RobecoSAM: CO2 und seine Kosten – Nichts gibt es umsonst

RobecoSAM: CO2 und seine Kosten – Nichts gibt  es umsonst

Von Roland Hengerer, PhD, Senior Sustainability Investing Analyst bei RobecoSAM. (Foto: RobecoSAM)

Zürich – Um einem potenziell katastrophalen Klimawandel vorzubeugen, vereinbarten die Teilnehmer des UN-Klimagipfels 2010, die Klima­erwärmung auf weniger als 2°C gegenüber dem Niveau vor der Industriellen Revolution zu begrenzen. Wenn wir diese Vorgabe um­setzen wollen, müssen wir die weltweiten Kohlendioxidemissionen bis 2050 drastisch verringern. Im Vorfeld der COP21-Konferenz, die zwischen November und Dezember in Paris stattfindet, werden nun verbindliche internationale Massnahmen zur Begrenzung des Kohlendioxidausstosses erwartet.

Wie auch immer der Klimagipfel ausgehen mag, die meisten Indus­triestaaten werden wohl mittelfristig einen Preis für CO2 einführen. Konzerne, die sich auf eine CO2-arme Wirtschaft vorbereitet haben, bieten Investoren attraktive Anlagechancen, während die Unter­nehmen, die den neuen Kostenfaktor nicht berücksichtigen, wohl bald mit rückläufigen Bewertungen zu kämpfen haben werden.

Dieser Artikel erläutert, wie sich CO2-Preise auf Energieversorger und Anleger auswirken werden. Da sich dieser Sektor bereits umfassend mit CO2-Preisen auseinandersetzen muss, kann er anderen Branchen als Beispiel dafür dienen, wie mit dem CO2-Risiko umzugehen ist.

Kaum ein Wirtschaftszweig bleibt verschont
Die am stärksten industrialisierten Gebiete verzeichnen auch den höchsten Kohlendioxidausstoss. Auf China, die USA und die Eu­ropäische Union entfällt mit 56 % mehr als die Hälfte der weltweiten Emissionen. Daher ist es auch nicht verwun­derlich, dass diese drei Regionen bereits CO2-Märkte eingerichtet haben, zumindest auf lokaler Ebene. Die EU entschied sich 2005 für einen europäischen Emissionshandel (das European Union Emissions Trading System oder EU ETS), während China und die USA sich derzeit noch mit lokalen Systemen begnügen. China kündigte kürzlich an, 2017 den CO2-Handel landesweit einführen zu wollen, und erhöhte so den Druck auf die USA, in den kommenden Jahren dem Beispiel zu folgen.

Zehn Jahre nach der Einführung des EU-ETS gewinnt die Idee auch in anderen Staaten Fahrt. Zehn Nationen sind für 75% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Viele haben sich bereits für ein Han­delssystem entschlossen, das den Kohlendioxidausstoss senken soll. Mehr als 40 Länder (vor drei Jahren waren es erst 20) und 20 subna­tionale Regionen belegen CO2 bereits mit einem Preis oder treffen diesbezüglich Vorkehrungen.

Obwohl die Preise der Emissionsrechte stark von Land zu Land variie­ren, dürfte kaum eine Branche komplett verschont bleiben. Der Stromsektor, der in Europa und den USA mehr als ein Drittel zum gesamten Kohlendioxidausstoss beiträgt, steht im Mittelpunkt der Regulierung von CO2-Märkten, aber auch viele andere Wirtschafts­zweige sind davon in unterschiedlichem Masse betroffen. Einige Sparten leiden bereits sehr darunter (etwa Kohle), während andere davon profitieren (erneuerbare Energien).1

Wie wirken sich CO2-Preise auf Energieversorger aus?
Als der Industriezweig, der weltweit am meisten Kohlendioxid emit­tiert, müssen Versorger damit rechnen, dass sie in immer mehr Regionen am Emissionshandel teilnehmen müssen. Obwohl CO2 immer noch relativ billig ist (ca. 10/t USD an den meisten Märkten), spielt der Preis bei Anlageentscheidungen zunehmend eine entschei­dende Rolle. Auch wenn sich der Anteil des Kohlestroms in einigen EU Ländern in letzter Zeit erhöht hat – Kohle ist immer noch die billigste Energiequelle, wenn man die CO2-Kosten nicht berücksichtigt – werden heute in Europa kaum noch neue Kohlekraftwerke geplant. Die wichtigste Kennzahl für Versorger ist die CO2-Intensität der Stromerzeugung (Tonnen CO2 pro erzeugte MWh). Die auf dieser Basis ermittelten Kosten für Emissionsrechte fliessen direkt in die Gewinnrechnung des Versorgers ein. Ein Anstieg des CO2-Preises um 1 Euro wirkt sich daher bereits deutlich auf den Gewinn der EU-Ver­sorger aus – je nach CO2-Intensität kann eine solche Preiserhöhung die Margen sogar um mehrere Prozentpunkte drücken. Obwohl es bereits eine Reihe von Finanzinstrumenten gibt, mit denen man sich gegen steigende CO2-Preise absichern kann, ist eine solche Strategie für Unternehmen mit hoher CO2-Intensität auf lange Sicht teuer.

Die sich abzeichnenden Preisbildungssysteme für CO2 stellen Unter­nehmen und Anleger vor neue Risiken, eröffnen aber auch neue Chancen. Marktteilnehmer, die sich nicht auf diesen Paradigmen­wechsel vorbereiten, könnten bald ins Hintertreffen geraten. Langfristig orientierte Anleger sollten daher Versorger herausfiltern, die eine niedrige CO2-Intensität aufweisen und nicht abgesichert werden müssen.

Erzeugungsmix als wesentlicher Erfolgsfaktor in einer CO2-armen Zukunft
Die CO2-Intensität wird durch den Erzeugungsmix bestimmt: Kohlestrom erzeugt rund 1 t CO2 /MWh, Gas etwa die Hälfte, Kernen­ergie, Wasserkraft und erneuerbare Energien gelten in diesem Zusammenhang als sauber (< 0,05 t/MWh)2. Zudem fallen bei erneuerbaren Energien keine Brennstoffkosten an. Auf lange Sicht
ist der Erzeugungsmix eines Versorgers also ein wesentlicher Erfolgs­faktor.

Die CO2-Intensität der Versorger mit einem hohen Stromanteil aus Kernkraftwerken (etwa EDF oder Centrica) ist in der Regel sehr ­niedrig. Der Betrieb von Kernkraftwerken ist aber mit vielen opera­tionellen, regulatorischen und politischen Risiken behaftet, die diesen Vorteil wieder zunichtemachen.

Im Gegensatz dazu bieten sich erneuerbare Energien als natürliche Absicherung gegen steigende CO2-Preise an. Versorger wie EDP oder Iberdrola sind deshalb auch bei steigenden CO2-Preisen gut auf­gestellt. Aufgrund ihres Produktionsmix sind diese Unternehmen zudem auch am besten aufgestellt, den Markt der erneuerbaren Energien in den Schwellenländern zu erschliessen.

Konzerne mit einem hohen Anteil an Kohlekraftwerken (die oft ­Lebensdauern von 40 Jahren und länger haben) laufen Gefahr, dass ihre Anlagen dauerhaft unwirtschaftlich werden, wenn Kohle infolge anziehender CO2-Preise (oder aufgrund anderer umweltpolitischer Entscheidungen) nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Einige institutio­nelle Anleger wie etwa der norwegische Staatsfonds haben bereits Pläne angekündigt, sich aus Versorgern, die mehr als 30 % des Stroms mit Kohle erzeugen, zurückzuziehen.

Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden CO2-Märkte weltweit ist der aktuelle bzw. zukünftige Erzeugungsmix ein wichtiger Faktor für die finanzielle Gesundheit von Stromerzeugern. Das Corporate Sus­tainability Assessment (CSA) von RobecoSAM beruht auf einer Reihe von CO2-Indikatoren. Ziel ist es, diejenigen Versorger zu identifizieren, die von den langfristigen Risiken und Chancen profitieren, die sich durch den Emissionshandel ergeben. Das CSA umfasst Informationen zu allen wichtigen Aspekten: Governance (zum Beispiel Anreize für die Geschäftsführung), Strategie (Marktchancen und Investitionen), Umwelt (Erzeugungsmix, Klimastrategie, Ökobilanz, Umweltman­agementsysteme etc.) und Gesellschaft (Engagement mit Stakehold­ern). Auf diesem Gebiet heben sich attraktive langfristige Anlagen hervor wie z.B. Iberdrola, EDP und ENEL (deren Klimastrategie sogar kürzlich von Greenpeace gelobt wurde).

Anlagestrategien, die CO2-Risiken berücksichtigen
Investoren müssen die Auswirkung potenziell unwirtschaftlicher Kraftwerkparks auf die Bewertung ihrer Wertpapiere verstehen. Anhand einer Beurteilung ihrer Positionen können Anleger dann eine pragmatische Strategie bestimmen, und ihr Engagement in Unternehmen, die hauptsächlich fossile Brennstoffe einsetzen, mit Investitionen in Titeln ausgleichen, die von steigenden CO2-Preisen profitieren.

Chancen für CO2-bewusste langfristige Anleger
Trotz der neuen Herausforderungen sind einige Energieversorger in der sich abzeichnenden CO2-armen Welt besonders gut aufgestellt. Konzerne, die schon frühzeitig auf erneuerbare Energieträger gesetzt haben und diese erfolgreich nutzen, gelten als besonders vielverspre­chende langfristige Anlagechancen. Vorausblickende europäische Versorger wie Enel, Iberdrola oder EDP haben ihr boomendes Ges­chäft mit erneuerbaren Energieträgern (EE) ausgegliedert und als selbstständige Unternehmen etabliert. Während Iberdrola (und jüngst auch Enel) ihre EE-Sparten wieder in den Mutterkonzern eingegliedert haben, ist EDP Renovaveis (EDPR) weiterhin separat an der Börse gelistet. Auf mittlere bis lange Sicht könnten Gesellschaften wie EDPR, die nicht unter der Last der konventionellen Stromerzeu­gung leiden, sogar ihr Stammhaus übertreffen, so wie einige Mo­biltelefonanbieter ihre Festnetz-Mütter überrundet haben. Iberdrola, einer der ersten Versorger, der das Windgeschäft ausgegliedert hat, ist zudem ein interessanter Kandidat, weil der Konzern 20 % an Gamesa – einem führenden Windturbinenhersteller – hält. Diese Beteiligung verspricht operationelle Synergien und einen Weg aus der immer stärker kränkelnden konventionellen Stromerzeugung.

Zudem wachsen Enel, EDPR und Iberdrola weltweit, insbesondere in Latein- und Nordamerika. Die internationale Erfahrung dürfte ihnen erlauben, einen riesigen Markt von mehr als 1 Milliarden Menschen zu bedienen, die derzeit noch keinen Zugang zu Stromnetzen haben, und für die sich erneuerbare Energieträger wegen der geringeren Kosten am besten eignet. Da diese Unternehmen auch noch eine führende Position bezüglich erneuerbarer Energien in den Industri­eländern einnehmen, sollten sie zu den Siegern der Energiewende zählen.

In den letzten Jahren haben Versorger aufgrund des steigenden CO2-Risikos, der strengeren Regulierung und dem Erfolg von sauberer, dezentralisierter Stromerzeugung ihren Ruf als defensive Investitio­nen verloren. Die oben hervorgehobenen Unternehmen scheinen jedoch trotz allem die wachsenden Risiken auszugleichen zu können, und stellen damit weiterhin attraktive Investitionen dar.

Das CO2-Risiko durch aktives Engagement senken
Eine aktive Einflussnahme bei der Formulierung der CO2-Strategie von Unternehmen ermöglicht ebenfalls, das CO2-Risiko von Unter­nehmen zu reduzieren. Dieses Jahr fokussiert sich das Governance & Active Ownership Team von RobecoSAM auch auf Stromerzeuger. Wir wollen die Umsetzung proaktiver, ehrgeiziger Umweltstrategien fördern, sowie deren Umsetzung in operativer Exzellenz und innova­tiven Geschäftsmodellen. Im Rahmen dieses Engagements rechnen wir damit, die Stromerzeuger zu ambitiösen Massnahmen zu bewe­gen, um den Kohlendioxidausstoss deutlich zu senken.

Fazit
Weltweit werden Bemühungen erkennbar, die Kosten von CO2 über Marktmechanismen zu internalisieren, die zahlreiche Wirtschaftsz­weige betreffen werden. Aufgrund der einschneidenden Änderungen dürfte die Umstellung jedoch noch lange Jahre dauern. Trotzdem sollten sich langfristig orientierte Unternehmen und Anleger bereits heute darauf vorbereiten.

Unternehmen müssen sich der neuen Realität anpassen und Sys­teme für die Bilanzierung von CO2 Emissionen aufbauen. Ein erster Schritt wäre die Einführung interner CO2-Preise. Der Stromsektor könnte als Beispiel dienen, weil sich diese Branche bereits umfas­send mit dem CO2-Risiko befasst hat.

Investoren müssen damit beginnen, die ökologischen Auswirkungen ihrer Anlagen zu messen. Anleger sollten sich gegen das CO2-Risiko absichern, während Vermögensverwalter diese Herausforderung als Chance sehen dürften, sich zum Beispiel mit neuen Impact Invest­ing-Lösungen von der Konkurrenz abzuheben.

CO2-Intensität und Unternehmensgewinne
Absolut gesehen sind sehr unterschiedliche Kohlendioxid­werte festzustellen: RWE oder Duke Energy stossen jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus (mehr
als viele Staaten insgesamt produzieren), während andere Konzerne wie Centrica oder Sempra nur auf knapp 10 Mil­lionen Tonnen kommen.

Aufgrund des verbindlichen EU-Handelssystems sind die CO2-Preise (und Preisrisiken) bei europäischen Versorgern wie RWE oder Centrica bereits eingepreist. Da es in den USA keinen landesweiten Emissionshandel gibt, müssen die Risiken der US-Versorger separat berücksichtigt werden. Duke Energy erzielte 2014 zum Beispiel mit 125 Millionen Tonnen Kohlendioxid einen Reingewinn von 1,9 Milliarden USD. Sempra Energy, die bereits am kalifornischen Han­delssystem teilnimmt, erwirtschaftete hingegen mit nur 7 Millionen Tonnen Kohlendioxid einen Jahresüberschuss von 1,2 Milliarden USD. Ein USA-weiter CO2-Preis von 10 USD/t (vergleichbar mit den gegenwärtigen CO2-Preisen in Europa und Kalifornien) würde mehr als 60 % des aktuellen Gewinns von Duke Energy, aber nur 6 % des Gewinns von Sempra entsprechen. (RobecoSAM/mc/ps)

1 Einem Bericht des Carbon Disclosure Project (CDP) zufolge hat sich im letzten Jahr die Anzahl der Unternehmen, die intern CO2-Preise festsetzen, verdreifacht. Diese Tatsa­che zeigt, dass die Preise für die gesamte Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen.
2 Trotzdem kann ein schlecht konzipiertes Wasserkraftwerk mehr Kohlendioxid ausstossen als ein Kohlekraftwerk!
3 Ende 2014 kündigte EON an, das konventionelle Geschäft abspalten zu wollen. Der verbleibende Rumpf wäre ebenfalls ein interessantes CO2-armes Investment.

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