Europartner setzten Tsipras unter Druck: Reformen oder «Grexit»

Europartner setzten Tsipras unter Druck: Reformen oder «Grexit»
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Twitter)

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Twitter)

Brüssel – Die Europartner setzen Griechenland unter Druck, für neue Hilfsmilliarden mehr zu sparen und Reformen unverzüglich in die Tat umzusetzen. Der Euro-Krisengipfel in Brüssel debattierte am Sonntag einen vierseitigen Forderungskatalog der Euro-Finanzminister, der auf einen weitreichenden Umbau des Staates abzielt. Dabei geht es unter anderem um Privatisierungen von Staatsbesitz und eine Verwaltungsreform.

Das Treffen der 19 «Chefs» drehte sich darum, ob Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket aufgenommen werden können. Dafür soll der Eurorettungsschirm ESM in Anspruch genommen werden. Der Plan soll über drei Jahre laufen und einen Umfang von 74 Milliarden Euro haben.

Falls hingegen keine Gespräche über einen neuen Plan beginnen können, droht Griechenland die Pleite und der Austritt aus der Eurozone. Die Finanzminister der Eurozone drohten in ihrem Papier in einer Formulierungsvariante in beispielloser Weise damit, dass Griechenland vorrübergehend die Eurozone verlassen müsse, falls kein Kompromiss gelinge. EU-Parlamentschef Martin Schulz warnte bereits: «Wir müssen vermeiden, dass Griechenland und die Griechen gedemütigt werden.»

Euroländer gespalten
Unter den Staaten gibt es erhebliche Unstimmigkeiten über den Griechenland-Kurs. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte vor dem Treffen, eine «Einigung um jeden Preis» werde es nicht geben. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte dagegen: «Frankreich wird alles machen, um heute Abend eine Vereinbarung zu finden.» Paris macht sich seit längeren für die Griechenland-Rettung stark.

Am Vortag hatte ein Papier des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble für Irritationen gesorgt, das eine mindestens fünfjährige Eurozonen-«Auszeit» Griechenlands ins Spiel brachte, falls Athen seine Reformvorschläge nicht nachbessert.

Hollande wandte sich dagegen und sagte, es gebe keinen provisorischen «Grexit». «Es gibt Griechenland in der Eurozone, oder Griechenland (ist) nicht mehr in der Eurozone.» Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte mit Blick auf den «Grexit»: «Aktuell ist er vom Tisch, ja.»

Hollande sagte: «Ein Grexit würde bedeuten, dass Europa sich rückwärts bewegt. Ich möchte das nicht.»

Treffen im kleinen Kreis
Am Abend berieten Kanzlerin Merkel, Hollande und EU-Ratspräsident Donald Tusk mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sowie seinem Finanzminister Euklid Tsakalotos im kleinen Kreis über Lösungswege. Diplomaten rechneten beim Gipfel mit langen und harten Verhandlungen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich optimistisch: «Wir werden heute bis zur allerletzten Millisekunde an einer Lösung arbeiten. Und wir werden auch – wie ich hoffe – zu einer Lösung kommen.»

In dem Papier fordern die Euro-Finanzminister, ein erstes Gesetzespaket bis Mittwoch (15. Juli) zu verabschieden. Dabei geht es etwa um eine Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer sowie die Reform des Rentensystems.

Schulz forderte, dass Athen die Kontrolle über den geplanten Privatisierungsfonds behalten müsse. Athen soll Vermögenswerte an diesen Treuhandfonds in Luxemburg übertragen, der sie verkaufen und damit Schulden abtragen helfen soll. Die mögliche Grössenordnung der Vermögenswerte wird in dem Papier mit 50 Milliarden Euro beziffert. «Man kann das Nationalvermögen Griechenlands nicht in die Hände anderer geben», sagte Schulz.

Ohne Einigung überliessen die Euro-Finanzminister nach zweitägigen Beratungen den Staats- und Regierungschefs eine Lösung der Griechenland-Krise. «Eine Reihe von wichtigen Fragen ist noch offen», sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Gipfelchef Tusk hatte kurzfristig den für den Abend angesetzten Sondergipfel aller 28 EU-Staaten zur Griechenlandhilfe abgesagt.

Die Uhr tickt
Die Zeit drängt, denn Griechenland droht die Pleite. Das Land muss im laufenden Monat 4,2 Milliarden Euro an die Gläubiger zurückzahlen, die es nicht hat. Der Finanzbedarf Griechenlands für die kommenden Jahre wird auf 82 bis 86 Milliarden Euro geschätzt.

Das Land erhielt in den vergangenen fünf Jahren 240 Milliarden Euro an internationalen Hilfen. Das nach monatelanger Hängepartie vorgelegte aktuelle Sparpaket umfasst auch eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen.

Auch im Falle einer Einigung in der Eurogruppe auf ein neues Hilfsprogramm sollen in Griechenland bis auf weiteres Einschränkungen im Kapitalverkehr in Kraft bleiben. Die Banken sind seit mehr als einer Woche geschlossen. Die Griechen können derzeit an den Geldautomaten nur höchstens 60 Euro am Tag abheben.

Mehrere hundert Autonome und Bürger demonstrierten am Sonntagabend friedlich vor dem Parlament in Athen gegen die Fortsetzung der Sparpolitik. (awp/mc/upd/ps)

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