Obama zu Merkel: «Auf richtigen Seite der Geschichte»

Obama zu Merkel: «Auf richtigen Seite der Geschichte»

Hannover – US-Präsident Barack Obama hat sich demonstrativ hinter die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestellt. «Sie ist auf der richtigen Seite der Geschichte», sagte er am Sonntag nach einem Treffen mit Merkel bei seinem vermutlich letzten Deutschlandbesuch als Präsident in Hannover. «Sie ist wegen ihres Durchhaltevermögens zu bewundern.»

Beide warben eindringlich für das geplante und in Deutschland hoch umstrittene Freihandelsabkommen von EU und USA (TTIP) und mahnten zru Eile. In Obamas Amtszeit wird es aber wohl nicht mehr abgeschlossen werden. Bis Anfang 2017 könnten die Verhandlungen zwar beendet werden, sagte der Präsident. Wegen des US-Wahlkampfs sei ein endgültiger Beschluss der Parlamente – eine Ratifizierung – bis dahin aber unwahrscheinlich.

Merkel meinte: «Wir haben ein einzigartiges Zeitfenster, wenn es um das transatlantische Abkommen geht. Wir müssen das Zeitfenster nutzen, es wird sonst so schnell nicht mehr kommen.» Sie mahnte auch: «Es ist Zeit, viele Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 26 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, ein neues Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft abzugeben.»

Das Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive sehr wichtig für das Wirtschaftswachstum in Europa. «Ich bin froh, dass der Präsident die Verhandlungen unterstützen will. Wir sollten unseren Teil dazu beitragen», sagte Merkel. Sie zeigte aber auch Verständnis für die Sorgen der Gegner. Das Freihandelsabkommen TTIP ist besonders in Deutschland umstritten. Am Samstag hatten Zehntausende in Hannover dagegen demonstriert. Sie befürchten eine Senkung von Standards und kritisieren mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen.

Obamas fünfter Deutschland-Besuch
Der im Januar scheidende Präsident hält sich zum fünften Mal in seiner Amtszeit in Deutschland auf. Er war aus London kommend am Sonntagmittag in Hannover gelandet und von Merkel auf Schloss Herrenhausen mit militärischen Ehren empfangen worden. Am Abend eröffneten beide die Hannover Messe, die weltgrösste Industrieschau, auf der die USA in diesem Jahr Partnerland sind. Obama bleibt bis Montag.

Obama führte Merkels Flüchtlingspolitik auf ihre Herkunft zurück. «Angela versteht die Sehnsucht derer, denen ihre Freiheit verwehrt wurde und die nach einem besseren Leben suchen.» Die USA müssen sich allerdings Vorwürfen erwehren, vergleichsweise wenige Flüchtlinge ins Land zu lassen. Obama hatte zuvor gesagt, die USA nähmen in diesem Jahr 85 000 Flüchtlinge auf, davon 10 000 Syrer. Er wisse, dass das viel weniger sei, als Deutschland aufgenommen habe. Hier kamen im vorigen Jahr rund eine Million Flüchtlinge an.

Der US-Präsident lobte die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Merkel. «Du bist während meiner gesamten Präsidentschaftszeit eine Vertraute gewesen», sagte der Präsident nach dem knapp zweistündigen Gespräch. «Ich möchte Dir persönlich für die Freundschaft danken.»

Zweieinhalb Monate vor dem Nato-Gipfel in Warschau drängte Obama die Bündnispartner, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen: «Es ist wichtig für alle Nato-Mitglieder, zu versuchen dieses Ziel zu erreichen.»

Die Nato hatte dieses Ziel auf ihrem letzten Gipfel 2014 bekräftigt. Die meisten europäischen Bündnispartner verfehlen es aber deutlich. Deutschland liegt bei 1,1 Prozent, die USA dagegen bei 3,5. Der deutsche Verteidigungsetat soll zwar bis 2020 von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro wachsen – das Nato-Ziel wird aber nicht annäherend erreicht.

Merkel sagte, Deutschland nähere sich dem Nato-Ziel an. «Ich glaube, dass die ganze Aufstellung der Bundeswehr die internationale Verantwortung voll reflektiert», sagte sie. «All das hilft auch, die Herausforderungen zu bestehen.»

Sorge um Syrien
Beide zeigten sich tief besorgt über die Kämpfe in Syrien. Merkel sagte, man sei einig, alle Kraft darauf zu lenken, den Friedensprozess zum Erfolg zu führen.

Kämpfe mit vielen Toten in Syrien lassen die Befürchtungen vor einem Scheitern der Waffenruhe in dem Bürgerkriegsland wachsen. Die syrische Opposition sieht die vereinbarte Waffenruhe verletzt. Sie hat die dritte Runde der Syrien-Gespräche in Genf verlassen.

Im Ukraine-Konflikt dringen die USA und Deutschland auf Fortschritte. Beide Politiker legten Wert darauf, die Friedensvereinbarungen von Minsk schnell umzusetzen. Leider gebe es immer noch keinen stabilen Waffenstillstand.

Den von Nordkorea gemeldeten erneuten Raketentest verurteilte Obama. Er warf dem Regime eine «Provokation» vor. «Wir nehmen das sehr ernst.» Obama forderte zugleich China auf, stärker auf Nordkorea einzuwirken.

Am Montag wollen Obama und Merkel mehrere Messe-Aussteller besuchen, bevor Obama eine Rede hält, die den Schwerpunkt seines Besuchs bilden soll. Am Nachmittag stossen Grossbritanniens Premier David Cameron, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi zu Merkel und Obama hinzu und tagen quasi in einer Art G5-Format. Am späten Nachmittag will Obama wieder Richtung Heimat starten. (awp/mc/ps)

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