Kurt E. Stirnemann: «Ich bin kein Schönwetterkapitän»


2002 war für den Industriekonzern Georg Fischer ein schwieriges Jahr, und das laufende wird nicht einfacher. Der designierte CEO, Kurt E. Stirnemann, verrät im Interview, wie er die Probleme anpacken will.

Von Lukas Schweizer


Kurt E. Stirnemann, designierter CEO von Georg Fischer, will das Unternehmen direkt und offen führen. (keystone)
Moneycab: Herr Stirnemann, am 12. März werden Sie der neue CEO von Georg Fischer. Was pflegen Sie für einen Führungsstil?
Kurt E. Stirnemann: Ich habe einen sehr direkten und offenen, aber auch sehr front- und marktorientierten Führungsstil. Ich verbringe nicht so viel Zeit in meinem Büro, ich bin lieber an der Aussenfront.

Sie treten Ihr Amt zu einem schwierigen Zeitpunkt an, GF hat mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Lösen Sie Martin Huber an der Spitze ab, weil Sie die Probleme lösen können?
Nein, der Führungswechsel kommt unabhängig von der wirtschaftlichen Situation und war schon länger geplant. Aber es stimmt, wir befinden uns in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld. Das schreckt mich aber nicht ab. Ich habe im Laufe meiner Karriere verschiedentlich harte Zeiten durchgemacht. Ich bin kein Schönwetterkapitän.

Was muss denn Ihrer Ansicht nach bei GF als erstes angepackt werden?
Ich glaube strategisch braucht es im Moment keine grossen Veränderungen. Wir werden die drei Unternehmensgruppen Fahrzeugtechnik, Rohrleitungssysteme und Fertigungstechnik (Agie Charmilles) weiterentwickeln. Das dringendste Problem ist, die Profitabilität zu verbessern und somit die Nettoverschuldung abzubauen.

Und wie wollen Sie das anpacken?
In der Fahrzeugtechnik haben wir neue Projekte in der Pipeline, die unmittelbar zu einer höheren Auslastung und zu mehr Umsatz führen. Bei den Rohrleitungssystemen und bei Agie Charmilles sind wir stärker von der Konjunktur abhängig. Wir wollen aber sicher in den wachsenden Märkten, wie China, mehr machen. Und wir wollen möglichst schnell in neue Marktsegmente einbrechen. Da sehe ich Möglichkeiten in der Lebensmittel- oder Pharmabranche, aber auch die Gas- und Wasserversorgung birgt für uns grosses Potenzial.

Georg Fischer betont immer wieder, wenn der wirtschaftliche Aufschwung komme, sei sie wieder bei den Leuten. Was ist aber, wenn sich der Aufwärtstrend weiter verzögert?
Wenn es weiter schlecht geht, gibt es immer Möglichkeiten, um ein Unternehmen weiter zu straffen…

… wo können Sie GF überhaupt noch straffen? Müssten Stellen abgebaut werden?
Das ist nicht so einfach vorauszusagen. Grundsätzlich könnten wir gewisse Kapazitäten reduzieren, vielleicht müssten einzelne Standorte geschlossen werden. Ob in der Schweiz oder im Ausland ist völlig offen. Solche Massnahmen kann man nicht theoretisch behandeln.

Georg Fischer wurde aus den USA mit einer Klage gedroht. GF soll in den 80er-Jahren Güter zur Herstellung von Chemiewaffen in den Irak geliefert haben. Macht Ihnen diese Androhung keine Kopfschmerzen?
Also erstens gibt es diese Klage noch gar nicht. Und zweitens haben wir diese Lieferungen, die im übrigen nicht einmal genau präzisiert sind, gut angeschaut. Sie sind unter den dazumaligen Bedingungen absolut rechtmässig erfolgt. Hier und heute sehe ich dem, was da kommen mag, gelassen entgegen.

In der Medienmitteilung heisst es, GF habe nie absichtlich oder wissentlich Lieferungen für die Produktion chemischer Kampfstoffe in den Irak geliefert. Aber GF wusste, dass gewisse ihrer Produkte zur Kampfstoffherstellung missbraucht werden können.
Wir haben die getätigten Lieferungen nach damals geltenden Exportvorschriften deklariert. Für uns war nicht ersichtlich, dass gewisse Güter für die irakische Rüstungsindustrie bestimmt waren. Aber ein Lastwagen, den man als Gütertransportmittel verkauft, kann natürlich auch zum Truppentransport eingesetzt werden. Diese Problematik besteht.

Jetzt noch eine ganz andere Frage. Sie wechslen von Agie Charmilles zu Georg Fischer. Verdienen Sie bei GF auch mehr?
Ich habe als CEO von Agie Charmilles letztes Jahr, inklusive Boni, 460’000 Franken verdient. Mein Vorgänger bei GF, Martin Huber, verdiente 2002 700’000 Franken. Mein neuer Lohn wird in diesem Rahmen sein. Sie sehen, Georg Fischer spielt da in einer ganz anderen Liga als Novartis. Sicher arbeitet Daniel Vasella (Anmerk. d. Red. Einkommen 2002: 20 Millionen Franken) sehr viel besser und länger als ich, und er hat auch ein profitableres Unternehmen. Dafür kann ich mit meinem Lohn ohne schlechtes Gewissen vor meine Mitarbeiter treten…

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