Tusk sagt EU-Sondergipfel zu Griechenland ab

Tusk sagt EU-Sondergipfel zu Griechenland ab
EU-Ratspräsident Donald Tusk.

EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Brüssel – EU-Ratspräsident Donald Tusk hat den für Sonntagabend angesetzten Sondergipfel aller 28 EU-Staaten zur Griechenlandhilfe abgesagt. Stattdessen werde es am Nachmittag nur ein ohnehin geplantes Gipfeltreffen der 19 Staats- und Regierungschefs der Euroländer geben, teilte Tusk am Sonntagmorgen auf Twitter ohne nähere Erläuterungen mit.

Der Eurozonen-Gipfel zur Beilegung der Schuldenkrise in Griechenland solle am Abend so lange dauern, bis die Gespräche abgeschlossen seien, hiess es von Tusk. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete, die Eurogruppe brauche mehr Zeit, um die Gespräche abzuschliessen.

Trotz des dramatisch steigenden Zeitdrucks gibt es in der griechischen Schuldenkrise aber wenig Aussicht auf eine rasche Lösung. «Es ist nicht möglich, heute eine Einigung zu finden», sagte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir am Sonntag vor Beginn der Gespräche der Euro-Finanzminister. Sie hatten ihre Beratungen am Vorabend nach neun Stunden abgebrochen.

«Wir brauchen so viel Zeit wie möglich, um die Gespräche in der Eurozone abzuschliessen», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel. Dabei soll es aber am Sonntag zumindest eine Entscheidung der Eurogruppe geben. Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone sind nach Einschätzung von Diplomaten entschlossen, beim Krisengipfel in Brüssel eine Entscheidung zu Griechenland zu fällen.

Absage des EU-Gipfels verschafft Eurozone mehr Zeit
Es gehe darum, ob Verhandlungen über neue Hilfsmilliarden aus dem Eurorettungsschirm ESM aufgenommen werden oder nicht, berichteten die Diplomaten am Sonntag. «Das ist ein entscheidender Augenblick in der europäischen Geschichte», sagte einer von ihnen, der ungenannt bleiben wollte. Dank der kurzfristigen Absage des Gipfels mit allen 28 EU-Staaten bleibe den «Chefs» der 19 Euroländer mehr Zeit für Beratungen. Das Spitzentreffen wird um 16.00 Uhr beginnen.

Es sei nur ein Konsens-Entscheid möglich – das heisst im Gegenschluss, dass ein Staat einen Beschluss verhindern könnte. Falls sich die «Chefs» gegen die Verhandlungen mit Griechenland aussprechen sollten, drohen die Staatspleite und der Austritt aus dem Eurogebiet.

Hoher Zeitdruck
Die Beratungen stehen unter enormem Zeitdruck. Das akut pleitebedrohte Land muss im laufenden Monat 4,2 Milliarden Euro an Gläubiger zurückzahlen, die es nicht hat. Griechenland brauche in den nächsten drei Jahren etwa 82 Milliarden Euro, hiess es aus Brüsseler Kreisen.

Das Land erhielt bereits in den vergangenen fünf Jahren 240 Milliarden Euro an internationalen Hilfen. Das nach monatelanger Hängepartie vorgelegte aktuelle Sparpaket umfasst auch eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen.

Schäuble bringt «Grexit» auf Zeit ins Spiel
In der Eurozone entbrannte eine Debatte um die Glaubwürdigkeit Athens. Vielen Staaten fehlt laut Dijsselbloem das Vertrauen, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die versprochenen Reformen wirklich umsetzen wird. Man frage sich, «ob der griechischen Regierung vertraut werden (kann), dass sie das tun, was sie versprechen», sagte er.

Für erhebliche Kontroversen sorgte ein von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Option eingebrachter Vorschlag einer mindestens fünfjährigen Auszeit Griechenlands aus der Eurozone. Darüber hatte zuerst die «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» berichtet. Entweder bessere Athen seine bislang unzureichenden Pläne rasch nach, oder das Land solle die Eurozone verlassen.

Kontroverse um Schäuble-Pläne
Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis wies den Vorschlag scharf zurück. Dies sei nur ein politisches Manöver, das dazu diene, eine Einigung in der Euro-Gruppe zu torpedieren, sagte der Minister dem TV-Sender Mega. Die Athener Regierung wirft namentlich nicht genannten EU-Ländern vor, es auf ein Scheitern der Verhandlungen über die Athener Spar- und Reformpläne abgesehen zu haben.

Schäubles Auszeit-Pläne sind nach dpa-Informationen mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel abgestimmt. «Die SPD verfolgt nach wie vor das Ziel, Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden können. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Bundesregierung», sagte Gabriel am späten Samstagabend der Deutschen Presse-Agentur.

Kritik aus den Reihen der SPD
Gabriel betonte, die SPD lege besonderen Wert auf ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen mit Frankreich. Der Chef der regierenden französischen Parti socialiste, Jean-Christophe Cambadélis, forderte in einer am Sonntag in Paris veröffentlichten Erklärung, Gabriel solle sich bei Kanzlerin Angela Merkel für Athen stark machen.

In den Reihen der SPD stiess der Schäuble-Vorschlag auf heftige Kritik. SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer forderte ein Ende der Debatte über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. Das Gerede um einen Grexit müsse sofort aufhören, verlangte er in der «Welt am Sonntag». «Wer sich monatelang am Grexit besoffenredet, wird bei der Euro-Rettung einen Brummschädel haben.»

Kapitalverkehrskontrollen sollen vorerst in Kraft bleiben
Auch im Falle einer Einigung in der Eurogruppe auf ein neues Hilfsprogramm sollen in Griechenland bis auf weiteres Einschränkungen im Kapitalverkehr in Kraft bleiben. Die Banken sind seit fast zwei Wochen geschlossen. Die Griechen können derzeit an den Geldautomaten nur höchstens 60 Euro am Tag abheben. (awp/mc/pg)

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