Die Swiss hat ein Informationsleck


Die Swiss hat ein Kommunikationsproblem. Erneut sind wichtige Informationen des börsenkotierten Flugkonzerns vorab in die Sonntagspresse gelangt: dieses Mal die Geschäftszahlen zum dritten Quartal.


Die Suche nach der undichten Stelle bei der Swiss geht weiter.(pd)

283 Millionen Franken Verlust hat die Swiss gemäss der jüngsten Ausgabe der «Sonntagszeitung» von Juli bis September eingeflogen: macht seit Anfang Jahr 613 Millionen Franken. «Wer sagt, dass die Zahlen stimmen?», entgegnet Swiss-Sprecher Jean-Claude Donzel. Ein Dementi ist ihm aber ebenso wenig abzuringen wie eine Bestätigung. Erst am (morgigen) Dienstag wird der Abschluss laut Donzel dann vorgelegt. «Der Verwaltungsrat der Swiss muss die Zahlen zuerst absegnen.»


Nicht das erste Mal
Der Vorfall erinnert an die Publikation der Zahlen zum ersten Betriebsjahr der Fluggesellschaft: Am Freitag, 14. März 2003, legte die Swiss elf Tage früher als geplant bereits erste Zahlen zum Jahresabschluss vor. Hinter vorgehaltener Hand hiess es damals bei der Swiss, man habe damit der «Sonntagszeitung» zuvorkommen wollen. Offiziell begründete die Swiss ihre Vorpublikation damit, dass die Zahlen vorgelegen hätten und die börsenkotierte Swiss ihrer Pflicht zur umgehenden Information der Öffentlichkeit nachkomme.


SWX hat keine Freude
Warum es dieses Mal nicht genau gleich ging – denn die Zahlen liegen offensichtlich vor -, liess die Swiss-Medienstelle offen. Am neuerlichen Leck hat die Schweizer Börse SWX «keine Freude», wie deren Sprecher Jürg von Arx sagt. Weiter will sie sich aber erst nach der Publikation der Zahlen äussern. Die Händler haben bereits reagiert. Die wenig liquiden Titel verloren am Dienstag bis zu 21,7 Prozent, erholten sich dann aber wieder etwas. Voruntersuchungen gegen die Swiss laufen bereits
Die Airline ist bereits mehrfach im Visier der SWX. Anfang Monat hatte die SWX bekannt gegeben, sie führe gegen die Swiss eine Voruntersuchung wegen eines möglichen Verstosses gegen das Kotierungsreglement durch. Dabei geht es um ein Interview, das Konzernchef André Dosé der Nachrichtenagentur Reuters gab. Darin hiess es, die Verhandlungen über den benötigten Betriebskredit stünden vor dem Abschluss. Laut Swiss ist dabei die englische Übersetzung von Reuters des auf deutsch geführten Interviews zu optimistisch ausgefallen. Bereits Ende Juli hatte die Schweizer Börse SWX eine Untersuchung gegen Swiss eingeleitet. Verschiedene Geschäftspartner der Fluggesellschaft waren vor dem Markt über die Abbaumassnahmen informiert worden, welche der Swiss-Verwaltungsrat am 24. Februar getroffen hatte. Wem nützen die Indiskretionen
Wer hat ausser der «Sonntagszeitung» ein Interesse an solchen Primeurs? Die Swiss verliert zwar weiter an Vertrauen, bei Kunden, Angestellten und Zulieferern. Die Medien werden am Dienstag aber versuchen, neue Aspekte zu erschliessen und den Fokus somit nicht mehr nur auf die schlechten Zahlen legen. Ideal für die Swiss wäre, wenn sie das Zustandekommen des benötigten Betriebskredits vermelden könnte. Vorwurf: Unredliche Kommunikationspolitik
Das Leck muss auch im weiteren Umfeld der Swiss gesucht werden. Neben der Geschäftsleitung und der Buchhaltung erhalten auch die Verwaltungsräte die Zahlen. Aber auch involvierte Banken, von denen weitere Betriebsgelder erwartet werden, können ein Interesse an Indiskretionen haben. Kritiker werfen aber auch der Swiss vor, dass sie sich mit ihrer Kommunikationspolitik nicht immer redlich verhält. Walter Bosch steht am Pranger
Am Pranger ist da der «Kommunikator» im Verwaltungsrat, ex-«Blick»-Chefredaktor Walter Bosch. So berichtete die Boulevardzeitung an forderster Front von den Verhandlungen mit der heutigen Allianzpartnerin British Airways. Schon Wochen voraus titelte der «Blick»: «Swiss wird britisch.» Gut gelegen kam der Swiss, dass gleichzeitig die «Sonntagszeitung» unter Berufung auf «informierte Kreise» berichtete, die Schweizer Airline plane das Zusammengehen mit der Lufthansa. So entstand neuer Druck auf die schleppenden Verhandlungen. Kann das Rätsel jemals gelöst werden?
Für Airline-Experte Thorsten Ramm vom «Touristik Report» ist nicht auszuschliessen, dass die Swiss bei den Allianzverhandlungen selber Gerüchte in Umlauf brachte. Ob jemals geklärt wird, wo die Lecks der Swiss sind, bleibt offen. Interne Abklärungen laufen, wie es heisst. (scc/afx/vom)

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