Weshalb Griechenland die EU retten muss

Weshalb Griechenland die EU retten muss
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Seit Jahren und aktuell so dringend wie nie berichten Medien und Politiker, dass Griechenland gerettet werden muss. Das ist aus finanzieller Sicht zweifellos richtig, aber viel zu kurz gedacht. In Wahrheit muss, und Alexis Tsipras weiss das, Griechenland die EU retten.

Kommentar von Helmuth Fuchs

Finanzen und Finanzmanager beherrschen seit Beginn der Griechenlandkrise die Diskussion. Draghi deckelt die Notkreditlimite für Griechenland bei 90 Milliarden Euro, dies bei nun offenen Forderungen der EZB gegenüber Griechenland von 125 Milliarden Euro. Die Staatsverschuldung Griechenlands liegt mittlerweile bei rund 330 Milliarden Euro (Verschuldung pro Kopf rund 30’000 Euro, BIP pro Kopf rund 16’000 Euro). Während Alexis Tsipras als letzte Aktion das Volk über den weiteren Weg (Annahme oder Ablehnung der eigentlich nicht mehr existierenden Bedingungen der Europäischen Kommission (EK), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF)) entscheiden lassen will, beherrscht die «Troika» aus Christine Lagarde (IWF), Mario Draghi (EZB) und Jean-Claude Juncker die Szenerie ohne direktes demokratisches Mandat, ja sogar mit nur eingeschränkter Unterstützung der EU-Mitgliedsländer. So werden die ärmsten Länder eine bevorzugte Behandlung Griechenlands wohl eben so wenig unterstützen wie Länder, welche durch ein Spar- und Reformprogramm erste Fortschritte erzielt haben, so wie Portugal oder Spanien.

Geld statt Politik
Die aktuelle Situation zeigt das fundamentale Problem der EU auf: Während Griechenland sein Finanzproblem politisch beheben möchte, will die EU ihr politisches Problem mit Finanzen lösen. Die ursprüngliche Intention einer politischen und wirtschaftlichen Wertegemeinschaft kam nie über den Status eines Wirtschaftsraumes ohne weitergehende gemeinsame Interessen wie Verteidigungs- oder Finanz- und Steuerpolitik hinaus. Das politisch motivierte Wachstum mit der Eingliederung ehemaliger Ostblockländer und die schon zu Beginn fahrlässig vernachlässigten Aufnahmekriterien (zum Beispiel der Verschuldungsgrad) strapazierten zudem das wirtschaftliche Fundament.

In der primär durch die Banken verursachten und durch die Nationalbanken verschärften Krise verlor die Politik vollends die Kontrolle über das Geschehen. Die Staaten liessen sich unter Druck setzen, mittels der EZB in der ersten Phase vor allem die Banken zu retten, unbesehen der sonst immer propagierten sich selbst regulierenden Marktkräfte. Die zweite Phase, die Stärkung der Realwirtschaft, lässt bis heute auf sich warten. Praktisch alle Gelder fliessen immer noch direkt in den Bankensektor, fast ohne Wirkung auf die Wirtschaft der einzelnen Länder. Die Arbeitslosenrate vor allem bei Jugendlichen ist immer noch auf Rekordhöhe, das Wachstum sehr schleichend.

Demokratie oder Finanz-Oligarchie
In dieser Situation haben sich die Bürger Griechenlands entschieden, eine Linksregierung zu wählen, die angetreten ist mit dem Programm, die Sparpolitik und das Diktat der Troika beenden zu wollen. Gerade als Schweizer muss man dieser demokratischen Legitimation der Regierung Tsipras Rechnung tragen, auch wenn sich die massgebenden Gremien der EU damit schwer tun.

Wie wenig der Wunsch des Verbleibes von Griechenland in der EU und im Euro-Raum mit dem Wohlbefinden Griechenlands zu tun hat, ist aus den Argumenten ersichtlich. Die grösste Angst ist die Wirkung auf andere Zitterkandidaten, nicht die Zukunft des griechischen Volkes. Eine souveräne Wertegemeinschaft wäre in der Lage, den Fehltritt eines wirtschaftlich relativ unbedeutenden Mitgliedes solidarisch wegzustecken. Wenn aber die Gemeinsamkeit nur auf finanziellen Interessen eines zudem schon wieder aufgeblähten Systems beruht, kann auch der Kleinste das ganze Gebilde gefährden.

Fast sämtliche Experten sind sich einig darin, dass Griechenland kaum eine vernünftige Chance hat, seine Schulden in nützlicher Frist abzustottern. Dasselbe gilt auch für weitere Länder der EU. Einzig die Interessen des Finanzsektors halten hier die Fassaden eines potemkinschen Dorfes hoch, mit den Politikern als willigen Helfern. Sollte Griechenland sich gegen den Verbleib im Euro entscheiden, bekommt diese Fassade gewaltige Risse. Die EU hat also ein grosses Interesse, dass Griechenland als Fall einer gelungenen Krisenbewältigung zu einer stärkeren Bindung der Gemeinschaft beiträgt. Dafür wird sie zu gegebener Zeit weitere Kompromisse eingehen.

 

 

 

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