Arbeitgeber für höheren Euro-Mindestkurs

Bern – Die Nationalbank sieht sich mit wachsendem Druck für einen höheren Euro-Mindestkurs konfrontiert: Wie Gewerkschaften und economiesuisse drängt auch der Schweizerische Arbeitgeberverband auf eine Anhebung. Die Arbeitgeber warnen vor langfristigen Schäden. Auf eine konkrete Forderung nach einer Erhöhung des derzeitigen Euro-Mindestkurses von 1,20 CHF verzichtete der Schweizerische Arbeitgeberverband an seiner Herbst-Medienkonferenz am Montag in Bern zwar.

Die Verbandsspitze verhehlte aber nicht, dass sie eine Anhebung stark befürworten würde. Die Arbeitgeber wären «froh um einen höheren Kurs», sagte Verbandspräsident Valentin Vogt. Erst bei einem Euro-Kurs von 1,30 bis 1,40 CHF oder sogar darüber seien grosse Teile der Schweizer Exportwirtschaft und des Tourismus wieder konkurrenzfähig. Statt Forderungen aufzustellen, zählen die Arbeitgeber aber auf «Weitsicht und Kompetenz» der Nationalbank (SNB), wie es Vogt formulierte.

«Vertrauen in SNB»
Er vertraue darauf, dass die SNB sobald als möglich weitere Massnahmen ergreifen werde. Die SNB sei aber unabhängig, müsse die Risiken beachten und könne nicht unbegrenzt gegen die Märkte vorgehen, gab er zu bedenken. Am Wochenende hatte bereits Gerold Bührer, der Präsident des Wirtschaftsspitzenverbandes economiesuisse, der Nationalbank eine Erhöhung des Euro-Mindestkurses bei der nächsten Gelegenheit nahe gelegt. Die Nationalbank steht nach Aussage ihres Präsidenten Philipp Hildebrand bereit, weitere Massnahmen zu treffen, falls es die Entwicklung erfordert.

Erhebliche Strukturschäden befürchtet

Bleibt der Franken stark gegenüber Euro und Dollar, sieht der Arbeitgeberverband dunkle Wolken für die Schweizer Wirtschaft aufziehen. Es drohen laut Vogt in einem schleichenden Prozess «erhebliche Strukturschäden». Zuerst würden Waren im Ausland eingekauft, was Schweizer Zulieferer in Bedrängnis bringe, dann Stellen gestrichen und schliesslich die Produktion ins Ausland verlagert. «Diese Arbeitsplätze kommen in der Regel nicht wieder zurück», sagte Vogt. Stark in Bedrängnis sei auch der Tourismus.

Längere Arbeitszeiten als bestes Mittel

Bis der Franken wieder auf einem «vernünftigen Niveau» steht, fordern die Arbeitgeber «Spielraum für die Unternehmen bei Personalmassnahmen». Weiterhin sehen die Arbeitgeber vorab längere Arbeitszeiten als das geeignetste Mittel gegen die Frankenstärke. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien von längeren Arbeitszeiten «am wenigsten hart» getroffen, sagte Vogt weiter. Ihr Einkommen bleibe gleich hoch, während das Unternehmen die Lohnstückkosten senken könne. Es sei falsch, wenn Gewerkschaften solche Massnahmen rundweg ablehnten.

Lohnsenkungen «nur in existenziellen Notlagen»

Lohnsenkungen kommen für den Arbeitgeberverband «nur in existenziellen Notlagen» in Frage und wenn eine längere Arbeitszeit nicht möglich ist. Von der Anbindung von Löhnen an den Euro-Kurs rät der Verband ab. Ausnahmen seien höchstens bei Grenzgängern denkbar. Der Arbeitgeberverband ruft seine Mitglieder auf, jegliche Massnahmen verantwortungsvoll und lediglich dazu einzusetzen, um Stellenabbau zu verhindern. Im Sinne der Opfersymmetrie müssten auch Kader einbezogen werden. Ausserdem sollen die Firmen Transparenz schaffen, den Dialog mit den Sozialpartnern suchen und die Massnahmen regelmässig überprüfen.

Arbeitgeber warnen vor Überregulierung bei flankierenden Massnahmen
Der Arbeitgeberverband räumt derweil Missbräuche bei der Personenfreizügigkeit ein. Er warnt aber vor einem Überborden bei den flankierenden Massnahmen. Gewerkschaftsforderungen wie die Solidarhaftung auf dem Bau lehnt der Verband ab. Eine Verschärfung der flankierenden Massnahmen müsse sich gegen konkrete Missbräuche der Personenfreizügigkeit richten und nicht die Flexibilität des Arbeitsmarktes beeinträchtigen, sagte Arbeitgeber-Direktor Thomas Daum in Bern. Im Grundsatz zeigt sich der Verband einverstanden mit dem Entwurf des Bundesrates für ein revidiertes Entsendegesetz, das vorab die Scheinselbständigkeit bekämpfen soll. Griffigere Instrumente seien wünschenswert. Wenn aber auch inländische Unternehmen von Auflagen betroffen seien, müssten Kosten und Nutzen abgewogen werden. Deshalb lehnen die Arbeitgeber eine Kautionspflicht ab.

Auswüchse verurteilt
Vehement wehren will sich der Arbeitgeberverband auch gegen eine Solidarhaftung der Auftraggeber für die von ihnen beauftragen Subunternehmen. Eine solche Haftung fordern die Gewerkschaften vor allem im Baugewerbe, nachdem auf Baustellen Fälle bekannt wurden, bei denen ausländische Firmen die flankierenden Massnahmen nicht beachteten und deutlich zu tiefe Löhne bezahlten. Der Arbeitgeberverband verurteile solche Auswüchse «aufs Schärfste», sagte Daum. Er befürchtet aber einen «Flächenbrand an Regulierungen» als Folge von solchen Eingriffen. Beispielsweise könnten Firmen auf die gleiche Weise auch verantwortlich gemacht werden, wenn Lieferanten Umweltschutzstandards verletzten. Daum warnte auch davor, die EU mit übermässigen flankierenden Massnahmen zu provozieren. Die Folge könnten Retorsionsmassnahmen sein wie die Episode von 2004 mit verschärften Grenzkontrollen an der deutschen Grenze zeigte. «Das darf sich nicht wiederholen».  (awp/mc/upd/ps)

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