Finanzplatz: Experte Peter V. Kunz kritisiert Brunetti-Empfehlungen

Finanzplatz: Experte Peter V. Kunz kritisiert Brunetti-Empfehlungen

Peter V. Kunz, Wirtschaftsrechtsprofessor Uni Bern. (Foto: Uni Bern)

Bern – Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz kritisiert die Empfehlungen, welche die Expertenkommission zur Finanzmarktstrategie des Bundes für einen besseren Marktzutritt der Schweizer Banken im Ausland abgibt: «Die Empfehlungen bringen weder etwas Neues, noch sind sie originell.»

Der Bundesrat habe die Expertengruppe unter Leitung von Professor Aymo Brunetti eingesetzt, damit diese neue Lösungsansätze finde, sagte Kunz der Nachrichtenagentur sda am Freitag. «Ich habe aber nichts gesehen, was der Bundesrat selbst und jeder mit dem Dossier befasste Beamte nicht schon längst wüsste.»

Er hoffe, der für Ende Jahr versprochene Abschlussbericht der Kommission habe mehr Substanz. Weder der Vorschlag, mit einzelnen Staaten innerhalb und ausserhalb der EU zu verhandeln, noch jener, mit der EU ein separates Abkommen zum Finanzsektor anzustreben, sei neu.

Auch dass die Experten das Thema Marktzutritt als dringend und prioritär einstufen, hält der Wirtschaftsrechtler für keine neue Erkenntnis: «Das Problem war schon vor ein oder zwei Jahren dringend, und es wird auch nächstes Jahr noch dringend sein.»

Schweiz hat wenig zu bieten
Das Hauptproblem sei, dass es die Schweiz sei, die auf den Marktzutritt für ihre Banken dringe, und die Schweiz zugleich kaum etwas zu bieten habe. Auf der anderen Seite hätten weder die EU noch die aus Bankensicht wichtigsten EU-Staaten ein Interesse daran, die Schweizer Konkurrenz hereinzulassen.

«Kein geschickter Verhandler wird ohne Not Zugeständnisse machen, die ihn selbst schmerzen», sagte Kunz. Und die Schweiz habe keine Trümpfe mehr in der Hand.

Weder mit dem Bankkundengeheimnis noch mit Zugeständnissen bei der Dividendenbesteuerung im Rahmen des Zinsbesteuerungsabkommens könne noch ein Stich gemacht werden. Dafür würden weder die EU noch Deutschland, Grossbritannien und Frankreich den Schweizern den Marktzutritt zu gewähren.

Automatischer Informationsaustausch
«Die EU-Zinsbesteuerungsrichtline wird eh über kurz oder lang obsolet sein», sagte Kunz. Denn allen sei klar, dass der Automatische Informationsaustausch (AIA) bald komme. Dieser wird derzeit im Rahmen der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, verhandelt.

«Die EU kann sich einfach zurücklehnen und die Schweiz zappeln lassen», denn der AIA habe der Schweiz all jene Trümpfe aus der Hand genommen, die die Schweiz nie ausgespielt habe.

«Bei Verhandlungen ist immer die Frage, ob die andere Seite darauf einsteigt.» Weder die EU noch die wichtigsten EU-Staaten hätten derzeit jedoch ein Interesse daran. Hätte man die Vorschläge vor einigen Jahren präsentiert, hätte die Schweiz Chancen gehabt. «Jetzt ist es zu spät; die Steuerrealität hat sich zuletzt stark verändert.»

Zuwanderungsinitiative
Verschlimmert habe die Lage das Ja des Stimmvolks am 9. Februar zur SVP-Zuwanderungsinitiative. «Zwar redet man seit der Deblockierung des Kroatiendossiers durch den Bundesrat gestern wieder miteinander. Aber solange nicht klar ist, auf welcher Basis die Schweiz und die EU künftig zusammenarbeiten werden, wird die EU nicht auf Verhandlungen zu neuen Abkommen einsteigen.»

Und dies schon gar nicht bei einem Thema, das vor allem für die Schweiz wichtig sei. «Die EU hat die Verhandlungen zum Stromabkommen sistiert, um nach innen und aussen zu signalisieren, wie wichtig ihr die Personenfreizügigkeit ist.» Das Stromabkommen sei für die EU weitaus bedeutender als ein Abkommen zum Finanzsektor.

Verhandlungen nicht mit EU-Ländern
Für die derzeit einzige Option des Bundesrats hält der Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern Verhandlungen mit Ländern ausserhalb der EU – mit China, Indien, Brasilien, Russland oder den USA. Aber auch dort erscheinen die Chancen auf Erfolg relativ gering.

Kunz› Fazit: Die Expertenkommission habe derzeit eine «Mission Impossible». Die Empfehlungen setzten kein Zeichen und setzten auch niemanden unter Druck. «Ich hätte diese nicht abgegeben.»

Anders sieht dies die Schweizerische Bankiervereinigung. Sie lobte die Empfehlungen der Brunetti-Kommission ausdrücklich. Weiter fordert sie, dass die Schweiz die Verhandlungen über den AIA mit dem Marktzutritt für die Banken verknüpft, wie die Sprecherin der Bankiervereinigung, Sindy Schmiegel Werner, der sda sagte. (awp/mc/ps)

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