Kunsthaus Zürich zeigt «Sinnliche Ungewissheit. Eine private Sammlung»

Kunsthaus Zürich zeigt «Sinnliche Ungewissheit. Eine private Sammlung»

Ausschnitt aus Man Ray Noire et Blanche, 1926. Vintage print auf Silbergelatinepapier, 20,5 x 27 cm Privatsammlung © Man Ray Trust / 2015 ProLitteris, Zürich

Zürich – Vom 19. Juni bis 4. Oktober 2015 findet im Kunsthaus Zürich die erste Ausstellung einer Privatsammlung statt, die in besonderem Masse auf das Wechselverhältnis zwischen Seele, Geist und dem nackten Körper fokussiert. Die Präsentation umfasst über 150 überwiegend zeitgenössische Fotografien, Skulpturen, Gemälde und Videos von rund 60 Künstlerinnen und Künstlern. Thema ist der menschliche Körper und wie er mit der Umwelt kommuniziert.

Die grossen Sehnsüchte aller Zeiten waren schon immer Liebe, Geld und Macht. Alle drei haben ein ebenso zerstörerisches wie kreatives Potenzial. Die im Rahmen der Festspiele Zürich stattfindende Ausstellung erforscht, inwiefern sich diese drei Parameter des Lebens in den letzten Jahrzehnten verändert haben.

Körper als Filter zur Umwelt
Kaum zuvor hat der Mensch so stark über sein Verhältnis zur eigenen Umwelt nachgedacht wie im 20. und 21. Jahrhundert. Ausschlaggebend sind die wachsende und sich beschleunigende Mobilität, die neuen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Physis und Psyche und neue, sich schnell weiter entwickelnde bildgebende Technologien von der Fotografie über das Kino bis zum Internet. Nichtsdestotrotz bleibt der dem Menschen am naheliegendste «Filter» oder die Membran zur Umwelt sein eigener Körper – ob nackt oder verhüllt.

Erster Museumsauftritt der privaten Sammlung
Das Kunsthaus zeigt das Wechselverhältnis zwischen Seele, Geist und deren körperlicher «Ausstülpung» hin zur Umwelt anhand von Fotografien, Skulpturen, Gemälden und Videoarbeiten aus der Sammlung des Filmregisseurs Thomas Koerfer (*1944). Koerfers Sammeltätigkeit begann zu einer Zeit, als Körperdarstellungen noch überwiegend eine Privatangelegenheit und noch nicht durch soziale Medien anonymisiert verbreitet und omnipräsent waren. In den letzten 30 Jahren hat er europäische, nord- und lateinamerikanische, asiatische und fernöstliche Positionen zusammengetragen. Verbindendes und wiederkehrendes Motiv zwischen den Werken ist der überwiegend nackte Körper. Der Blick des Filmemachers, der mit seiner Kamera Macht über den Ausschnitt, eine Szene und den Zuschauer ausübt, macht den Reiz dieser privaten Sammlung aus, die immer noch wächst. Die hier gezeigte Auswahl von über 150 Exponaten wurde von Kunsthaus-Kuratorin Cathérine Hug in enger Zusammenarbeit mit Thomas Koerfer vorgenommen. Es ist der erste umfassende Überblick über alle in der Kollektion vertretenen Genres.

Von Degas über Koons bis Man Ray und Sarah Lucas
Unter den Künstlern und Werken vom 19. bis zum 21. Jahrhundert finden sich u.a. Nobuyoshi Araki, Francesco Clemente, Edgar Degas, Nathalie Djurberg, Dokoupil, Marlene Dumas, Jeff Koons, Alexej Koschkarow, Lee Lozano, Sarah Lucas, Robert Mapplethorpe, Boris Mikhailov, Man Ray und Francesca Woodman. Wenn einige, vor allem malerische Arbeiten sich in den Grenzbereich zwischen Kunst und Pornographie vorwagen und mit den widersprüchlichen Begriffen spielen oder sie gar vereinen, werden in anderen Exponaten Gegenstände fotografisch oder installativ in kontemplativen Stillleben inszeniert. Und ein auf die Entfernung wunderbar ruhig, abstrakt anmutendes Gemälde entpuppt sich als Collage aus tausenden Filmstreifen, deren Einzelbildchen eher zur Erregung als für kontemplative Entspannung geschaffen wurden.

Welche Bilder gewinnen Macht?
Nach Jahrzehnten der inflationären Verfügbarkeit von Körperdarstellungen bei gleichzeitig medial konditionierter Entfernung von sinnlichen Erfahrungen, regt sich Widerstand. Ein gesellschaftlicher Trend zur Prüderie zeichnet sich ab. Aus dieser Perspektive mag sich das eine oder andere Kunstwerk im Bereich der expliziten Darstellung von Sexualität bewegen. Sinn und Zweck der Ausstellung ist es, den Besucher mit Fragen zum eigenen Körper und dem Körper des oder der anderen zu konfrontieren. Erliege ich der Macht der Bilder? Wo spüre ich zarte Zuneigung zu meinem Mitmenschen oder einem Gegenstand? In wessen Haut würde ich gerne hineinschlüpfen und welche Rolle stösst mich ab? Diese Selbstbefragung einerseits und die Suche nach dem Künstlerischen und dem Profanen im Werk selbst, machen die Vermittlung dieser eigenwilligen und mit konsequent kühlem Blick zusammengetragenen Privatsammlung für das Kunsthaus und sein Publikum gleichermassen spannend.

Der Katalog zur Ausstellung (192 S., 170 Abb.) erscheint im Kehrer Verlag, mit Beiträgen von Christoph Becker, Clemens Berger, Diedrich Diederichsen, Cathérine Hug, Marianne Karabelnik, Fabienne Liptay und Mithu Sanyal. Er ist für CHF 53.- am Kunsthaus-Shop erhältlich. (KZ/mc/hfu)

Weitere Informationen auf der Seite des Kunsthauses Zürich…

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