Deutsche Bundesbank: Lage in Griechenland besorgniserregend

Deutsche Bundesbank: Lage in Griechenland besorgniserregend

Parlamentsgebäude in Athen.

Frankfurt/ Athen –  Griechenland ist aus Sicht der Deutschen Bundesbank massiv von einer Staatspleite bedroht. «Die Lage in Griechenland ist weiter besorgniserregend», betonte die Notenbank in ihrem am Montag in Frankfurt veröffentlichten Monatsbericht. Aktuell seien Athen und griechische Banken nur deshalb zahlungsfähig, weil die Banken mit Ela-Notkrediten («Emergency Liquidity Assistance») der griechischen Zentralbank versorgt werden. Griechenland müsse deshalb rasch durch wirtschafts- und finanzpolitische Reformen die Basis für tragfähige Staatsfinanzen schaffen und brauche zumindest vorübergehend weitere Hilfszahlungen, warnt die Bundesbank. Auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat in der Hängepartie um Griechenland eindringlich vor weiteren Verzögerungen gewarnt. Trotz des kleiner werdenden Zeitfensters zeigte sich Moscovici optimistisch. «Eine Einigung ist möglich. Ich bin nicht pessimistisch».

Die Regierung des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras ringt seit drei Monaten um die Auszahlung weiterer Finanzhilfen. Die europäischen Geldgeber und der Internationale Währungsfonds (IWF) koppeln die Freigabe von 7,2 Milliarden Euro aus dem aktuellen Hilfsprogramm an ein umfassendes Reformpaket.

Banken auf Notkredite angewiesen
Griechische Banken bekommen auf normalem Weg kein frisches Geld mehr von der Europäischen Zentralbank (EZB) und sind daher auf teurere Ela-Notkredite angewiesen. Finanzkreisen zufolge wurde der Ela-Rahmen zuletzt auf 80 Milliarden Euro ausgeweitet. Damit stopft die Notenbank die Löcher, die Finanzinstituten durch Mittelabflüsse in Milliardenhöhe entstehen. Denn Bürger und Unternehmen räumen wegen der ungewissen Zukunft ihre Konten leer.

Mit den Notkrediten kaufen die griechischen Banken immer wieder neue kurzfristige Staatstitel (T-Bills) nach, wenn die Vorgängerpapiere fällig werden. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht diese Praxis kritisch: «Dass Banken ohne Marktzugang Kredite gewährt werden, die damit Anleihen des eigenen Staates finanzieren, der selbst ohne Marktzugang ist, finde ich mit Blick auf das Verbot der monetären Staatsfinanzierung nicht in Ordnung.» Aus Sicht der Bundesbank muss die Entscheidung über die Bereitstellung weiterer Finanzmittel aber von nationalen Regierungen und Parlamenten getroffen werden – und nicht von den Notenbanken.

Regierung selbst schuld
Die Regierung in Athen hat sich nach Überzeugung der Bundesbank selbst in die heikle Lage manövriert: «Die Aussichten hatten sich bis Ende 2014 merklich aufgehellt, denn nach einer harten Anpassungsphase hatte das Wachstum wieder Fuss gefasst.» Die Lage der Staatsfinanzen hätte ohne «übermässige zusätzliche fiskalische Massnahmen» stabilisiert werden können. Zumal die Finanzierungskosten des Staates wegen der im Rahmen der Hilfsprogramme stark vergünstigten Zinskonditionen trotz der sehr hohen Schuldenquote keineswegs unzumutbar gewesen seien: «So lagen die Zinsausgaben im Jahr 2014 in Relation zum BIP unterhalb jener in Portugal, Italien und Irland.»

Doch durch den abrupten Kurswechsel unter Tsipras sei der Reform- und Stabilisierungskurs unterbrochen und teilweise umgekehrt worden. «Die so erzeugte Unsicherheit beeinträchtigt die öffentlichen Finanzen indirekt durch den Rückschlag bei der wirtschaftlichen Aktivität, aber auch direkt durch die offenbar rückläufige Bereitschaft, Steuern zu zahlen», betonte die Bundesbank. Darüber hinaus seien zusätzliche Ausgaben beschlossen worden. Dadurch seien die Risikoprämien für griechische Staatsanleihen stark gestiegen und der 2014 ansatzweise wieder hergestellte Zugang zum Kapitalmarkt erneut verloren gegangen, betonte die Bundesbank: «Da aber das – zwischenzeitlich bis Ende Juni verlängerte – Hilfsprogramm unter den aktuellen Bedingungen nicht fortgesetzt werden kann, das heisst, keine Hilfskredite und Transfers mehr gezahlt werden, ist die Zahlungsfähigkeit Griechenlands akut bedroht.» Ohne substanzielle Reformen in Griechenland sei eine nachhaltige Lösung nicht möglich.

EU-Währungskomissar fordert mehr Tempo bei Verhandlungen
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat in der Hängepartie um Griechenland eindringlich vor weiteren Verzögerungen gewarnt. «Die verbleibende Zeit für eine Einigung ist sehr begrenzt», sagte Moscovici am Montag in Berlin. «Wir müssen mehr Tempo machen», sagte er unter Hinweis auf die angespannte Finanzlage Griechenlands und das Ende Juni auslaufende, bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm: «Die Zeit läuft davon.» Zwar gebe es seit zwei Wochen Fortschritte in den Verhandlungen Griechenlands mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank sowie dem Internationalen Währungsfonds. Es gebe ein gemeinsames Verständnis etwa zur Mehrwertsteuer oder zur Verwaltungsreform. Athen müsse aber nach wie vor substanzielle Reformen in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik angehen.

Pessimismus trotzdem nicht am Platz
Trotz des kleiner werdenden Zeitfensters zeigte sich Moscovici optimistisch. «Eine Einigung ist möglich. Ich bin nicht pessimistisch», sagte er. Für die EU-Kommission gebe es nur ein Szenario: «Ein starkes Griechenland in einer starken Euro-Zone.» Zur Debatte über ein mögliches drittes Hilfsprogramm für Athen bekräftigte Moscovici, es werde Schritt für Schritt vorgegangen. Zunächst müsse das aktuelle Hilfsprogramm abgeschlossen werden. Dies sei schwierig genug. Die Euro-Partner hatten bereits Ende 2012 ein drittes Hilfspaket in Aussicht gestellt – aber unter anderem mit der Auflage, dass Athen die bisherigen Reformauflagen erfüllt hat.

EU-Kommission dämpft Erwartungen an Riga Gipfel
Die EU-Kommission dämpft Erwartungen, wonach beim EU-Ostpartnerschaftsgipfel im lettischen Riga eine Lösung im griechischen Schuldenstreit gefunden werde könne. Der zweitägige Gipfel am Donnerstag und Freitag, zu dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs erwartet werden, könne kein Ersatz sein für Verhandlungen zwischen Geldgebern und Vertretern Athens. Das machte der Chefsprecher der Behörde am Montag in Brüssel deutlich. «Es gibt konstruktive Kontakte», sagte der Sprecher mit Blick auf die Verhandlungen. Er beklagte aber gleichzeitig deren langsames Tempo. Die Einigung auf ein umfassendes Reformprogramm Griechenlands ist Voraussetzung für die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro Hilfen an das akut pleitebedrohte Land.(awp/mc/cs)

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