EY: Botschaft zum FIDLEG – kein gleichwertiger Kundenschutz

EY: Botschaft zum FIDLEG – kein gleichwertiger Kundenschutz
Christian Röthlin, Partner bei EY Financial Service. (Foto: EY)

Christian Röthlin, verantwortlicher Partner für MiFID II & FIDLEG bei EY Schweiz (Foto: EY)

Zürich – Der Bundesrat hat am 4.11.2015 die Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) verabschiedet. Es wird eine der EU-Regulierung gleichwertige, den schweizerischen Gegebenheiten und dem Anlegerschutz adäquat angepasste Regelung anvisiert. Diese Ziele werden mit der aktuellen Vorlage nur teilweise erreicht. Das gilt namentlich für das neu vorgeschlagene Konzept zur Regulierung der Anlageberatung, welches im Vergleich zu Europa grundlegende Unterschiede enthält.

Überraschende Kehrtwende: Nachdem der Bundesrat im März und Juni 2015 begrüssenswerte Richtungsentscheide gefällt hat, gab es nur noch wenige Punkte, die man mit «Swiss finish» hätte betiteln können. Der aktuelle Vorschlag überrascht insofern, als er im Gegensatz zu allen vorangegangenen Publikationen mit wichtigen Kernanliegen der europäischen Regulierung nicht mehr übereinstimmt.

Abweichende Industriestandards für die Schweiz?
Der gewichtigste Unterschied der aktuellen Vorlage betrifft das Herzstück der Regulierung, die Eignungsprüfung im Rahmen der Anlageberatung. Bei einer Eignungsprüfung sind grundsätzlich Kenntnis und Erfahrung, Risikotragfähigkeit sowie Anlageziele des Kunden zu evaluieren, wobei bei einer Angemessenheitsprüfung lediglich Kenntnis und Erfahrung bezüglich des spezifischen Finanzprodukts abgeklärt werden müssen.

Im Widerspruch zur existierenden Regelung in Europa soll eine transaktionsbezogene Beratung gemäss aktueller Gesetzesvorlage nicht mehr einer Eignungs- sondern lediglich einer Angemessenheitsprüfung unterliegen. Dieses Konzept weicht vom Grundsatz «keine Beratung ohne vorgängige Eignungsprüfung» ab und  hat Konsequenzen für die Kunden selbst aber auch für bestimmte Institute. So stehen namentlich international ausgerichtete Anbieter
mit dieser Vorlage einmal mehr vor der Entscheidung, ob sie für die in der Schweiz gebuchten Kunden parallele Prozesse einführen wollen, je nachdem ob der Kunde inner- oder ausserhalb Europas domiziliert ist. Selbstredend mit allen damit verbunden zusätzlichen Implementierungs- und laufenden Kosten.

Konzeptionelle Unterschiede angebracht?
Insbesondere im Private Banking wurde die MiFID I mit ihrem transaktionsbezogenen Fokus zu Recht kritisiert. «Dass Beratung im Private Banking üblicherweise im Portfoliokontext erfolgt, wurde nicht genügend berücksichtigt», erklärt Stephan Geiger, Executive Director bei EY Schweiz.

Eine einfache und zeitgerechte Klarstellung seitens Gesetzgeber, namentlich dass ein Finanzprodukt empfohlen werden darf, solange es in einem Portfolio Kontext geeignet ist, hätte viel Umsetzungsmühe erspart.

In der aktuellen FIDLEG Vorlage wird nun eine entsprechende Unterscheidung von transaktionsbasierter Beratung und Beratung im Portfoliokontext vorgeschlagen. «Der Vorschlag vermischt die bisher klare Trennung zwischen beratenem und nicht beratenem Geschäft und den damit zusammenhängenden Prüfpflichten», sagt Christian Röthlin, verantwortlicher Partner für MiFID II & FIDLEG bei EY Schweiz.

Weiter fällt der Kundenschutz bei der transaktionsbezogenen Beratung tiefer aus, als bei der Beratung im Portfoliokontext. Ob diese aufsichtsrechtlich eingeführte Ungleichbehandlung unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten bestehen könnte, ist zu bezweifeln.

Aus Kundenschutzoptik muss auch der Spezialregelung, wonach ein Finanzdienstleister Kunden auch über ungeeignete Transaktionen beraten darf, wenn er vorgängig davon abgeraten hat, einiges an Skepsis entgegengebracht werden.

Ist der Marktzugang gefährdet?
Grundvoraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt ist die Gleichwertigkeit der schweizerischen Regulierung mit derjenigen Europas.

Die beschriebenen Abweichungen und der damit einhergehende geringere Kundenschutz im Bereich der transaktionsbezogenen Beratung stellen diese Gleichwertigkeit in Frage.

Zumindest werden die Chancen für einen Marktzugang durch konzeptionelle Unterschiede dieser Art nicht gerade gefördert.

Nun liegt der Ball beim Parlament
Da das neue Konzept im Bereich Anlageberatung etablierte Mechanismen vermischt, im Widerspruch zur Marktpraxis in Europa und zur ursprünglichen Vernehmlassungsvorlage in dieser Sache steht, bleibt zu hoffen, dass das Parlament die eine oder andere notwendige Korrekturmassnahme trifft. (EY Schweiz/mc/ps)

Über die globale EY-Organisation
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