Brexit löst Schockwellen an Märkten aus – Zum Teil schnelle Erholung

Brexit löst Schockwellen an Märkten aus – Zum Teil schnelle Erholung

Zürich – Die Briten kehren der EU den Rücken. Nach ersten heftigen Verwerfungen an den Finanzmärkten haben sich die Kurse im Verlauf des Tages aber erstaunlich schnell erholt. Am Freitagmorgen brachen die Aktienkurse weltweit massiv ein. Pfund und Euro verloren rasant an Wert, Anleger flüchteten sich in die «sicheren Häfen» Gold, Anleihen, Franken oder Yen.

Der Preis für das als «sicherer Hafen» geltende Gold schoss auf bis zu 1358 Dollar je Feinunze (31 Gramm) – ein neuer Höchstwert seit Sommer 2014. Britische Internetnutzer googelten sechsmal häufiger «Gold kaufen» als sonst, ergab eine Google-Analyse.

Das britische Pfund sank dagegen am Freitagmorgen im Verhältnis zum Dollar bis auf 1,3229 US-Dollar. Das war der tiefste Stand seit dem Jahr 1985. Auch die europäische Gemeinschaftswährung verlor an Wert. Gegenüber dem US-Dollar büsste der Euro 3,5 Prozent ein, zwischendurch ging es bis auf 1,0913 Dollar herab, das niedrigste Niveau seit März.

Franken im Hoch
Der Aussenwert des Frankens legte zu. Im Verhältnis zu der Schweizer Währung fiel der Euro von über 1,10 zwischenzeitlich auf bis zu 1,06 Franken.

Die Deutsche Börse rief am Morgen den Ausnahmezustand aus: Kurse dürfen im sogenannten «Fast Market» stärker schwanken als üblich bevor der Handel gestoppt wird – ein Verfahren, erdacht für absolute Notsituationen wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009.

Die Börsen in Mailand und Madrid steuerten mit einem Minus von jeweils rund zehn Prozent auf die grössten Tagesverluste ihrer Geschichte zu. Investoren befürchteten in beiden Staaten ein weiteres Erstarken EU-kritischer Parteien und zogen daher ihr Geld ab. Auch an der Schweizer Börse zeigten sich Anleger panisch und trennten sich von Papieren.

Kurzer Spuk
Der Leitindex SMI fiel sogar auf den tiefsten Stand seit Januar 2015, dem Zeitpunkt, als die Schweizerische Nationalbank die Anbindung an den Euro aufhob.

Der morgendliche Crash habe zu einem weltweiten Verlust an Marktkapitalisierung von 5 Billionen US-Dollar geführt, umgerechnet 4,5 Billionen Euro, heiss es in Marktkreisen. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr der doppelten Wirtschaftsleistung Grossbritanniens.

Doch nach wenigen Stunden war der Spuk auch schon wieder grossteils vorbei. Euro und Pfund erholen sich deutlich von ihren Tiefständen, der Franken wurde wieder etwas schwächer. Der Euro grenzte seine Verluste ein und stieg auf 1,0838 Franken, nachdem die Schweizerische Notenbank SNB am Devisenmarkt intervenierte. Die Reaktion der Finanzmärkte sei «mit grosser Wahrscheinlichkeit deutlich übertrieben» gewesen, sagt Marktstratege Christian Kahler von der DZ Bank.

Viele Experten verweisen darauf, dass es angesichts der weiterhin am Boden liegenden Zinsen kaum Alternativen zur Geldanlage in Aktien gibt. Und sie sagen, dass die grossen Investoren auf soviel Barem sitzen wie selten zuvor.

Mut
Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets sieht «mutige Anleger» bereits wieder auf «Schnäppchenjagd» gehen. «Kaufen muss man dann, wenn alle anderen verkaufen.» Der Brexit sei «keineswegs das Ende der Welt», meint auch Mike van Dulken vom Broker Accendo Markets.

Wieder einmal sind es die Notenbanken, die den Finanzmärkten Halt geben. «Die EZB steht bereit, falls nötig, zusätzliche Liquidität in Euro oder ausländischen Währungen zur Verfügung zu stellen», erklärte die Europäische Zentralbank am Freitagmorgen.

Auch der japanische Finanzminister Taro Aso hat Markteingriffe in Aussicht gestellt. Und der britische Notenbank-Chef Mark Carney machte gleich eine Fernsehansprache und erklärte, mehr als 250 Milliarden Pfund bereitzustellen, um die Funktionsfähigkeit der Märkte aufrechtzuerhalten. (awp/mc/upd/ps)

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