Industry 4.0: Die Schweiz in der Pole Position

Industry 4.0: Die Schweiz in der Pole Position

Zürich – Die Industrie spielt eine zentrale Rolle in der europäischen Wirtschaft: Sie trägt 15 Prozent zur Wertschöpfung bei, macht 80 Prozent der Innovationen und 75 Prozent der Exporte aus. Rechnet man noch die industrienahen Dienstleistungen dazu, kann sie als sozialwirtschaftlicher Motor Europas bezeichnet werden. Allerdings ist das produzierende Gewerbe zunehmend unter Druck geraten: Die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie aufgrund neuer Marktteilnehmer – vor allem aus Asien – hat in den vergangenen zehn Jahren zu einem deutlichen Stellenabbau in etablierten Märkten wie Grossbritannien (-29%), Frankreich (-20%) und Deutschland (-8%) geführt. Gleichzeitig entwickeln sich die europäischen Länder sehr heterogen: Während die Schweiz und Deutschland ihre Industriemarktanteile halten oder sogar weiter erhöhen konnten, steuern andere EU-Staaten wie Frankreich, Spanien und Grossbritannien auf eine De-Industrialisierung hin. Diese Entwicklung schwächt Europa insgesamt, und weitere Jobs und Know-how in der Industrie gehen verloren.

In der neuen Roland Berger-Studie «Industry 4.0 – The role of Switzerland within a European manufacturing revolution» zeigen die Roland Berger-Experten auf, was Unternehmen und Politik tun sollten, um die Entwicklung der Industrie 4.0 – beim  Zusammenwachsen von Industrie und Digitalisierung – zu unterstützen und diese Chance speziell auch für die Schweiz wahrzunehmen.

Die Schweiz in Europa gut positioniert
Die Schweiz ist für die vierte industrielle Revolution besser gerüstet, als viele glauben. Das Land im Herzen von Europa gehört zu den wenigen europäischen Playern, bei denen die Industrie einen über die vergangenen 10 Jahre stabilen Beitrag zur Gesamtwertschöpfung geliefert hat. Und das, obwohl sie das Land mit einem der höchsten Lohnkostenniveau in der Welt ist. Sie kombiniert neue technologische Möglichkeiten in einem hocheffizienten Gesamtsystem. „Die Schweiz hat beste Voraussetzungen, um auf dem Gebiet von Industrie 4.0 eine Pionierrolle einzunehmen. Denn neben der robusten Industrie verfügt die Schweiz auch über einen starken IT-Sektor sowie über einen bestens aufgestellten Forschungsplatz, welche wesentlich zur Entwicklung der Industrie von morgen beitragen können. So werden Bereiche wie Cloud Computing, Big Data, 3D-Druck sowie Sensorik und Robotik das Feld Industrie 4.0 wesentlich prägen. Alles Bereiche, in denen die Schweiz bestens positioniert ist“, sagt Oliver Grassmann, Principal und Industrieexperte von Roland Berger in Zürich.

Innovative Schweizer Unternehmen können profitieren
„Die Schweizer Unternehmen konzentrieren sich seit jeher auf Innovation, Qualität, Produktivität und Aktivitäten mit hohem Wertbeitrag. Es herrscht eine gute Balance zwischen Traditionsunternehmen und Avantgardisten, zwischen Grossunternehmen und starkem Mittelstand. Unternehmen, die jetzt die Veränderung ihrer Wertschöpfung durch die Digitalisierung verstehen und daraus neue Möglichkeiten entwickeln, haben eine gute Chance, auf der Gewinnerseite der Industrie 4.0 zu stehen“, fügt Grassmann an. Allerdings erfordert der industrielle Strukturwandel hin zu mehr Vernetzung, digitaler Transformation und Kooperation auch in der Schweiz ein neues Denken, neue Partner und die richtigen Investitionen. Die Wertschöpfungsketten in vielen Industrien werden sich teilweise auflösen und neu formieren. Dies bietet für innovative Schweizer Unternehmen vermehrt Möglichkeiten, sich noch mehr auf Elemente mit hoher Wertschöpfung zu konzentrieren, setzt aber voraus, diese Veränderungen zu erkennen und sich rechtzeitig strategisch darauf einzustellen.

Die Herausforderungen für die Schweiz
Denn trotz der guten Voraussetzungen für den Schweizer Industriestandort steht die Schweiz vor grossen Herausforderungen: Mangel an Fachkräften, starke Währung, Überregulierung und teilweise starke politische Eingriffe in wesentliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie kürzlich die Minder-Initiative, die Zuwanderungsdebatte, der Mindestlohn oder der Goldstandard. „Wichtig für die Sicherung des hervorragenden Werkplatzes Schweiz sind jetzt zwei Dinge: Erstens muss die Politik dynamische und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, um den Unternehmen die schnelle Anpassung in einer VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity and ambiguity) so leicht wie möglich zu machen. Zweitens müssen die Schweizer Unternehmen den Anbeginn dieser neuen industriellen Ära proaktiv gestalten und entschlossen die richtigen Schritte einleiten,“ fasst Oliver Grassmann, Industrie 4.0-Experte bei Roland Berger in Zürich zusammen. „Dies bedeutet vor allem, sich jetzt trotz einer recht guten wirtschaftlichen Lage nicht zu sicher zu fühlen, sondern heute die Weichen für den digitalisierten Geschäftserfolg von morgen zu stellen“, fügt Grassmann an.

Europaweites Engagement ist gefragt
Ausserdem benötigen die Schweiz und Europa eine einheitlichere IT-Infrastruktur, nachhaltige Finanzierungspläne und geeignete Ausbildungsmöglichkeiten, etwa in den Bereichen Softwareprogrammierung oder Datengewinnung und -auswertung. Denn mit dem Voranschreiten der Industrie 4.0 werden in verschiedenen Industriebereichen neue Expertenprofile benötigt, mit Erfahrung und Knowhow in der Vernetzung von Industrieprozessen. „Gezielte Partnerschaften zwischen verschiedenen Branchen und oft auch länderübergreifende Zusammenarbeit werden eine wesentliche Rolle spielen, um die Expertise im Bereich der Digitalisierung effizienter zu nutzen. Unsere digitale Unternehmensplattform Terra NumerataTM unterstützt Unternehmen genau bei diesem Schritt sowie bei der Erfindung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle“, sagt Roland Berger-Stratege Oliver Grassmann. „Wir streben den Aufbau eines digitalen Ecosystems in Europa an, wo wir die Klassenbesten aller notwendigen Bereichen zusammenbringen wollen, die in der Umsetzung digitaler Projekte notwendig sind – angefangen von der Strategiedefinition über das Prototyping bis hin zur Entwicklung.“

An dieser Stelle sollte die Politik zusätzlich diesen Prozess mit europaweiten Forschungs- und Entwicklungsprogrammen unterstützen. Denn so lassen sich langfristige und kostspielige Forschungsprojekte und Innovationsentwicklung fördern: Ein wichtiger Aspekt, um die europäische Industrieführerschaft auf dem weltweiten Markt zu stärken. Denn die immer kürzeren Produktlebenszyklen zwingen die Industrie zu immer schnelleren Innovationen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. (Roland Berger/mc/ps)

Über die Studie
Die Studie basiert auf einer umfangreichen Analyse und liefert fundierte Erkenntnisse zu den Erwartungen von 300 Topentscheidern in Europa an die industrielle Revolution. Im Fokus hier stehen konkrete Handlungsempfehlungen speziell zur Schweiz.

Über Roland Berger
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit rund 2700 Mitarbeitern und 51 Büros in 36 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschliesslichen Eigentum von rund 250 Partnern.

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