Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Mehr als eine Korrektur

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Mehr als eine Korrektur
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

Von Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen (Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Die vergangene Woche endete an der Börse insgesamt gesehen versöhnlich. Aber der Handel verlief sehr nervös. Man wurde den Eindruck nicht los, dass der Minicrash manchen die Lust auf Aktien verdorben hat. Kein Wunder, ist es doch nach dem Oktober 2014 und dem Januar 2015 der dritte, die Nerven aufreibende Rückfall, der gerade verraucht. Und da fragt sich der Anleger zu Recht, ob er das weiter mitmachen möchte. Dazu kommt die ernstzunehmende Auseinandersetzung der Finanzmärkte mit der Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft China.

Auch wenn jetzt die Finanzwelt gebannt auf die neusten Konjunkturdaten aus China wartet, sind die im Grunde nicht so wichtig wie die Frage, ob es der chinesischen Zentralregierung gelingt, mit ihren fragwürdigen Eingriffen Ruhe in die Märkte zu bringen. Naheliegend, dass man sich in Peking auch über ein Konjunkturprogramm Gedanken machen wird, wenn das Wachstum sich zu weit von den angepeilten 7% nach unten entfernt. Die Glaubwürdigkeit der Regierung ist nicht nur im Fokus der Märkte, sondern auch im eigenen Land auf dem Prüfstand, nachdem die geldpolitische Bazooka eher skeptisch aufgenommen wurde und die Explosionen in Tianjin Fragen aufwarfen. Ein hohes Wachstum hat das Land in jedem Fall nötig. Nur wenn die Regierung den versprochenen Wohlstand steigert, kann sie die politischen Freiheiten seiner Bürger weiter tief halten. Auch die chinesische Wirtschaft strebt nach mehr unternehmerischem Spielraum. Schon jetzt will China nicht mehr die Rolle der Werkbank der Welt spielen. Die Lohnkosten steigen derart, dass dies bald Tatsache sein dürfte. Das sind grandiose Herausforderungen, vor denen das chinesische Zentralregime steht.

Tücken für die Weltwirtschaft
Zweifellos hat auch eine schwächelnde Konjunktur in China seine Tücken für die Weltwirtschaft. Der Anteil der Exporte nach China (inkl. Hong Kong) an den schweizerischen Gesamtexporten beträgt beispielsweise 8%. Das sind immerhin 2.9% des BIP. Ähnlich sehen die Grössenordnungen für Deutschland aus. Südkorea hingegen liefert ein Drittel seiner Exporte nach China, 13.6% seines BIP. Australien ist Spitzenreiter unter den G20 Staaten mit einem China-Anteil an den Exporten von 36.1%. Mit anderen Worten: das China Geschäft ist für manche elementar, für einige wichtig, für viele das Zünglein an der Waage und nur für wenige vernachlässigbar. Im Falle Deutschlands korrigierten die Aktien zum Beispiel deshalb so hart, weil 13% des Umsatzes der DAX Unternehmen in China erwirtschaftet werden. Für Volkswagen etwa mit einem Chinageschäft von 33% ist es höchst elementar, wie viel weniger denn aus China nachgefragt wird, für BWM (18.7%) und Daimler (10.2%) zumindest wichtig. Trotzdem, die Realwirtschaft der Industriestaaten, allen voran die USA ist robust genug, um ein leicht tieferes Wirtschaftswachstum Chinas zu verkraften.

BRIC-Staaten werden zu Sorgenkindern
Der Schwächeanfall der Börsen ist denn auch eher den grundsätzlicheren Fragen um die Stabilität der chinesischen Wirtschaft und Gesellschaft geschuldet, als den jüngeren Konjunkturindikatoren. Die BRIC-Staaten, Brasilien, Russland, Indien und China, einst grosse Hoffnungsträger der Weltwirtschaft, werden mehr und mehr zu Sorgenkindern, im Falle Russlands oder Brasiliens, die nicht aus der Rezession raus finden, oder Unruheherden wie eben China. Das sind nun die Schattenseiten der Globalisierung, sozusagen deren Nebenwirkungen. Mit dem müssen die Märkte erst noch umzugehen lernen. (Raiffeisen/mc/ps)

China-Anteil (inkl. Hong Kong) an Exporten der  G-20 Staaten

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