Deutschen Banken droht höherer Kapitalbedarf

Deutschen Banken droht höherer Kapitalbedarf

Commerzbank-Chef Martin Blessing.

Frankfurt am Main – Den deutschen Banken droht Kreisen zufolge beim Blitz-Stresstest der europäischen Bankenaufsicht eine böse Überraschung. Die Kapitallücke werde grösser sein als erwartet, erfuhr dpa-AFX am Dienstag aus Finanzkreisen. Bislang hatte die europäische Bankenbehörde EBA bei den deutschen Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 5,2 Milliarden Euro ausgemacht. Dafür waren aber noch mildere Kriterien angenommen worden. Die Ergebnisse dürften den Kreisen nach nicht mehr in dieser Woche veröffentlicht werden.

Die EBA wolle die Zahlen zunächst den EU-Finanzministern vorstellen, die sich am 30. November treffen. Die EBA selbst kündigte lediglich an, die Ergebnisse «im Laufe des Novembers» vorlegen zu wollen. Ein grösserer Kapitalbedarf könnte dazu führen, dass viele Institute zu Kapitalerhöhungen oder gar neuerlichen Staatshilfen greifen müssen. Bislang hatten sich die meisten europäischen Institute zuversichtlich gezeigt, die neuen Anforderungen aus eigener Kraft zu schaffen. Den bisherigen Berechnungen zufolge sah die EBA einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 106 Milliarden Euro bei den europäischen Banken.

Verrechnung von Anleihen nur begrenzt möglich

Doch die EBA hat die Kriterien inzwischen verschärft, wie es in den Kreisen heisst. So sollen die schlechten Ergebnisse aus dem dritten Quartal in die Berechnungen einfliessen. Zudem wolle die Behörde strengere Massstäbe für Risikoanlagen setzen, so dass auch dies den Eigenkapitalbedarf erhöhen wird. Auch die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten bei Staatsanleihen sollen nur noch eingeschränkt möglich sein. Davon hätten besonders die deutschen Institute profitiert, da sie besonders viele der zuletzt so gefragten Bundesanleihen halten.

Commerzbank: Kapitallücke von 5 Mrd Euro?

Die verschärften Kriterien dürften Gerüchten zufolge besonders die Commerzbank treffen. Ihre Kapitallücke könnte sich auf rund fünf Milliarden Euro belaufen, hiess es am Dienstag an der Börse. Ein Sprecher wollte das nicht kommentieren. Nach bisherigen Berechnungen liegt der zusätzliche Kapitalbedarf bei 2,9 Milliarden Euro. Die Aktie brach zwischenzeitlich um mehr als zehn Prozent ein und erreichte ein neues Rekordtief von 1,23 Euro. Commerzbank-Finanzchef Eric Strutz hatte bereits Anfang des Monats gesagt, dass sich der Kapitalbedarf noch verändern könnte. Kapitallücken sahen die Aufseher bislang noch bei der Deutschen Bank , der LBBW und der NordLB.

Zweifel bei Commerzbank wachsen
Mit den verschärften Kriterien wachsen die Zweifel, ob die Commerzbank die grössere Lücke wirklich aus eigener Kraft stopfen kann. Wie das gelingen soll, sei ihm nicht klar, sagte etwa Equinet-Analyst Philipp Hässler. In der Branche wird schon bezweifelt, ob das Institut die 2,9 Milliarden Euro allein stemmen kann.

700 Millionen Euro Verlust im Q3
Die in der Finanzkrise teilverstaatlichte Commerzbank will die Lücke etwa dadurch schliessen, dass sie sich von Randgeschäften trennt und die Risiken schneller abbaut. Zudem dürfen Teile der Bank vorübergehend keine neuen Kredite ausgeben. Im dritten Quartal hatte das Institut wegen neuerlicher Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen einen Verlust von fast 700 Millionen Euro verbucht. Das Institut hatte Ende September noch rund 13 Milliarden Euro in Staatsanleihen der Krisenländer Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien investiert.

Blessing will Staatshilfe unbedingt vermeiden

Die Commerzbank hatte erst im Frühjahr bei einer grossen Kapitalerhöhung elf Milliarden Euro eingesammelt und damit einen grossen Teil der in Finanzkrise erhaltenen Staatshilfen abgebaut. Ob Investoren noch einmal frisches Geld zuschiessen, gilt angesichts der schlechten Lage des gesamten Bankensektors in Europa als zweifelhaft. Damit könnte die Bank, die immer noch zu gut einem Viertel im Besitz des Bundes ist, erneut Stütze vom Staat in Anspruch nehmen müssen. Commerzbank-Chef Martin Blessing will dies unbedingt vermeiden.

Errechnete Lücken bis Juni 2012 schliessen

Den Blitz-Stresstest hatte die europäische Politik beim letzten Krisengipfel Ende Oktober vereinbart. Die EBA soll ermitteln, wie viel Geld die Institute brauchen, um auch bei diversen Krisenszenarien auf eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu kommen. Die Institute sollen bis Ende Juni 2012 Zeit bekommen, die errechneten Lücken zu schliessen. Die Politik hofft, so Vertrauen in die Stabilität der Banken zu schaffen. Bislang hat nur die italienische Grossbank Unicredit eine Kapitalerhöhung angekündigt. Sie soll 7,5 Milliarden Euro einbringen.

IWF sieht Kapitalbedarf bei 200 Mrd Euro

Experten hatten bei den europäischen Banken ohnehin angesichts der Schuldenkrise einen viel höheren Kapitalbedarf prognostiziert als die von der EBA zunächst angegebenen 106 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds (IWF) etwa sah einen Kapitalbedarf von 200 Milliarden Euro, Analysten der britischen Grossbank Barclays erwarteten sogar bis zu 340 Milliarden Euro. Der Stresstest ist stark umstritten – Experten bemängeln, dass die Kriterien vor allem ein politisch gewünschtes Ergebnis liefern sollen. Damit aber verfehle der Test das Ziel, Vertrauen in die Banken zu schaffen.

Banken fühlen sich überfordert
Die Banken fühlen sich von Regulierungsschritten überfordert. «Es fördert nicht gerade das Vertrauen, wenn quasi über Nacht völlig neue Anforderungen aus dem Ärmel geschüttelt werden und dadurch eine komplett überflüssige Diskussion über eine mögliche Zwangskapitalisierung losgetreten wird», sagte der Präsident des Bundesverband deutscher Banken, Andreas Schmitz, am Montag. (awp/mc/upd/ps)

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