Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Populisten

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Populisten
von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)

St. Gallen – Jetzt auch noch die sonst als sehr besonnen geltenden Deutschen mit ihrer dunklen Vergangenheit. Beinahe jedes Land in Europa hat in den letzten Jahren seinen kleinen Rechtsrutsch erlebt – nur Deutschland nicht. Bis zu den Wahlen vom vergangenen Wochenende. Jetzt ist Frau Merkel mit ihrer Alternativlosigkeit nicht mehr allein.

Der erdrutschartige Wahltriumph der Alternative für Deutschland in drei Bundesländern ist ein doppeltes Warnsignal. Eines geht klar in Richtung Bundeskanzlerin, die irgendwann in ihrer Erfolgsverwöhntheit und vor lauter Machtbesessenheit die Bodenhaftung verloren zu haben scheint und so aufgehört hat, das Volk ernst zu nehmen. Das Volk möchte nämlich von Merkel nicht mehr hören „wir schaffen das“, sondern wie es das alles schaffen soll. Das zweite Signal geht Richtung Europa oder noch besser gegen den Euro, der bei den Deutschen alles andere als beliebt ist, von Frau Merkel aber als alternativlos betrachtet wird. Die Euroskepsis war wohl noch nie so gross in Deutschland, was auch daran liegt, dass sich Deutschlands leistungsfähige Wirtschaft in einem Weichwährungsblock wähnt.

Ob sich die Alternative für Deutschland in der politischen Landschaft nachhaltig platzieren kann, ist schwer zu prognostizieren und fürs erste gar nicht so relevant. Entscheidend ist vielmehr, dass es gar nicht so sehr um Alternativen ging bei dieser Wahl, sondern eher um Feedback, wie das heute so schön heisst. Feedback für die Bundesregierung, namentlich für ihre Flüchtlingspolitik und ihre Eurorettungsaktionen. Und dieses Feedback fiel vernichtend aus, das ist die sicherste Schlussfolgerung, dies aus den drei Landtagswahlen gezogen werden kann. Deutschland hat nun aber auch eine neue politische Kraft, die als Alternative zum etablierten politischen System – zumindest fürs erste – ganz gut ankommt. Das ist umso erstaunlicher, als aus den Kommentaren der Parteiangehörigen wenig Bereitschaft durchschimmerte, konstruktive Lösungen für die Zukunft Deutschlands aufzuzeigen. Einzig der Wille zur Opposition war bisher spürbar. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass das politische Klima nun frostiger wird in Deutschland, aber auch in Europa.

Am Volk vorbeiregiert
Wenn auch Deutschland in der EU eine dominante Rolle spielt und vom schwachen Euro etwas profitiert, empfinden das viele Deutsche völlig anders. Sie fühlen sich aus Brüssel bevormundet und haben den Eindruck, dass Deutschland für die unseriöse Haushaltsführung vieler Mitgliedsstaaten aufkommen muss, als selbsternannter Zahlmeister Europas. Es erzeugt auch Skepsis bei den Deutschen, dass ihre Währung lediglich noch aus Frankfurt gesteuert wird und nicht mehr von Deutschland. Dass die Europäische Zentralbank im internationalen Währungswettlauf an vorderster Front mitkämpft und alles daran setzt, den Euro weichzuklopfen, sorgt für weitere Skepsis im Volk. Zumal auch der EZB-Präsident ähnlich am Ende seines Lateins angekommen zu sein scheint wie die deutsche Bundeskanzlerin. Vor der Komplexität der Geldpolitik kapituliert inzwischen ohnehin fast jeder Normalbürger. Selbst die Akteure an den Finanzmärkten verstehen nicht mehr, was die EZB jeweils aus ihrem Hut zaubert, ahnen aber insgeheim, dass es ähnlich wie in der klassischen Politik nicht mehr als geschickte Rhetorik ist. Unterschwellig hat sich so in der Bevölkerung das Gefühl aufgestaut, etwas laufe aus dem Ruder.

Zweifel am Establishment
Wenn man sich nun noch Baden-Württemberg zuwendet, kommt ein weiteres Phänomen zum Vorschein. Das „Ländle“ ist eine traditionelle Hochburg der CDU, wo sie jahrzehntelang allein regierte. Nur in Bayern waren die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten der CDU/CSU noch ausgeprägter. Doch nun sind die Grünen die stärkste Partei im Ländle, dem einstigen Kernland der CDU, das schon 2011 Geschichte schrieb, als es mit Winfried Kretschmann erstmals einen Grünen zum Ministerpräsidenten kürte. Was damals noch stark nach Personenwahl roch und daher nicht als Richtungswechsel interpretiert werden konnte, erhält nun schon etwas mehr Konturen.

Es geht in immer mehr hochindustrialisierten Gesellschaften nicht nur um einen Protest am politischen Establishment sondern um generelle Zweifel. Zweifel am System der freien oder auch sozialen Marktwirtschaft, am Segen von Globalisierung und Konvergenz und vor allem aber der Allmacht von Politik im Besonderen. Das ist eine durchaus marktrelevante Überlegung, da das Misstrauen gegenüber der Politik auch vor den Finanzmärkten nicht Halt macht. Die gaben den Politikern bekanntlich immer wieder zu verstehen, dass zu viele Schulden ungesund sind. Bis die Geldpolitik das Zepter übernahm und für vermeintliche Ruhe an der Schuldenfront sorgte. Sollte die Geldpolitik nun wie Frau Merkel und die renommierten Parteien in Deutschland ihre Glaubwürdigkeit weiter aufs Spiel setzen, dürfte der Markt zu ähnlichen Reaktionen neigen wie die deutschen Wähler.

Viel Zeit haben Yellen, Draghi, Kuroda oder Jordan schon gekauft, mit vollmundigen Ankündigungen jeweils wirkungsvoll inszeniert, aber letztlich ist sie jeweils verstrichen. Politik ist eben keine Wissenschaft, genau so wenig wie Wirtschaft, auch wenn die Universitäten in den entsprechenden Fakultäten akademisieren. Momentan arbeiten wahrscheinlich Heerscharen daran, den Nutzen von Negativzinsen nachzuweisen. Doch ist das wirklich nötig, denn Wissen nicht längst alle, dass etwas Negatives kaum gut sein kann?

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen

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