Die Sicht des Raiffeisen-Ökonomen: Wetten dass?

Die Sicht des Raiffeisen-Ökonomen: Wetten dass?
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen. (Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Mehrheit eines Volkes Nein sagt zu weiteren Entsagungen und seine im Vorfeld des Referendums in Griechenland in die Waagschale geworfene Würde verteidigt. Doch wer in Griechenland nun glaubt, das ändere viel, der dürfte sich täuschen. Denn es kann nur noch darum gehen einen politisch faulen Kompromiss zu erringen, der alle Parteien davor bewahrt, vollends das Gesicht zu verlieren.

Sowohl in Brüssel als auch in Athen steht weiterhin viel auf dem Spiel. Das Dilemma von Brüssel und Athen ist nun, dass eigentlich keiner einknicken kann. Brüssel hat auch anderen Eurostaaten strenge Auflagen auferlegt, die diese – zwar zähneknirschend – aber umgesetzt haben. Warum also sollte man bei Griechenland eine Ausnahme machen?

Jedes weitere Zugeständnis Brüssels an Griechenland wäre gerade unter diesem Gesichtspunkt alles andere als konsequent. Nur mit der Willensäusserung, an einem Griechenland in der Eurozone festhalten zu wollen, ist es aber auch nicht getan. Alexis Tsipras fühlt sich durch den griechischen Volkswillen nun erst recht ermutigt, keine weiteren namhaften Zugeständnisse mehr zu machen, denn sonst würde er zu Hause schlecht dastehen. Daher kann man schon mal sicher darauf wetten, dass das Ende mit Schrecken zumindest nochmals hinausgeschoben wurde. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch darauf, dass jetzt das endlose Feilschen wieder weiter geht. Wetten dass?

Warten, hoffen und bangen
Heute Dienstag gilt also mal wieder: Warten auf (neue Vorschläge aus) Athen. Und bis dahin dürften EU, EZB und IWF Athen die Stange halten. Wir stehen also wieder exakt da, wo wir schon vor zwei Wochen standen: Hoffen, dass es zu einer Lösung zwischen Athen und Brüssel kommt. Die jeweiligen Reaktionen der Finanzmärkte auf die Kakophonie der letzten Verhandlungsmarathons lassen vermuten, dass auch das Bangen wieder mit hinein spielen wird. Vor zwei Wochen reagierten die Märkte am Montag mit einem Kursfeuerwerk auf den vermeintlichen Verhandlungsdurchbruch. Eine Woche später brachen die Märkte ein, als der Grexit schier unausweichlich schien und tendierten den Rest der Woche volatil aber lustlos.

Es ist leider absehbar, dass das so weiter gehen wird, bis der nächste Eskalationspunkt erreicht ist. Die Aktienmärkte dürften davor kaum erfolgreich nach oben ausbrechen und weiterhin korrekturanfällig bleiben. Vom Juli versprechen wir uns von den Aktienmärkten daher nicht sehr viel und werden taktisch eher untergewichtet bleiben.

Inkonsequenz
Eine Lösung des Griechenlandzwistes ist überfällig. Nicht nur an den Finanzmärkten ist man des Wartens, Hoffens und Bangens längst überdrüssig. Und jetzt sind auch noch bald Ferien. Es bleibt abzuwarten, ob davor überhaupt noch zielstrebig nach einer Lösung gesucht wird oder die Exekutiven Europas sich nicht erst ein paar Tage Ruhe gönnen. Wohlverdient wären diese Ruhetage kaum, denn noch befindet sich die Welt auf einer Odyssee mit ungewissem Ziel. Und ausser gescheiterten Verhandlungen haben beide Parteien bis anhin nichts vorzuweisen.

Verhandlungen sind demnach nicht die Lösung. Konsequenz hingegen schon. Den Euro behalten wollen, aber Reformen und die Haushaltskonsolidierung schleifen zu lassen, ist absolut keine Verhandlungslösung. Den Griechen kann das aber egal sein, so lange Brüssel nicht konsequent handelt, Ultimaten durch neue Ultimaten ersetzt und selbst nach dem abgelaufenen Ultimatum noch nicht den Stecker zieht. Inkonsequenz regiert in Brüssel. Griechenlands Stärke ist Europas Schwäche und die wurde in den letzten Jahren schonungslos offen gelegt. Sind es schon zehn Jahre? Gefühlt allemal.

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen

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