für die Langzeitspeicherung, gut gelöst ist bzw. mit entsprechendem Ressourceneinsatz, d.h. Investitionen, gelöst werden kann. Anders sieht es bei der sinnvollen Verarbeitung und der Interpretation der Ergebnisse aus. Hier stehen wir nach meiner Meinung erst am Anfang der Entwicklung, sowohl methodisch wie auch technologisch.

inacta ist auch in diesem Jahr wieder ein strategischer Partner des Swiss Information Management Forums. Welche Erfahrung haben Sie bis anhin mit Ihrem Engagement gemacht, was sind Ihre Erwartungen für die diesjährige Veranstaltung?

Wir sind vom hohen Stellenwert dieses B2B-Anlasses im Information Management überzeugt. Viele der hier geknüpften Kontakte haben zu Effizienz steigernden Kundenprojekten oder langjährigen Partnerschaften mit anderen Anbietern geführt.

Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Spontan fallen mir da zwei wirklich wichtige Wünsche ein:

  1. Eine starke Schweizer Wirtschaft, die den Herausforderungen, welchen sie aktuell ausgesetzt ist, trotzt und mit Zukunftsorientierung, Forschung und Innovationskraft sowie den daraus resultierenden innovativen Geschäftsmodellen weltweit führend bleibt.
  2. Erfolg beim Recruiting von neuen Mitarbeitenden für inacta. Nur mit den besten Kollegen kann man die herausfordernden Projekte stemmen, die sich aus den heutigen Fragestellungen ergeben und so einen wesentlichen Mehrwert für unsere Kunden bieten.

Der Gesprächspartner:
Ralf Glabischnig ist seit über fünfzehn Jahren im Beratungsumfeld mit Stationen in Österreich, Deutschland und der Schweiz tätig. In dieser Zeit hat er unter anderem den Versicherungsbereich einer führenden Schweizer Unternehmensberatung geleitet und einen neuen Geschäftsbereich mit Fokus Enterprise Content Management erfolgreich aufgebaut. Neben der Führung von Grossprojekten und strategischen Vorhaben im Information-Management Umfeld ist er als Gründungspartner der inacta AG verantwortlich für die Bereiche HR und Vertrieb.

Das Unternehmen:
Die inacta AG (www.inacta.ch) ist ein unabhängiges Schweizer Dienstleistungsunternehmen mit Fokus auf Beratung im ECM / Information Management. Als langjähriger Partner des Swiss IM-Forums gestaltet die inacta AG gemeinsam mit der uvision die führende Veranstaltung in diesem Bereich. Die Mitarbeitenden der inacta verfügen im Durchschnitt über mehr als 10 Jahre Erfahrung mit Information-Management-Prozessen und -Technologien. Sie sind sowohl methodisch als auch technologisch hervorragend qualifiziert, was neben der umfassenden praktischen Erfahrung auch mit entsprechenden Weiterbildungen und Zertifizierungen unterstrichen wird. Durch das breite Spektrum von Management- und Prozess-Beratern, über die Projektleiter, ECM-Architekten und Entwickler bis hin zu System Engineers und Support-Mitarbeitern, begleiten alle Mitarbeitenden der inacta umfangreiche Information-Management- und Digitalisierungs-Vorhaben von der Idee und dem Businessplan über die Konzeption und Umsetzung bis hin zum Betrieb der Lösungen.

 

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