«Keine Zeit für Liberalisierungen»

«Keine Zeit für Liberalisierungen»

Unter der Bundeshauskuppel hat sich das Tempo der Liberalisierungen verlangsamt.

Zürich – 2013 hat der wirtschaftspolitische Reformeifer in der Schweiz nachgelassen. Das zeigt die neueste Ausgabe des «D A CH-Reformbarometers», das von Avenir Suisse, dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln und der Wirtschaftskammer Österreich zusammengestellt wird, und die Reformbemühungen der drei beteiligten Länder in fünf wirtschaftspolitischen Bereichen vergleicht.

Grundlage der Analyse der Reformintensität bilden jene Politikvorschläge auf Bundesebene, von denen man annehmen darf, dass sie auch gesetzeswirksam werden. Ausgangspunkt ist der September 2002, mit einem Indexstand von 100 Punkten. Die seitherige Entwicklung der Indizes bringt die Reformdynamik zum Ausdruck. Ende 2013 wies das D A CH-Reformbarometer für die Schweiz 116,3 Punkte aus. Mit minus 0,1 Punkten gegenüber Dezember 2012 schliesst es zum ersten Mal seit 2005 tiefer als am Vorjahresende. Das Reformbarometer nahm hingegen sowohl in Deutschland (plus 0,6 Punkte auf 112,0) als auch in Österreich (plus 0,5 Punkte auf 114,8) leicht zu. So konnten beide Länder den Abstand zur Schweiz etwas verkleinern.

Tempo der Liberalisierungen verlangsamt
Wie die jüngste Ausgabe des D A CH-Reformbarometers zeigt, hat sich das Tempo der Liberalisierungen in der Schweiz seit dem Anfang der neuen Legislaturperiode im Dezember 2011 verlangsamt. Die Zäsur fiel zudem mit der politischen Verarbeitung der Finanzkrise zusammen. Auch wenn die Schweiz die Krise einigermassen unversehrt überstand – was sich nicht zuletzt in gesunden Bundesfinanzen manifestiert –, hinterliess die Krise tiefe Spuren im politischen Alltag. Themen wie die Öffnung der Schere zwischen mittleren und hohen Einkommen, die Grenzen der Globalisierung und das Misstrauen gegenüber Marktlösungen haben sich seitdem gehäuft. Reformmüdigkeit herrscht in allen Teilbereichen des D A CH-Reformbarometers, wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung.

Energiestrategie und «Swissness»-Vorlage als negativ beurteilt
Am stärksten zum Rückgang des Gesamtindex beigetragen hat der Politikbereich Wettbewerbs-, Infrastruktur- und Innovationspolitik. Er nahm in der Schweiz 2013 um 2,3 Punkte auf 114,4 Punkte ab, was zum grössten Teil auf die negative Bewertung der Energiestrategie 2050 des Bundesrates zurückzuführen ist. Diese setzt zu fest auf Autarkie und übernimmt Fehler, die bereits in Deutschland gemacht worden sind. Die «Swissness»-Vorlage, die eine Revision des Markenschutzgesetzes vorsieht, wird aufgrund ihrer protektionistischen Färbung ebenfalls negativ beurteilt.

Der Teilindikator Steuer- und Finanzpolitik erfuhr 2013 eine Verschlechterung. Er sank um 0,8 Punkte auf einen Stand von 130,7 Punkten. Dazu beigetragen haben die Rückweisung durch das Parlament des Sparprogramms KAPG 14 und die suspendierte Abschaffung der Stempelsteuer. Zwei wichtige steuerpolitische Herausforderungen – die ökologische Steuerreform und die Revision der Unternehmensbesteuerung – stehen aber noch bevor und sind noch nicht in die Bewertung eingeflossen.

Der Teilindikator Sozialpolitik schloss unverändert     mit 99,9 Punkten. Hier hielten sich positive und negative Bewertungen die Waage. Gewürdigt wird die beschlossene Verfeinerung des Risikoausgleiches bei der obligatorischen Krankenversicherung. Nachteilig hingegen wirkte sich die Verwässerung der Reform der Invalidenversicherung auf den Index aus, besonders der Verzicht auf einen Interventionsmechanismus zur langfristigen Sicherung des finanziellen Gleichgewichts. Damit wäre erstmals eine Schuldenbremse für eine Sozialversicherung eingeführt worden.

Mit einem Plus von 0,8 Punkten auf 116,5 Punkte fällt hingegen die Bilanz in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik leicht positiv aus – wobei das schwerwiegendste politische Ereignis des laufenden Jahres, die Annahme der Initiative «Gegen die Masseneinwanderung», ausserhalb der Berichtsperiode des Reformbarometers liegt. So könnte eine der 2013 positiv bewerteten Massnahmen, die Beteiligung am EU-Forschungsrahmenprogramm, im laufenden Jahr bereits eine Korrektur nach unten erfahren, falls die Schweiz dauerhaft davon ausgeschlossen werden sollte.

Schliesslich legte der Teilindikator Finanzmarktpolitik 2013 um 1,6 auf 119,9 Punkte zu. Im Jahr 2013 wirkten sich das FATCA-Bundesgesetz und die Revision des Gesetzes zur internationalen Steueramtshilfe positiv auf das Reformbarometer aus. Auch wenn diese Abkommen keine Begeisterung auslösen, gewährleisten sie den künftigen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten für die gesamte Finanzbranche. (Avenir Suisse/mc/ps)

140320_ps_02

Publikation
«D A CH-Reformbarometer Ausgabe 2014 – Reformpolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz». Herausgeber: Avenir Suisse, Institut der deutschen Wirtschaft Köln und der Wirtschaftskammer Österreich. Autoren: Robert Koza, Thomas Puls und Marco Salvi.
Download: http://www.avenir-suisse.ch/36150/dach-reformbarometer-2014/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert