1. Mai im Zeichen des starken Frankens

1. Mai im Zeichen des starken Frankens
SGB-Präsident Paul Rechsteiner. (Foto: SGB/Flickr)

SGB-Präsident Paul Rechsteiner. (Foto: SGB/Flickr)

Bern – Trotz Dauerregens haben Tausende den 125. Tag der Arbeit gefeiert. Schaufenster und Scheiben gingen nur wenige zu Bruch. Kritik einstecken musste vor allem die Schweizerische Nationalbank. Die Gewerkschafter kritisierten sie scharf für die Aufhebung des Mindestkurses.

Der starke Franken stand im Mittelpunkt vieler 1.-Mai-Reden: Durch den Nationalbank-Entscheid würden fahrlässig ganze Wirtschaftszweige demontiert, sagte der Berner SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini auf dem Bundesplatz in Bern. Die Nationalbank müsse ihre Verantwortung wahrnehmen und den Franken schwächen, forderte Giorgio Tuti, Präsident der Eisenbahnergewerkschaft SEV, in Zürich und Zofingen AG.

In Zürich hatte der Revolutionäre Aufbau ein Strassentheater gegen die Nationalbank geplant. Dieses sei aber durch die Polizei verhindert worden, teilte die Organisation mit. In St. Gallen trugen Kundgebungsteilnehmer ein Spruchband mit dem Slogan: «Stopp den Frankenspekulanten – wir zahlen nicht für euren Profit.»

«Politische Profiteure»
Auch die «politischen Profiteure» des starken Frankens mussten einstecken. So nannte sie Paul Rechsteiner, St. Galler SP-Ständerat und Präsident des Gewerkschaftsbundes bei seinen Reden in Romanshorn TG, Rapperswil-Jona SG, Chur und Wil SG. Er meinte damit jene, die den überbewerteten Franken instrumentalisierten und glaubten, jetzt ein «antisoziales Programm» durchsetzen zu können.

Diese «Millionen-Abzocker» wollten die Gunst der Stunde nutzen, sagte Vania Alleva, Co-Präsidentin der Gewerkschaft Unia, bei ihren Ansprachen in Basel und Dietikon ZH: «Krise, Arbeitslosigkeit, Angst – das kommt ihnen grade Recht, um ihre sogenannten Reformen durchzudrücken.»

Bundesräte in der Westschweiz
Die beiden SP-Bundesräte Sommaruga und Berset nutzten den Tag der Arbeit für eine Reise in die Westschweiz. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hatte bereits in den letzten Jahren am 1. Mai jeweils ein Schweizer Unternehmen besucht. Dieses Jahr besichtigte sie den Fleischverarbeiter Micarna im freiburgischen Courtepin. Sie diskutierte mit Angestellten und Lernenden – unter anderem über die Integration am Arbeitsplatz.

Alain Berset reiste derweil ins jurassische Le Noirmont. Dort nahm er am interjurassischen 1. Mai teil. Bei Bersets Ankunft kam es zu einer kurzen Protestkundgebung. Ein Dutzend Links-Autonomer hielt Schilder mit der Aufschrift «Nein zum Berset-Paket» in die Höhe. Berset sagte, man müsse dieses Projekt, das Reformpaket «Altervorsorge 2020», erst lesen und analysieren. Von den Slogans müsse man wegkommen und einen Schritt weitergehen.

André Daguet gestorben
Berset erwies ausserdem dem verstorbenen André Daguet die Ehre. Der engagierte Gewerkschafter und frühere SP-Nationalrat war ausgerechnet am 1. Mai einer schweren Muskelkrankheit erlegen. Daguet war 67 Jahre alt. «Er war ein Mann der Überzeugung. Es regnet auch in unseren Herzen», sagte Berset in Anspielung auf den Dauerregen am Freitag.

Daguet war massgeblich an der Fusion der Gewerkschaften SMUV und GBI zur heutigen Unia beteiligt. Deren rote Fahnen prägten wie üblich das Bild an den 1.-Mai-Umzügen. Unüblich waren die vielen Regenschirme: An den meisten Orten fanden die Anlässe im strömenden Regen statt. Deshalb waren die Teilnehmerzahlen auch etwas tiefer als im Vorjahr: In Zürich nahmen rund 10’000 Personen am Umzug teil, wie Organisatoren und Polizei übereinstimmend meldeten. Im letzten Jahr waren es 14’000 gewesen.

In Basel gingen etwa 1300 Personen auf die Strasse. In Bern waren es rund 500, in St. Gallen rund 350. Schweizweit nahmen gemäss einer Mitteilung des Gewerkschaftsbundes mehrere zehntausend Menschen in über 50 Orten am Tag der Arbeit teil. Das Motto lautete «Soziale Gerechtigkeit statt Ausgrenzung».

Mehrheitlich friedlicher Verlauf
Die Demonstrationen verliefen relativ friedlich. In Zürich kam es zu einigen kleinen Scharmützeln. Bankfilialen wurden mit Farbe beschmiert und einige Fenster zerschlagen. Ein Grossaufgebot von Stadt- und Kantonspolizei unterband die sonst übliche Nachdemo, an der es regelmässig zu Ausschreitungen kam. Die Polizisten riegelten sämtliche Abgänge des Helvetiaplatzes ab, wo sich rund 200 Vermummte versammelt hatten. Die meisten Demonstranten zogen sich nach kurzer Zeit zurück.

Nur noch ein, zwei Dutzend Unermüdliche warfen – beobachtet von zahlreichen Gaffern und Medienleuten – Steine und Flaschen gegen die Polizei. Der revolutionäre Aufbau sprach von «paranoider Inbrunst», mit der die Demonstration verhindert worden sei. (awp/mc/pg)

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